Nehmen wir einmal an, Sie überprüfen routinemäßig Ihren Kontoauszug und stellen bei dieser Gelegenheit fest, dass sich dort eine Buchungszeile »Abbuchung Bürgermeister Ludwig« in Höhe von 350 Euro findet. Das muss ein Irrtum sein, denken Sie sich, müssen aber erschrocken feststellen, dass so eine Abbuchung schon im Juli erstmals durchgeführt worden ist, Sie also schon um 700 Euro ärmer geworden sind. Schluck.

Eine gewaltige Fehlkonstruktion in Wien

Wenn Sie nun einwenden, so etwas gäbe es nicht, muss ich Sie leider enttäuschen. Denn indem der Wiener Bürgermeister in den letzten Wochen der angeschlagenen Wien Energie formlos und ohne jemanden zu fragen zweimal 700 Millionen Steuergeld überwies, dessen Rückzahlung eher ungewiss erscheint, hat er wirtschaftlich betrachtet jeden der zwei Millionen Wiener mit 700 Euro belastet – natürlich zusätzlich zu allen anderen Lasten, die der geplagte Wiener Steuerzahler sonst so zu schultern hat.

Dass der Wiener Bürgermeister de facto unbegrenzten Zugriff auf die Ersparnisse (oder den Überziehungsrahmen) der Wienerinnen und Wiener hat, ist eine Fehlkonstruktion von atemberaubendem Ausmaß, die besser heute als morgen saniert gehört. Während in der Schweiz über jedes neue Klo im Rathaus und die damit verbundenen Kosten der Bürger mittels einer Volksabstimmung entscheidet und jeder mittelgroße Betrieb bei uns nach dem »Zwei-Augen«-Prinzip funktioniert, also eine Führungskraft nur kleine Beträge alleine ausgeben kann, größere aber immer zwei Unterschriften brauchen, herrschen in der Stadt Wien Zustände wie in einer absoluten Monarchie, in der der Souverän Geld verjuxen kann, wie es ihm beliebt und wofür es ihm beliebt.

Das ist eigentlich, abgesehen von den desaströsen Ereignissen bei der Wien Energie, ein Skandal für sich.

Das Geld der anderen Leute

Wie gefährlich dieser unbürokratische Schnellzugriff von Politikern ins Portemonnaie der Bürger ist, erklärt uns die Theorie vom »Geld der anderen Leute«. Diese Theorie ist einfach und tausendfach erprobt: mit dem Geld anderer Leute geht man immer entspannter und großzügiger um als mit den eigenen Ersparnissen, das liegt irgendwie in der Natur des Menschen.

Deshalb ist es immer brandgefährlich, Politikern, aber auch etwa Beamten, leichten und unkontrollierten Zugang zum Geld der Steuerzahler zu gewähren, ohne dabei effiziente Kontroll- und Sicherheitsmechanismen zu installieren, die diese Gefahr zumindest reduzieren. Ausschalten kann man sie ohnehin nicht.

Was in Wien dem Bürgermeister gestattet ist, ist das genaue Gegenteil eines derartigen Sicherheitsnetzes zum Schutz des Steuerzahlers, und deshalb gehört das besser heute als morgen repariert.

Die Skandalchronik

Dass es in Wien noch immer diesen Steuergeld-Feudalismus nach Gutsherrenart gibt, ist nicht zuletzt deswegen besonders ärgerlich, weil die recht üppige Skandalchronik dieses Landes ja in vielen Fällen belegt, wie gefährlich das Zusammentreffen von großen Mengen Steuergeld mit zur Spekulation entschlossenen Akteuren ist. Das beginnt etwa in den 1980er Jahren mit der damaligen Verstaatlichten-Pleite und dem Spekulationsdesaster der Intertrading und setzt sich nahtlos in den Causen Konsum und BAWAG, aber auch mehreren lokalen und regionalen danebengegangenen Spekulationsgeschäften fort. Auch Wiens Franken-Kredite gehören in diese Traditionslinie. Dass es im Dunstkreis der SPÖ auffällig viele dieser Finanzskandale gibt, ist übrigens ein interessantes und unbestreitbares Faktum. Auch wenn sich die Skandale im Detail unterscheiden – »das Geld der anderen Leute« spielt dabei immer eine zentrale Rolle.

Privatisieren hilft

Will man das Problem ernsthaft lösen, gibt es dazu nur zwei Möglichkeiten. Erstens: den Staat – egal, ob Bund oder Länder oder Gemeinden – auf seine Kernfunktionen zu reduzieren; Unternehmen zu betreiben gehört in aller Regel nicht dazu. Auch wenn das derzeit sehr unmodern ist: Privatisierungen sind das beste Mittel gegen Affären wie jene um die Wien Energie.

Und zweites: das Prinzip »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser« vor allem dort ernst zu nehmen und strikt anzuwenden, wo »das Geld anderer Leute« von Politikern verbraten wird. Wien könnte mit beiden Punkten einen Anfang machen, wird es aber aus bekannten Gründen nicht. Der nächste Finanzskandal kommt daher bestimmt.