Wenn eine Institution es sich zur Aufgabe gemacht hat, die »Regeln für gutes und verantwortungsvolles journalistisches Handeln« zu definieren und zu überwachen sowie »eine ethische Richtschnur für Medienschaffende« darzustellen, dann sollte man von dieser Institution eigentlich erwarten dürfen, selbst diesbezüglich hohen Ansprüchen zu genügen. Und dazu gehört, vor allem, wenn sich diese Institution auch noch aus Steuergeld finanziert und derzeit lautstark nach noch mehr Steuergeld verlangt, natürlich vor allem auch völlige Transparenz; gerade in finanziellen Dingen.

Doch seltsamerweise legt der Österreichische Presserat, ein Verein mit genau dieser Zielsetzung, dessen sogenannte Senate regelmäßig die Arbeit hiesiger Journalisten beurteilen, erstaunlich wenig Wert auf Transparenz. Ganz im Gegenteil: Er vermittelt stark den Eindruck, an dieser Transparenz eher sehr wenig interessiert zu sein.

Kafka lässt grüßen

Dies nicht ahnend, ersuchte ich im April dieses Jahres einen Mitarbeiter des Presserats um Übermittlung von dessen letztem Finanzbericht. Nachdem der Presserat ja mehr Geld vom Steuerzahler einfordert, wäre ja ganz interessant zu sehen, wie gerechtfertigt diese Forderung ist. Und dazu braucht man nun einmal die Finanzgebarung des Vereins.

»S. g. Herr Ortner! Bzgl. Jahresabschlüsse können Sie unseren Geschäftsführer Alexander Warzilek nächste Woche in der Geschäftsstelle erreichen, hier die Tel: 23 699 84«, beschied mir am 21. April besagter Mitarbeiter. »Danke, aber einfach an meine mail christian-ortner@xxxx schicken genügt völlig. Schönes we, co«, bedankte ich mich – was sehr naiv war, wie ich mittlerweile weiß.

Am 26. April klärte mich derselbe Mitarbeiter auf, warum ich die Unterlagen nicht einfach zugeschickt bekomme: »Die Jahresabschlüsse dürfen nur vom Präsident des Trägervereins herausgegeben werden, das ist derzeit Eike Kullmann: (Mailadresse) LG

Eine Abfuhr vom Präsidenten

Dass nicht einmal der Geschäftsführer des Presserats dessen Finanzen ofenlegen darf, klingt schon etwas eigenartig, aber noch bin ich frohen Mutes, dass das mit der Transparenz noch klappen wird. Und schreibe an den Herrn Präsidenten Kullmann, im Brotberuf Redakteur der Oberösterreichischen Nachrichten, ein paar nette Zeilen: »Sehr geehrter Herr Kullmann, ich ersuche Sie im Zuge einer Recherche freundlich um die Zusendung der letzten Jahresabschlüsse des Öst. Presserats an diese Mailadresse. Mit besten Grüßen, Christian Ortner.«

Doch auch der Herr Präsident schickt nicht den erbetenen Bericht, sondern eine Abfuhr: »Sehr geehrter Herr Ortner, herzlichen Dank für Ihr Mail. Über die Weitergabe von Rechnungsabschlüssen kann allerdings nur der Trägerverein entscheiden. Ich werde Ihren Wunsch selbstverständlich den Kolleginnen und Kollegen weiterleiten. Für weitere Fragen bitte ich Sie, sich an den Geschäftsführer Alexander Warzilek zu wenden. Herzlichen Dank. Mit besten Grüßen, Eike-Clemens Kullmann.«

Hmmm, Alexander Warzilek, das ist doch jener Geschäftsführer, der mich an den Präsidenten verwiesen hat? Und jetzt braucht es gleich den ganzen Verein, um über die Herausgabe der Finanzdaten zu entscheiden?

Langsam, aber sicher steigt ein Verdacht in mir hoch: Die wollen zwar mein Steuergeld, aber Transparenz halten die beim Presserat für eine eher schwer überschätzte Sache.

Zwei Monate später …

Etwas irritiert schreibe ich daher am 21.Juni an den Präsidenten: »Sehr geehrter Herr Kullmann, seit meinem Ersuchen um die Zusendung der letzten Jahresabschlüsse des Presserats sind nun mehr als zwei Monate vergangen. Ich ersuche Sie daher ein letztes Mal, mir die diesbezüglichen Unterlagen zuzustellen und nehmen dafür eine Frist bis 30. Juni in Vormerkung. Sollte ich bis dahin weder die Jahresabschlüsse noch eine plausible Erklärung für deren Intransparenz vorliegen haben, werde ich mir erlauben, darüber in angemessener Form zu berichten. Mit besten Grüßen, Christian Ortner.«

Nun, einen Freund dürfte ich mir damit eher keinen gemacht haben, ein paar Tage später antwortete mir der Herr Präsident etwas ungnädig: »Sehr geehrter Herr Ortner, ich habe, wie in meinem Mail angekündigt, Ihren Wunsch nach Zusendung der Rechnungsabschlüsse an die Mitglieder des Trägervereines weitergeleitet. Die Entscheidung darüber ist, wie gesagt, an einen Beschluss dieses Gremiums gebunden. Die nächste reguläre Sitzung (es gibt davon normalerweise nur zwei im Jahr) findet allerdings erst wieder im Spätherbst statt. Ich ersuche Sie daher, sich in Fragen zu den Rechnungsabschlüssen und zu etwaigen anderen Details der Arbeit des Presserates vertrauensvoll an Geschäftsführer Alexander Warzilek zu wenden. Herzlichen Dank. Mit besten Grüßen, Eike-Clemens Kullmann.«

Langsam gleicht meine kleine Recherche dem legendären Film Und ewig grüßt das Murmeltier, mit einem Hauch von Franz Kafka versehen.

Der Rat wird patzig

Also probiere ich es ab und zu ganz höflich, auf Twitter nachzufragen, wie es um die von mir erbetenen Unterlagen steht. Da wird der Presserat, der die Frage offenbar als ehrenrührige Majestätsbeleidigung empfindet, eher pampig: »Wir haben Ihnen schon mehrmals mitgeteilt, dass darüber die Mitgliederversammlung unseres Trägervereins zu entscheiden hat – die nächste Sitzung findet im Herbst 2023 statt.«

Ich schlage, um die Zeit bis dahin zu überbrücken, in den Statuten des Presserats nach, doch dort findet sich keine Regel, der zufolge erst im Herbst entschieden werden kann, allerdings ist so etwas nicht aufzufinden.

Doch Ende Juli scheint plötzlich Bewegung in die Sache zu kommen: Hurra, der Geschäftsführer des Presserats schreibt mir doch noch eine E-Mail.

Einladung statt Abschluss

Atemlos beginne ich zu lesen: »Sehr geehrter Herr Ortner!

Im vergangenen Jahr hat der Österreichische Presserat mit ›Über.Medien.Ethik.‹ ein eigenes Podcast-Format gestartet. Bislang sind sechs Magazin-Folgen erschienen (z. B. zu Kriegsbildern, Suizidberichterstattung); pro Folge kommen mehrere Expert:innen, Journalist:innen und Vertreter:innen des Presserats zu Wort. In einer der kommenden Folgen wird es um das Thema ›Klimajournalismus und Aktivismus‹ gehen. Wir würden uns freuen, wenn Sie Zeit und Interesse hätten, als Journalist und Kolumnist an dieser Folge teilzunehmen …«

Wieder nichts, Podcast statt Jahresabschluss. Betrübt antworte ich dem Geschäftsführer: »Sehr geehrter Herr Warzilek, danke für die nette Einladung. Vorerst ersuche ich Sie aber, mir endlich die Finanzgebarung des Presserats für 2022 oder allenfalls 2021 zukommen zu lassen, um die ich seit Monaten zum Zwecke der Berichterstattung erfolglos ersuche.

Sie werden sicher verstehen, dass ich den Hinweis ›Ich habe, wie in meinem Mail angekündigt, Ihren Wunsch nach Zusendung der Rechnungsabschlüsse an die Mitglieder des Trägervereines weitergeleitet. Die Entscheidung darüber ist, wie gesagt, an einen Beschluss dieses Gremiums gebunden. Die nächste reguläre Sitzung (es gibt davon normalerweise nur zwei im Jahr) findet allerdings erst wieder im Spätherbst statt‹ von Herrn Kullmann eher als

Pflanzerei empfinde. Ihrer Antwort interessiert entgegensehend, beste Grüße, Christian Ortner.«

Ende einer Konversation

Anfang August. Der Geschäftsführer antwortet erwartungsgemäß: »Über die Herausgabe der Unterlagen wird bei der nächsten Trägervereinssitzung entschieden. Das ist so zwischen dem Präsidium und dem Trägerverein akkordiert. Liebe Grüße, Alex Warzilek.«

Ich, ermattet und bar jeder Hoffnung: »Gerne, wann wird diese Sitzung stattfinden? Lg co.« – Er: »Im November!« (Sicherheitshalber ohne Angabe eines Jahres, ich kenne den Verein ja mittlerweile). Ich: »Im November? Sieben Monate nach meiner ersten Anfrage – das meinen Sie jetzt nicht ernst, oder?

Lg co.«

An diesem Punkt endete unsere wohl für beide Seiten unerquickliche Konversation.

Dem Presserat angesichts dieses eher eigentümlichen Verständnisses von Transparenz weiterhin Steuergeld zu überantworten, halte ich freilich für eine überschaubar gute Idee.