Gleich zehn neue Atomkraftwerke sollen in Schweden entstehen, hat die konservative Regierung in Stockholm dieser Tage verkündet und damit den endgültigen Ausstieg aus dem Atomausstieg besiegelt. Wirtschafts- und Energieministerin Ebba Busch formulierte es wuchtig: »Schweden schickt sich an, wieder eine führende Atomkraft-Nation zu werden und auch ein Machtfaktor für den grünen Wandel.«

Traumland, abgebrannt

Bemerkenswert daran ist, dass auch die Sozialdemokratie den Ausbau der Kernenergie unterstützt – und damit eine politische Lernfähigkeit zeigt, die Österreichs Roten gänzlich fehlt. Schweden, das war für Österreichs Sozialdemokratie viele, viele Jahre lang das große Vorbild, wie eine Gesellschaft organisiert sein soll. Schweden, das war der Wohlfahrtsstaat schlechthin, das war Neutralität weit abseits von NATO und dem früheren Ostblock, das war ein Synonym für hohe Steuern, denen ebenso hohe Leistungen des umfassend fürsorglichen Staates gegenüberstehen.

Vor allem seit Kanzler Bruno Kreisky, der selbst die Nazi-Zeit im schwedischen Exil verbracht hatte, gilt Schweden in der Sozialdemokratie als Best-Practice-Modell, nach dessen Muster sozialdemokratische Politik zu funktionieren hat.

Politischen Feinspitzen fällt freilich schon seit einigen Jahren auf, dass die hiesigen Roten Schweden still und heimlich als leuchtendes Vorbild entsorgt und auf die Müllhalde der Ideengeschichte verbracht haben. Davon, dass die skandinavische Sozialdemokratie noch irgendwie tonangebend sein soll, ist seit geraumer Zeit nicht mehr die Rede. Vielmehr gilt jetzt: Weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen.

Sozialdemokratische Sackgassen

Dieser Fall von politischer Eltern-Weglegung ist freilich leicht zu erklären. Denn am Beispiel Schweden lässt sich gut besichtigen, in welchen Sackgassen sozialistische wie sozialdemokratische Politik früher oder später landet – und welch schmerzhafte Therapien dann nötig sind, um ein Land wieder flott zu bekommen.

Am auffälligsten natürlich in der Wirtschaftspolitik. Dort führte die Sozialdemokratie mit ihrem überbordenden und unfinanzierbar gewordenen Sozialstaat das Land an die Grenze zum Staatsbankrott, was eine umfassende Sanierung notwendig machte. »Um die Staatsausgaben zu senken, baute die konservative Regierung den schwedischen Wohlfahrtsstaat um: Leistungen wurden gekürzt, erkrankte Arbeitnehmer erhielten am ersten Krankheitstag keine Bezüge mehr. Zugleich versuchte die Regierung aber durch partielle Steuersenkungen die Wirtschaft anzukurbeln«, schrieb die Hamburger Zeit, »bei den Sozialausgaben kürzte die Regierung aber eher Transfers als soziale Angebote wie Kindergärten. Beispielsweise wurden in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung temporär die Ersatzbezüge auf 75 Prozent des letzten Gehalts gesenkt, davor lag die Rate bei 80 Prozent. Auch Kinder- und Elterngeld fielen geringer aus.«

Die strenge Diät für den überfetteten Staat widersprach zwar allen Glaubenssätzen der Sozialdemokratie, hat aber blendend funktioniert. Heute sind die Steuern in Schweden niedriger als in Österreich, die Arbeitnehmer verdienen bei gleichem Bruttolohn deutlich mehr netto als hierzulande – und die Staatschulden liegen bei etwa 35 Prozent der Wirtschaftsleistung, nicht einmal die Hälfte des österreichischen Wertes.

Kein Wunder, dass dies für die Babler-SPÖ nicht gerade als Vorbild taugt, wo ja schon die Frage nach der Finanzierung des Sozialstaates als unmenschlich gilt.

Lieber IS als Ikea

Ähnliches trifft auch auf die Migrationspolitik zu, die im mental durch und durch sozialdemokratisch geprägten Schweden zu exzessiver Willkommenskultur mit den bekannten unerquicklichen Nebenwirkungen geführt hat: Stadtteile, die zu No-Go-Areas verkommen, Bandenkriminalität am Rande des Bürgerkriegs, Parallelgesellschaften, in denen mehr für den Islamischen Staat (IS) als für Ikea geschwärmt wird.

Das erzwingt nun einen entschlossenen Rückbau der sozialdemokratischen Politik der offenen Tür. »Schweden ändert im November 2015 den Kurs. Die Regierung sieht, dass die Situation außer Kontrolle gerät. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Asa Romson bricht zwar in Tränen aus, als sie die Maßnahmen ankündigt«, notierte die Welt, »aber die Botschaft ist klar: Schweden stoppt die unbegrenzte Aufnahme von Flüchtlingen – und macht die ersten Schritte weg vom extrem liberalen Asylrecht hin zu mehr Abschreckung.«

Auch hier gilt: Kein Wunder, dass dies der SPÖ nicht wirklich als Vorbild gilt, weil dort ja noch immer die Willkommenskultur romantisch verklärt wird. Genauso übrigens wie die Neutralität, jahrzehntelang ein Herzstück der schwedischen Identität. Doch auch dieses Vorbild ist nicht mehr, seit sich Stockholm entschlossen hat, der NATO beizutreten – ein für hiesige Sozialdemokraten völlig unvorstellbares Sakrileg.

Zwei Farben Rot

Ganz gleich, wie man all diese doch eher radikalen Änderungen dessen, was die schwedische Sozialdemokratie politisch darstellt, beurteilen mag, eines kann sie getrost für sich verbuchen: die Fähigkeit, angesichts selbst verursachter Probleme über den eigenen Schatten zu springen, so nach dem Motto: Niemand kann mich daran hindern, klüger zu werden. Zumindest daran könnte sich die SPÖ ja noch ein Vorbild nehmen.