Wann immer ein Unternehmen seine Produktion aus Österreich oder Deutschland an einen Standort im (meist östlichen) Ausland verlegt, weil dort ähnlich produktive Mitarbeiter deutlich weniger kosten – wie etwa jüngst der VW-Konzern im Falle seiner LKW-Fabrik in Steyr – dann braust eine Woge der Empörung durch Politik und Medien. Von profitgeilen Konzernen, die den Hals nicht vollkriegen können ist dann regelmäßig die Rede und Schreibe, von verantwortungslosen Managern, die Familienschicksale am Altar ihrer Boni opfern, und vom Turbokapitalismus, der das alles ermögliche.

Zeig mir Dein Etikett, bevor Du kritisierst

Bei Podiumsdiskussionen, auf denen die vermeintlich schreiende Ungerechtigkeit solcher unternehmerischen Entscheidungen diskutiert wurde, habe ich mir manchmal als Diskutant erlaubt, die Kritiker solcher Verlagerungen zu bitten, kurz das Etikett ihres Hemdes, Ihres Pullis oder ihrer Jeans vorzuzeigen und das Herkunftsland vorzulesen. In aller Regel war das dann Bangladesh, Vietnam oder Kambodscha. Damit habe ich mich meist überschaubar beliebt gemacht, aber eher plakativ klargemacht, was ja eh grad kein Staatgeheimnis ist: dass jeder, wenn es um das eigene Geld geht, ganz genauso agiert wie ein böser Konzern: er oder sie lässt als Kunde dort produzieren, wo es am billigsten ist, weil die Löhne am niedrigsten sind.

Gewerkschaftsaktionistinnen, AK-Lobbyisten, hyperventilierende Sozialdemokraten in allen Parteien, die ja in aller Regel auch gerne bei H&M einkaufen, Smartphones aus fernöstlicher Fertigung verwenden oder Urlaub in Tunesien, wo Personal spottbillig ist machen, handeln also meist nach exakt den gleichen Kriterien wie VW, wenn es die MAN-Fertigung nach Polen verlagert. In beiden Fällen gilt gleichermaßen: der eigene Nutzen wird optimiert, indem dort gekauft wird, wo es am Günstigsten ist.

Das ist auch völlig legitim, man nennt das Marktwirtschaft – aber bitte für alle, und nicht nur für einen Teil der ökonomischen Akteure, ansonsten wird das Ganze nämlich eher scheinheilig und nicht gerade sehr glaubwürdig.

Natürlich kann man vom Staat verlangen, Unternehmen durch Gesetze, Zölle oder andere Schikanen dazu zu nötigen, hierzulande zu produzieren, auch wenn die Kosten dann viel höher sind.

Kaufen Sie wirklich Hemden um 200 Euro?

Das heisst aber natürlich gleichzeitig, dass auch die Preise, die vom Konsumenten zu berappen sind, entsprechend stark steigen. Würde H&M Hemden in Österreich produzieren, würden die halt 200 Euro kosten statt Neunneunzig.

Das wiederum würde genau die am härtesten treffen, die sich das am wenigsten leisten können – Geringverdiener, Pensionisten, Arbeitslose.

Wer verhindern will, dass Unternehmen dort produzieren, wo es am günstigsten ist, schädigt deshalb massiv jene finanziell, die am ärmsten dran sind. Kann man machen, muss man dann aber auch offen aussprechen. Viel Spaß dabei am Wahltag.