Vermutlich haben Sie in ihrem Leben noch nie etwas von einem gewissen Werner Sobek gehört. Der Mann ist von Beruf Architekt, lebt in Deutschland und wird dort von den Medien gerne als »Pionier der Nachhaltigkeit« gefeiert, weil er Häuser baut, die besonderen ökologischen Kriterien entsprechen. Warum auch nicht, soll jeder bauen wie er mag, seine Häuser sollen sogar recht gut sein.

Und so ist der »Pionier« immer wieder gern gesehener Interviewpartner in deutschen Medien – Nachhaltigkeit verkauft sich ja derzeit ganz hervorragend. Jedenfalls, solange man nicht selbst die Kosten tragen muss, die damit gemeinhin verbunden sind.

Mehr als bemerkenswert war freilich, was der Herr Trendsetter dieser Tage in der Zeitung Welt zum Besten gegeben hat.

Willkommen im Stromkommunismus

»Ich schlage ein Bürgerstromkontingent vor. Jeder Bürger hat Anspruch auf eine bestimmte kostenlose Menge Strom pro Jahr. Das Kontingent ist so bemessen, dass einerseits die Netze stabil bleiben und dass andererseits Heizen und Warmwasseraufbereitung in vernünftigem Maß bei zumutbarer Wohnungsgröße für Menschen mit niedrigem Einkommen kostenlos möglich sind … Wer mehr verbraucht, weil er eine große Wohnung bewohnt oder eine Zweitwohnung besitzt, der muss den sich nach Angebot und Nachfrage regelnden Strompreis bezahlen«, fordert der Nachhaltigkeitspionier. »Wir verteilen den knappen Strom per capita, pro Kopf. Nicht nach Einkommen, nicht nach Wohnungsgröße, sondern per Bürgerin und Bürger.«

Dass eine derartige retrokommunistische Zuteilung des knappen Stroms durch irgendeine Planbehörde trotz Klimawandels zu kalten Wohnzimmern führen dürfte, ficht den Experten nicht sonderlich an: »Ist es zumutbar, an wenigen Tagen im Jahr einen Pullover in der Wohnung tragen zu müssen? Früher konnte man sich das heutige Komfortniveau häufig nicht leisten. Waren die Menschen deshalb unglücklicher?«

Massenmenschenhaltung

Zusätzliches Glücksgefühl will der architektonische Vordenker dadurch schaffen, als keine freistehenden Häuser mehr gebaut werden, sondern nur noch Wohnhaus an Wohnhaus, eine Art vielgliedriges Reihenhaus also. »Viele Menschen träumen davon, am Marktplatz eines italienischen Städtchens wohnen zu können, weil es dort so ›lebendig‹ ist, man sich ›heimisch‹ fühlt«, meint er. »Wieder zu Hause, im freistehenden und vereinzelten Haus, redet man häufig genug schon lange nicht mehr mit den Nachbarn.«

Na und, werden Sie jetzt vielleicht denken, irgendein Architekt mit DDR-Phantomschmerz fantasiert etwas von Stromzuteilung und Pulli statt Pelletofen daher, was kümmert mich das? Wird ja ohnehin nie verwirklicht, also weitergehen, es gibt hier nichts zu sehen.

Das Tor zum Irrsinn

Das wäre leider eine etwas naive Sicht der Dinge. Denn Vorschläge, Ideen und Überlegungen, wie wir künftig mit weniger Wohlstand, Komfort und materiellen Annehmlichkeiten auskommen sollen, werden mittlerweile nahezu täglich öffentlich gemacht und diskutiert. Das reicht vom Verbot des Einfamilienhauses, aller möglicher Heizungsarten, von Ernährungsformen über Schwimmbäder bis zu Autoantrieben.

Auch wenn vieles davon (hoffentlich) nie verwirklicht wird, es geht bei all diesen Vorschlägen immer auch darum, derartige Absurditäten als irgendwie »normal« erscheinen zu lassen. Und damit das Einfallstor für Irrsinn dieser Art ein Stück weit zu öffnen.

So machen sie es immer

Der deutsche Atomphysiker und Publizist Manfred Haferburg, der selbst die DDR am eigenen Leib erfahren musste, hat diese Taktik präzise erfasst: »So machen sie es immer. Irgendein ›Pionier‹ schlägt etwas vor, das einen Proteststurm hervorrufen würde, wenn die Leute es erfahren oder verstehen würden. Ein paar Jahre später ist es Bundesgesetz. Was kommt nach dem ›Stromkontingent‹? Ein ›Fleischkontingent‹? Ein ›Kartoffelkontingent‹? Lebensmittelkarten? Ein Atemluftkontingent? Ich wünsche mir ein Gesetz, das Architekten dazu verdonnert, in den Gebäuden, die sie entworfen haben, zu leben. Und dass ›Pioniere der Nachhaltigkeit‹ dazu verdonnert werden, nach den Prinzipien zu leben, die sie propagieren.« (Quelle: achgut.com)

Genau das ist die Gefahr von Vorstößen wie jenem des Pioniers der Nachhaltigkeit: Die Grenzen zwischen dem Verhandelbaren und dem Verrückten schieben sich immer weiter ins Reich der Verrücktheit hinein.

Die Methode Juncker

Da, wo die Europäische Union etwas zu bestimmen hat, ist diese Methode in einer etwas eleganteren Variante übrigens seit vielen Jahren durchaus üblich. Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat das einmal ganz offenherzig so beschrieben: »Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.«

Noch gibt es ein Zurück, etwa in der Frage einer vernünftigen Energiepolitik, die nicht Mangel verwaltet, sondern für ausreichend viel ausreichend billige Energie sorgt. Darüber, ob wir künftig im Winter mit Pullis in der Wohnung frieren, entscheidet letztlich noch immer der Wähler.