Die Staatsanwaltschaft Graz dementiert entschieden einen am Dienstag erschienenen Zeitungsartikel über die laufenden Ermittlungen gegen vermeintliche Muslimbrüder. Dem Bericht zufolge wurde der Staatsanwaltschaft die Kompetenz für die Bestellung des Sachverständigen entzogen. (In einem zweiten Medienbericht stand das ebenfalls.) Dies sei „tatsachenwidrig“, erklärt dazu die Medienstelle der Staatsanwaltschaft. Gleiches gelte für die im ersten Artikel unterstellte Bekanntschaft zwischen Staatsanwalt und Sachverständigem: Dies sei „eklatant wahrheitswidrig“. Auch einer der beiden Sachverständigen widerspricht den veröffentlichten Behauptungen.

Gericht konnte Beschwerde vermeintlich „etwas abgewinnen“

Seit die Cobra Anfang November unter Führung der Grazer Staatsanwaltschaft 60 Wohn- und Büroräumlichkeiten mutmaßlicher Muslimbrüder durchsucht hat, arbeiten nicht nur die ermittelnden Behörden auf Hochtouren, sondern ebenso einige Verdächtige, die sich mittlerweile mit Anwälten zur Wehr setzen. Bis Anfang April wurden nicht weniger als 29 Einsprüche beim Landesgericht für Strafsachen Graz, sowie 42 Beschwerden beim Oberlandesgericht Graz vorgelegt. Im Falle einer Beschwerde soll das Gericht aber nun im Sinne der Beschwerdeführer entschieden haben. Das Gericht soll – wie etwa „Die Presse“ schreibt – der dortigen Argumentation „etwas abgewinnen“ können.

Die genannte Beschwerde richtet sich gegen die beiden Sachverständigen und deren Gutachten, auf das sich die Hausdurchsuchungen unter anderem gestützt haben. Das Gericht „entzieht der Staatsanwaltschaft Graz laut einem der ‚Presse‘ vorliegenden Schreiben die Kompetenz, Gutachter zu bestellen“, heißt es im Artikel. Staatsanwalt und Gutachter sollen sich „auch besser gekannt haben“, schreibt „Die Presse“ weiter, „zumindest war man per Du. Das Gericht will nun einen eigenen Gutachter bestellen, der die Situation neu bewerten soll.“

Der in der Muslimbruder-Causa ermittelnde Staatsanwalt Johannes Winklhofer machte sich unter anderem über Prozesse gegen Neonazis einen NamenAPA/STRINGER/APA-POOL

Sowohl die Sachverständigen, als auch die Staatsanwaltschaft weisen die Behauptungen entschieden zurück.

Staatsanwaltschaft Graz: „Es gibt noch keine Entscheidung des Gerichts“

Zur vermeintlichen Neubestellung des Gutachters erklärt Staatsanwalt Hansjörg Bacher, Leiter der Medienstelle der Grazer Staatsanwaltschaft, gegenüber dem eXXpress: „Das ist tatsachenwidrig. Es gibt noch keine Entscheidung des Gerichts dazu. Wir rechnen mit einer solchen in der kommenden Woche.“ Bei dem öffentlich erwähnten Schreiben vom 30. April handle es sich jedoch nicht um eine Entscheidung des Gerichts, sondern vielmehr um einen Formalakt.

Darin ist tatsächlich davon die Rede, dass „die Kompetenz für die Bestellung und Führung des Sachverständigen zur Gänze von der Staatsanwaltschaft auf das Gericht übergegangen ist“, allerdings sei das ein „Automatismus des Gesetzes“, der bei jeder Beschwerde eines Beschuldigten erfolgt, noch bevor das Gericht überhaupt eine Entscheidung fällt. Bis zur Entscheidung des Gerichts – wie gesagt: voraussichtlich in der kommenden Woche – ist der Sachverständige zwar aktuell nicht als solcher tätig, allerdings nicht weil seine Bestellung zurückgezogen wurde, sondern weil man die Entscheidung des Gerichts abwarte. Darauf werde im Schreiben des Richters auch ausdrücklich hingewiesen, etwa wenn dort dieser „Automatismus“ des Gesetzes erwähnt wird, und ebenso, wenn dort steht, dass die Kompetenz für die Führung des Sachverständigen für diesen Zeitraum „ex lege“ auf das Gericht übergegangen sei.

Behauptung eines Naheverhältnisses „eklatant wahrheitswidrig“

Die Behauptung, das Gericht wolle nun einen neuen Gutachter bestellen, sei somit „auf jeden Fall tatsachenwidrig“. Gleiches gelte für die Behauptung, die beiden Gutachter und der zuständige Staatsanwalt Johannes Winklhofer wären untereinander per du gewesen. „Das ist eklatant wahrheitswidrig“, sagt Hansjörg Bacher und unterstreicht: Er hätte dies alles jederzeit klarstellen können. Auf wen die von der „Presse“ zitierte Behauptung des Naheverhältnisses zurückgeht, ist unklar. Hansjörg Bacher zeigt sich verwundert über die „Motive“ der Urheber dieser Behauptung: „Mit mir wurde diesbezüglich nie gesprochen.“

Der Sachverständige Heiko Heinisch (r.) gilt als Islamismus-Experte. So waren er und Imet Mehmedi (l.) etwa Autoren der Studie "Die Rolle der Moschee im Integrationsprozess".APA/HELMUT FOHRINGER

Bei den beiden Sachverständigen handelt es sich um den Historiker Heiko Heinisch und die Politikwissenschaftlerin Nina Scholz. Beide arbeiteten bisher unter anderem als Mitarbeiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Historische Sozialwissenschaft in Wien und forschen über Antisemitismus, Nationalsozialismus und politischen Islam.

Heiko Heinisch: „Eine komplett falsche Unterstellung“

Zum vermeintlichen Naheverhältnis zum Grazer Staatsanwalt erklärt Heinisch: „Wir sind nicht per du. Das ist eine komplett falsche Unterstellung. Nina Scholz und ich standen mit Staatsanwalt Winklhofer ausschließlich in Zusammenhang mit der Erstellung des Gutachtens kurz in Kontakt. Wir kennen ihn ansonsten überhaupt nicht.“

Er verweist auch auf die vorliegende Korrespondenz mit dem Staatsanwalt: „Anlässlich des Gutachtens haben wir Winklhofer einmal getroffen und uns ein paar Emails zugeschickt. Ich habe alle Emails noch. Es handelt sich um Übermittlungen der Teilgutachten und Rückmeldungen der Staatsanwaltschaft. Das ist alles. Nicht ein einziges Email ist in Du-Form.“

Künstlich erzeugter Eindruck von Befangenheit?

Es scheint somit, als wollte hier jemand bewusst den Eindruck der Befangenheit erzeugen. Wer die Behauptungen in die Welt gestreut hat, konnte der eXXpress nicht in Erfahrung bringen. Bis zu nächsten Woche dürften zumindest alle darüber Klarheit erhalten, wie das Gericht auf die Vorwürfe gegen die zuständigen Sachverständigen tatsächlich reagieren wird.