
Christian Ortner: Michael Ludwigs Hände in unseren Brieftaschen
Wenn der Wiener Steuergeld-Feudalismus nach Gutsherrenart nicht radikal abgeschafft wird, ist der Wien Energie-Skandal nicht die letzte städtischen Finanzaffäre, befürchtet Exxpress-Kolumnist Christian Ortner.
Nehmen wir einmal an, Sie überprüfen routinemäßig Ihren Kontoauszug und stellen bei dieser Gelegenheit fest, dass sich dort eine Buchungszeile »Abbuchung Bürgermeister Ludwig« in Höhe von 350 Euro findet. Das muss ein Irrtum sein, denken Sie sich, müssen aber erschrocken feststellen, dass so eine Abbuchung schon im Juli erstmals durchgeführt worden ist, Sie also schon um 700 Euro ärmer geworden sind. Schluck.
Eine gewaltige Fehlkonstruktion in Wien
Wenn Sie nun einwenden, so etwas gäbe es nicht, muss ich Sie leider enttäuschen. Denn indem der Wiener Bürgermeister in den letzten Wochen der angeschlagenen Wien Energie formlos und ohne jemanden zu fragen zweimal 700 Millionen Steuergeld überwies, dessen Rückzahlung eher ungewiss erscheint, hat er wirtschaftlich betrachtet jeden der zwei Millionen Wiener mit 700 Euro belastet – natürlich zusätzlich zu allen anderen Lasten, die der geplagte Wiener Steuerzahler sonst so zu schultern hat.
Dass der Wiener Bürgermeister de facto unbegrenzten Zugriff auf die Ersparnisse (oder den Überziehungsrahmen) der Wienerinnen und Wiener hat, ist eine Fehlkonstruktion von atemberaubendem Ausmaß, die besser heute als morgen saniert gehört. Während in der Schweiz über jedes neue Klo im Rathaus und die damit verbundenen Kosten der Bürger mittels einer Volksabstimmung entscheidet und jeder mittelgroße Betrieb bei uns nach dem »Zwei-Augen«-Prinzip funktioniert, also eine Führungskraft nur kleine Beträge alleine ausgeben kann, größere aber immer zwei Unterschriften brauchen, herrschen in der Stadt Wien Zustände wie in einer absoluten Monarchie, in der der Souverän Geld verjuxen kann, wie es ihm beliebt und wofür es ihm beliebt.
Das ist eigentlich, abgesehen von den desaströsen Ereignissen bei der Wien Energie, ein Skandal für sich.
Das Geld der anderen Leute
Wie gefährlich dieser unbürokratische Schnellzugriff von Politikern ins Portemonnaie der Bürger ist, erklärt uns die Theorie vom »Geld der anderen Leute«. Diese Theorie ist einfach und tausendfach erprobt: mit dem Geld anderer Leute geht man immer entspannter und großzügiger um als mit den eigenen Ersparnissen, das liegt irgendwie in der Natur des Menschen.
Deshalb ist es immer brandgefährlich, Politikern, aber auch etwa Beamten, leichten und unkontrollierten Zugang zum Geld der Steuerzahler zu gewähren, ohne dabei effiziente Kontroll- und Sicherheitsmechanismen zu installieren, die diese Gefahr zumindest reduzieren. Ausschalten kann man sie ohnehin nicht.
Was in Wien dem Bürgermeister gestattet ist, ist das genaue Gegenteil eines derartigen Sicherheitsnetzes zum Schutz des Steuerzahlers, und deshalb gehört das besser heute als morgen repariert.
Die Skandalchronik
Dass es in Wien noch immer diesen Steuergeld-Feudalismus nach Gutsherrenart gibt, ist nicht zuletzt deswegen besonders ärgerlich, weil die recht üppige Skandalchronik dieses Landes ja in vielen Fällen belegt, wie gefährlich das Zusammentreffen von großen Mengen Steuergeld mit zur Spekulation entschlossenen Akteuren ist. Das beginnt etwa in den 1980er Jahren mit der damaligen Verstaatlichten-Pleite und dem Spekulationsdesaster der Intertrading und setzt sich nahtlos in den Causen Konsum und BAWAG, aber auch mehreren lokalen und regionalen danebengegangenen Spekulationsgeschäften fort. Auch Wiens Franken-Kredite gehören in diese Traditionslinie. Dass es im Dunstkreis der SPÖ auffällig viele dieser Finanzskandale gibt, ist übrigens ein interessantes und unbestreitbares Faktum. Auch wenn sich die Skandale im Detail unterscheiden – »das Geld der anderen Leute« spielt dabei immer eine zentrale Rolle.
Privatisieren hilft
Will man das Problem ernsthaft lösen, gibt es dazu nur zwei Möglichkeiten. Erstens: den Staat – egal, ob Bund oder Länder oder Gemeinden – auf seine Kernfunktionen zu reduzieren; Unternehmen zu betreiben gehört in aller Regel nicht dazu. Auch wenn das derzeit sehr unmodern ist: Privatisierungen sind das beste Mittel gegen Affären wie jene um die Wien Energie.
Und zweites: das Prinzip »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser« vor allem dort ernst zu nehmen und strikt anzuwenden, wo »das Geld anderer Leute« von Politikern verbraten wird. Wien könnte mit beiden Punkten einen Anfang machen, wird es aber aus bekannten Gründen nicht. Der nächste Finanzskandal kommt daher bestimmt.
Kommentare
Ich arbeite in einem anderen großen Energieunternehmen. Bei uns gibt es nur Kopf schütteln über die Wien Energie.
Einfach zum Nachdenken. Wenn Ihnen die Rückzahlung der 1,4 Mrd ungewiss erscheinen, warum hat Ludwig dann von Nehammer, nach reiflicher Überlegung, nochmals 2 Mrd Spielgeld geliehen bekommen? Waren die Garantien für die Wien-Energie vielleicht doch alternativlos?
Die Wien Energie ist zu 100% ein SPÖ Betrieb. Mitarbeiter haben alle ein Parteibuch, dass sie überhaupt angestellt sind und den richtigen Betriebsrat wählen. Steuergeld Überweisung zum eigenen Vorteil für einen SPÖ Konzern!!! Wo bleibt die Staatsanwaltschaft??????? Wie gut, dass die Justiz in Grün/Roten Händen ist, da passiert den Verbrechern mit dem richtigen Parteibuch nichts!
… wirtschaftlich betrachtet, jeden der 2 Mio Wiener mit 700 € belastet. Kann man so sehen, muss man nicht. Denn jetzt zu meiner Milchmädchenrechnung: Arbeitende und damit von der Zwangssteuer belastete Wiener gibt es höchstens 500 Tsd. Der Rest sind Pensionisten, Sozialfälle, Kinder und Jugendliche u n d die Wunscheingedrungenen der Linken. Also bestenfalls stemmt ein Viertel der Einwohner den Ludwig’schen roten Raubzug und das ergibt x 4 gerechnet, schon die Summe von 2800 Penunzen. Die Aufteilung auf die gesamte Einwohnerzahl ist zu einfach dargestellt, Herr Ortner.
Es macht fassungslos. Der Wiener Bürgermeister genehmigte aus Steuermitteln – also Geld, das den Bürgern gehört – insgesamt 1.4 Milliarden Euro an Sicherheiten an ein parteinahes Unternehmen, das sich verzockt hat. Einfach so, wahrscheinlich nach Beratung mit Finanzstadtrat Hanke. Aber ohne Einbeziehung des Gemeinderats. Es ist das keine der üblichen parteipolitischen Verdächtigungen oder anonymen Anzeigen, die sich nach Jahren der Ermittlung als unbegründet herausstellen. Nein, die Spekulation der Wien Energie ist von Börsenexperten bestätigt, und die Stellung der Sicherheiten wurde vom Bürgermeister bereits zugegeben. Die Sicherheiten hätten sehr leicht schlagend werden können, wie das bei riskanten Börsengeschäften halt so ist. Dennoch sagt der Bürgermeister, dass sein Handeln ein „üblicher“ Vorgang war und denkt nicht an Rücktritt. Ich glaube nicht, dass eine Volksbefragung bei allen größeren Ausgaben sinnvoll ist. Manchmal drängt tatsächlich die Zeit. Aber es ist das Allermindeste, den Gemeinderat zu befassen, soviel Zeit muss sein. Notfalls mit einer Sondersitzung oder Rundschreiben. Den Gemeinderat gibt es ja gerade, damit solche Alleingänge nicht (mehr) möglich sind.
Zur Klarstellung: es gibt in der Wirtschaft das “4-Augen-Prinzip”. 4 Augen = 2 beteiligte Menschen.
@ elex
Das ist falsch, wie ein kurzer Blick auf diverse Übersetzungsseiten zeigt. “privare” bedeutet “befreien”, nur in manchen Übersetzungen ins Deutsche wird das mit “rauben” übersetzt, wie zB “jemandem den Schlaf rauben”.
Aber ich verstehe schon, dass Linke das gerne so hindrehen, um zu ihre Abneigung gegen Marktwirtschaft und ihre Liebe zur Planwirtschaft hervorzuheben.
Lieber Elex, klingt nett, ist aber falsch. Denn Privatisierung leitet sich von lateinischen privatus sowie – wie von Ihnen richtig bemerkt privare ab. Nur bedeutet privare nicht nur beraubt sondern auch abgesondert und getrennt. In Verbindung mit privatum “DasEigene, für sich stehende” ist privare eher in diesem Sinne zu verstehen. Nur der Vollständigkeit halber. Für Kommunisten natürlich eine Horrorvorstellung, für mündige Personen aber ein durchaus interessantes Konzept.
Ein erboster Postingkollege hat mir vor kurzem
mitgeteilt das Wien Energje gezwungenermaßen im Winter zuviel Strom produziert und das es daher die hohen Verkäufe zu einem ungüstigen Preis machen mußte, weil man nicht wußte wohin sonst damit.
Ich hielt das für absurd, alle fürchten sich vor dem Winter und der Energieknappheit und in Wien soll just zu diesem Zeitpunkt der Überfluss von zu viel erzeugtem Strom ein großes Problem sein?
Jetzt habe ich seither öfter davon gelesen, ist das also wahr?
Warum kann man den Strom, wenn es so ist, nicht für die Erzeugung von Wasserstoff nützen?
Wasserstoff könnte mit dem Überschussstrom nur dann produziert werden, wenn es dazu Elektrolyse Anlagen geben würde. Diese Anlagen braucht man zwar für die Energiewende in Zukunft, aber zur Zeit gibt es sie nicht.
Verkäufe des Stromes zu hohen Preisen in der Zukunft ist eben Spekulation. Die Bedingungen am Strommarkt, inkl. Sicherheitsleistungen, sind bekannt. da hat man sich halt verzockt. Die Entwicklung der Strompreis seit Ukrainekrieg sind bekannt. Wenn man die Positionsgrößen an die finanziellen Möglichkeiten angepasst hätte, wäre das auch kein Problem.
So ein Glück, dass man eine Kolumne nicht faktenbezogene, persönliche Meinung publizieren darf, gell. Ein kurzer Faktencheck hätte ja das Zeilenhonorar versaut. Seit Freitag wurden 800 Millionen rücküberwiesen, der Gaspreis ist gefallen, die Sicherheitsleistungen kommen zurück. Wenn jeder Bankmitarbeiter oder Fondsmanager bei im Tagesgeschäft jedesmal groß rückfragen muss – herrlich, so stellt sich Ortner also den Strommarkt vor. Das ist ähnlich schlau wie das Schreiben von “Spekulationen” – ohne Emotionen betrachtet ist nämlich jeder Einkauf zum Weiterverkauf “Spekulation” und niemand weiß, ob und wenn ja, zu welchen Preisen man weiterverkaufen kann.Man kalkuliert – oder spekuliert – eben. Dass es in der Natur von Notverordnungen liegt, schnell und unter Zeitdruck entscheiden zu können, ist auch ganz neu. Dass solche Entscheidungen nach beschlossen werden müssen, auch – und ja, mit der Weisheit der Rückschau ist dann leicht reden.
Sie wissen das ausdrücklich in der Verordnung steht das der Gemeinderat so bald als möglich zu informieren ist.
Wie lange war also so bald als möglich in diesem Fall?
Ad Creator: Der Gaspreis ist gefallen ? Darf ich bei Ihnen mein Gas für den Winter einkaufen ? P.S Lesen Sie den Artikel hier im Exxpress für die Erhöhung des Gaspreises wegen Nord Stream 1-Schließung . Danke, schönen Tag
wenn man Strom für zukünftige Produktion verkauft, ist das wohl Spekulation mit unlimitiertem Risiko bis zum Produktionszeitpunkt. Der Strompreis ist ja kurzfristig auf 1000/MWh gestiegen. Die Sicherheitsleistungen sind über den Kreditrahmen von WE gestiegen. WE wäre ohne Hilfe zahlungsunfähig geworden.
Man darf ja Strom auch normal an der Strombörse verkaufen – ohne Risiko , aber auch ohne Gewinnmöglichkeit.
@Creator: Nur weil das Spiel vielleicht gerade noch einmal gut gegangen ist, kann man ihm nicht das Mäntelchen eines üblichen Vorganges umhängen.
Und zur Erinnerung: Es ging bei dem Spiel um die Stromversorgung einer Zweimillionenstadt und um Geld, das deren Bürgern gehört.
Privatisieren leitet sich vom lateinischen ‘privare’ (= berauben) ab. Nämlich den Bürgern, denen es eigentlich gehört, wird ein Objekt entwendet und in die Obhut eines Einzelnen gestellt. Dies gefällt Geldgeiern, der Gesellschaft bringt es allerdings nur Verlust. Kontrolle und Konsequenzen müssen her. Diese wäre durch Privatisierung erst recht nicht gegeben.
Privatwirtschaft ist demnach also Raub. Selten so einen aufgesetzten Unsinn gelesen. Würde man die Behauptung umsetzen, müsste man alle Betriebe verstaatlichen, auch die kleinste Fahrschule, den kleinsten Bäcker. Das Resultat wäre Massenverarmung, wie immer in Gesellschaften, in denen Sozialisten den Ton angeben.
“elex” scheint mehr Ideologe, als Wissender zu sein. Sonst wüsste er, dass eine AG z.B. als Volksaktie nicht in “der Obhut eines Einzelnen”, sondern einer breiten Eigentümergemeinschaft gehört.
@Datrex Vor dem Gesetz ist auch eine Ges oder AG eine (Zahl) Person, unabhängig wieviele Gesellschafter.
@Sandwalk Welcher Bäcker gehört dem Staat = dem Volke? Latein und Geschichtsunterricht bitte eventuell nochmals wiederholen, könnte dem Verständnis helfen.
Für das Problem der fehlenden Kontrolle und ausbleibender Konsequenzen haben Sie leider beide keine Antwort liefern können. Beispiel Twitter, Facebook, Google, Starlink, SpaceX, … den Mächten der Grossen ausgeliefert, ohne Steuern zu zahlen, ohne Mitsprache des Volkes, Meinungsfreiheit nur, wenn es gerade passt. Reinste Willkür dank privater Unternehmen, weil vorallem der Profit im Vordergrund steht.
Alles, was die Sozialisten vom Geld verstehen, ist die Tatsache, dass sie es von anderen haben wollen.
(Konrad Adenauer)
In jeden Tag liest man einen Artikel, wo unsere Regierung spendet oder Aufträge annimmt, wo trotzdem bezahlt wird und nicht Geld rein kommt und und und …. ich würde mir auch hier wünschen, dass das Volk befragt wird, wir geben Geld aus, dass nicht da ist, Österreich ist tief verschuldet und allein die Zinsen sind unvorstellbar, das stört Frau Plakolm nicht aber die Erhöhung der Pensionen schon???
Das verschenken von Steuergeld ist auch Spekulation, man will ja unbedingt gut da stehen !!! So scheinheilig die Politik !!!!!
Ich fordere: ÖSTERREICH zu erst !!!!!🇦🇹
In Wien muss wohl ein U-Ausschuss für Aufklärung sorgen.
Wo ist oder war die Kontrolle der Stadt eigenen Unternehmen? Die Geschäftsgebarung der Energie Wien und zB die Gesiba, die scheinbar Millionen durch die Commerz Bank verloren hat, muss in einem U-Ausschuss aufgearbeitet werden.
Es kann nicht sein, dass man sich selbst kontrolliert, da gehört Licht ins Dunkel.
Die Regierenden trauen sich über Wien nicht drüber wegen der vielen Wähler. Deshalb wäre das Schweizer Modell so wichtig. Aber das bedeutet auch Machtverlust und das ist nicht erwünscht.
Es heißt 4-Augen-Prinzip. Außer sie unterstellen den beteiligten Personen, dass sie auf dem linken Auge blind sind.
Nein, es ist nicht richtig, dass der nächste Finanzskandal bestimmt kommt.
Richtig ist vielmehr, dass es ihn schon gibt – er ist aber noch nicht aufgeflogen.
Mit dem Verkauf von 100.000 Gemeindewohnungen an österreichische Mieter könnte man beginnen. Damit erübrigt sich auch die Bundeshilfe.