
Christian Ortner: Wer arbeitet, gehört vom Staat bestraft
Die Regierung lobt sich dafür, Arbeit jenseits der 65 attraktiver gemacht zu haben, beobachtet eXXpress-Kolumnist Christian Ortner – und sieht bei näherer Betrachtung eine Mogelpackung, die kaum jemanden dazu bringen wird, tatsächlich länger zu arbeiten.
Nahezu alle Experten sind sich einig, dass es mehr als wünschenswert wäre, wenn Menschen, so sie das wollen und können, auch über das 65. Lebensjahr hinaus noch ein paar Jahre weiterarbeiten, besonders, wenn sie gut qualifiziert sind. Das lindert den Fachkräftemangel, sorgt für mehr Wertschöpfung, zusätzliche Konsumausgaben dieser Leute und damit ja letztlich auch ein mehr an Steuereinnahmen für den Fiskus. Win-win, sozusagen.
Eine Art von Deppensteuer
In der österreichischen Praxis freilich sorgt eine mehr als skurrile Gesetzesbestimmung dafür, dass es für die Betroffenen überhaupt nicht lukrativ ist, tatsächlich in der Pension weiterzuarbeiten. Denn jeder, der das auf sich nimmt, muss zum Dank nicht nur zweimal Krankenversicherung zahlen (ohne deshalb zwei Gipsverbände zu bekommen, wenn er sich einmal die Hand bricht), sondern auch geschmalzene Beiträge zur Pensionsversicherung leisten – obwohl er oder sie ja schon ihre Pension angetreten hat.
Wer gar in der Größenordnung der sogenannten Höchstbeitragsgrundlage verdient, derzeit also rund 5.800 Euro monatlich, darf deshalb von seiner Pension gleich wieder ein Drittel an die Pensionsversicherung zurückzahlen, gleichsam als Deppensteuer.
Man muss schon eine sehr sportliche Einstellung zum Thema Arbeit haben, um das auf sich zu nehmen. Die meisten verzichten dankend auf dieses Vergnügen und genießen ihren Ruhestand, obwohl es in jeder Hinsicht sinnvoll wäre, noch ein paar aktive Jahre anzuhängen, statt mit ein paar tausend anderen Rentnern auf einem Kreuzfahrtschiff herumzulungern.
Grüne Blockade
Die ÖVP wollte dieses Ärgernis ursprünglich in der jetzigen Legislaturperiode lobenswerterweise so lösen, wie es vernünftig wäre: indem jeder, der nach dem 65. Lebensjahr weiterarbeitet, logischerweise keinen Pensionsbeitrag mehr bezahlen muss.
Das freilich wollten die Grünen nicht – weil sie bei ihrer Klientel damit nicht punkten können.
So kam jetzt ein windelweicher Kompromiss zustande, den die Regierung als Erfolg feiert und der bei genauerer Betrachtung aber eher ein Pflanz ist.
Beschlossen wurde nämlich, dass lediglich ein Zusatzeinkommen von weniger als tausend Euro monatlich nicht mehr der Pensionsversicherung unterliegt, alles darüber hinaus schon. Und: Das Ganze ist auf die beiden nächsten Jahre begrenzt, was danach passiert, ist offen.
Ein Pflanz ist das, weil die Grenze von tausend Euro pro Monat gerade den Menschen, die ob ihrer Qualifikation etwa als Ingenieure, in der Medizin oder im IT-Bereich relativ gute Bezüge in der Gegend der Höchstbeitragsgrundlage oder noch mehr verdienen, nur minimale Erleichterungen verschafft. Statt so wie jetzt (etwa als Freiberufler) tausendzweihundert Euro im Monat müssen sie dann künftig halt einen Hunderter weniger an Pensionsbeitrag blechen – was nicht sehr beeindruckend ist. Und kein überzeugendes Argument, nicht doch die Arbeit einzustellen.
Umso mehr, als ja schon bisher bis zu fünfhundert Euro monatlich ohne Abgabenpflicht dazuverdient werden konnte. Ein Betrag, der angesichts der Inflation der letzten Jahre ohnehin schon auf siebenhundert Euro angehoben gehört hätte; die jetzt beschlossenen tausend Euro sind also praktisch eine inflationsangepasste Aufrundung der bisherigen Verhältnisse.
Scheinlösungen und Mogelpackungen
Man kann das natürlich als Luxusproblem einer relativ kleinen Gruppe sehen, aber es geht hier auch um etwas anderes: nämlich um eine latente Neigung der Politik, erkannte Probleme nicht radikal und konsequent anzugehen, sondern Scheinlösungen und Mogelpackungen zu verkaufen in der Hoffnung, dabei nicht ertappt zu werden.
Die Folgen dieser Scheinlösung im konkreten Fall kann man sich leicht ausrechnen. Gerade jene hoch qualifizierten, gut verdienende älteren Arbeitnehmer, die gerne noch ein paar Jahre anhängen würden, werden das Angebot der Regierung kurz durchkalkulieren, feststellen, dass hier ein Pflanz vorliegt – und darauf pfeifen, weiterhin erwerbstätig zu bleiben.
Leider ist dies nicht das einzige Problem, das nach der Methode »Nicht das Erreichte zählt, das Erzählte reicht« scheingelöst wird. Wir erleben das genauso in der Migrations-, der Bildungs- oder der Gesundheitspolitik.
Politik ist bekanntlich »das Bohren dicker Bretter«. Aber bei den zahllosen Leichtmatrosen in der zeitgenössischen Politik hat man leider den Eindruck, dass sie schon der bloße Anblick einer Bohrmaschine in den Panikmodus versetzt
Kommentare
Nicht, ob ich noch mehr Steuern und Abgaben bezahlen will, die dann den Minderleistern in den Allerwertesten geschoben werden.
Ja, .. wer arbeitet der wird vom Staat bestraft. Wer leistungsfrei ein Millionenvermögen erbt, der wird verschont in Österreich.
Wer arbeitet wird auch von der Gewerkschaft bestraft, recht primitiv die Metallerverhandler.
Annahmen, man ist 60 und darf, weil neue EU Vorschrift nicht mehr Autofahren und lebt nicht in der Stadt,wie komme man zur Arbeit? Gibt es einen Chauffeur der einen täglich hin und retour bringt? Oder wie stellen sich die Dumpfies das vor? Und ich bin mir sicher die Fahrtauglichkeitsüberprüfung ist mit Sicherheit nicht gratis!
Ja richtig Herr Ortner, wer arbeitet wird vom Staat bestraft, wer Vermögen erbt der wird verschont.
Nau , hat’s nix geben von da Tant?
Neidhammel
Dank ständiger Nivellierung des Bildungssystems nach unten, gibt es immer mehr Naivlinge in unserem Land, die Grün wählen. Leider. Und deshalb wird es auch nach den nächsten Wahlen immer noch Grüne im Parlament geben…….
Bitte Martin mal denTeufel nicht an Wand.
lieber Chris.
So weit ich mich zurück erinnern kann, war es in den 80er Jahren das letzte Mal sinnvoll, mehr zu arbeiten. Ab da wurde es zusehends uninteressanter mehr Stunden zu machen, Überstunden wurden dann sowieso viel zu hoch besteuert. Und jetzt ist es so, dass jeder, der auch nur halbwegs rechnen kann, lieber von der Stütze lebt als von der Arbeit. Insbesondere wenn er durch Pfusch dann noch schwarz dazuverdient, die Zeit hat er ja dann. Wir sind kein Sozialstaat, wir sind ein Übersozialstaat. Da liegt der Fehler. Und was die Alten betrifft: bewirb dich mal mit über 50 Jahren irgendwo. Keine Chance. Wie sollen dann erst recht noch ältere eine Chance haben. Völlig realitätsfern.
Warum ist die ÖVP dann mit den Grünen noch in einer Regierung?
Danke Herr Ortner für diesen Beitrag. Den erstbesten Termin zu meinem Pensionsantritt werde ich ungeschaut wahrnehmen! Keiner bezahlt mir die noch verbleibende Zeit, meinen Lebensabend möglichst lange gesund erleben zu dürfen. Mit 50+ bin ich immer arbeitstätig gewesen. Man sucht händeringend Personal und unternimmt alles dagegen, Personal zu finden – so scheint es mir dzt. zu sein. Ausgebildeter ITler möchte wieder in seinem angestammten Beruf tätig sein und sucht… und sucht… und sucht… und will von Arbeitgebern nicht bezahlt werden. An der politischen Jammer-Hymne kann also wahrlich etwas nicht stimmen.
Verständnisfrage: Warum müssen wir händeringend Pensionisten zurück ins Erwerbsleben treiben, wenn doch die Generation Schneeflöckchen (oder wie immer sie sich gerade nennt) nicht einmal bereit ist, Vollzeit zu arbeiten. Jeder Pensionist hat über Jahrzehnte seinen Beitrag geleistet, damit die lieben Kinder von Beginn der Schwangerschaft ihrer Mütter bis laufend jede erdenkliche finanzielle/materielle/ideelle Unterstützung bekommen, die man nur erfinden kann? Und hat obendrein auch noch die Pensionen für seine Altvorderen und deren Generation berappt. Wenn überhaupt, ist jetzt unwiderruflich die nächste Generation am Zug! Abgesehen davon gehören natürlich die aufgezeigten Unsinnigkeiten trotzdem abgeschafft – für alle, die neben der Pension noch arbeiten wollen – oder gar müssen (auch das gibt’s zu unserer Schande!)…
Gut analysiert und auch begründet. Grün in der Regierung macht nichts als Probleme. Eine Änderung ist mehr als überfällig.
In Österreich wird schon seit vielen Jahren jeder bestraft, der arbeiten geht, um die, die auf Kosten der anderen leben, belohnen zu können!
In Österreich wird schon seit vielen Jahren jeder bestraft, der arbeiten geht, um die, die auf Kosten der anderen leben, belohnt werden können!
Großartig beschrieben, aber es war doch soweit sich die Ältesten erinnern können nie anders.
Es muss doch wirklich genügen wenn es für pensionierte Beamte keine Verdienstobergrenze gibt.
Oder…?
Es gibt für alle Alterspensionisten keine Zuverdienstgrenze. Ich bin ASVG-Pensionistin und arbeite seit meinem offiziellen Pensionsantritt am 1.1.2020 genauso Vollzeit bei meinem bisherigen Arbeitgeber wie die 20 Jahre zuvor. Beziehe die volle Pension, einzig die Steuernachzahlungen aufgrund der steuerlichen Progression sind enorm!
Guter Kommentar, aber was erwartet man sich von den geistigen Schrebergärtnern in unserer Regierung?
Nur in der Regierung? In dieser Frage haben lediglich die unwählbaren Neos vertretbare Vorschläge.
Auf den Punkt gebracht! Sehr schön geschrieben!
Für 3 Jahre wäre eine Pauschalsteuer von 20 Prozent auf das Einkommen aus meiner Sicht als einzige Abgabe sinnvoll, bei gleichzeitigem Bezug der Pension in voller Höhe.
Ich kenne einen Kollegen in Deutschland, der mit 70+ noch in einer Arbeitsgruppe mitwirkt und den eben sein Haus und Garten nicht lockt.
Nutzen wir das Potenzial, und ermöglichen unseren Pensionisten einen sanften Ausklang ihres Arbeitslebens, wenn sie es wünschen.
Grüße aus Vorarlberg
Herr Ortner.
Es liegt nicht nur an dieser österreichischen Mangelverwaltung=Regierung. Ich bin jetzt 66 Jahre jung und versuche, seit ich in Pension bin, etwas geringfügig dazu zu verdienen. Nach etlichen Bewerbungsschreiben, worauf viele Betriebe ablehnend oder gar nicht geantwortet haben, möchte ich gerne wissen woran das wohl liegen könnte? Ich musste leider mit 62 Jahren in die Korridorpension gehen (Projekt zu Ende, wir brauchen sie nicht mehr), natürlich mit Abzügen, welche ich auch nicht bei Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters zu meiner Pension dazu bekomme. Auch das AMS fühlt sich nicht dafür zuständig, ältere Menschen, die sicher noch etwas tun möchten, wieder in Arbeit zu bringen. Ich war als CAD-Anlagen- und Rohrleitungsplaner in einem großen Pharmazeutischen Unternehmen in Atzgersdorf tätig und würde auch in einem Museum als Aufsicht arbeiten da ich von meiner Pension alleine, seit März 2022 mit 2 Vertriebenen aus der Ukraine zu Dritt, nicht ordentlich leben kann. Ersparnisse fast aufgebraucht, mehr als 45 Jahre gearbeitet und jetzt, dank der Preissteigerungen durch diese Mangelverwaltung auf Caritas, Sozialmarkt und abgelaufene Lebensmittel angewiesen. So schaut’s aus.
Beste Grüße
Bin nach 36 Jahren Dienst im Krankenhaus als DGKS seit 3 Jahren in Invalidenpension (2x hohe Querschnittlähmung – 5 operierte Halswirbel) . Aber ich bin nicht angewiesen auf Caritas &Co. und wohne alleine in meinem Haus. Von meiner Pension.
Wenn Sie fahnenflüchtige Ukrainer mit Ihrer Pension unterstützen, dann ist Ihnen en nicht zu helfen…
Wie kommen sie auf fahnenflüchtige Ukrainer? Haben sie davon in meinem Kommentar irgend einen Hinweis darauf entdeckt? Vielleicht können sie mich aufklären warum sie mehr wissen?
Selbst als Geringverdiener finanziere ich mit meinen Abgaben einen Mindestsicherer, mal kurz überlegen – nein danke. Hab schon genug Rot- und Grünwähler erhalten.
Da ich mich im jahr 2023 einigemale um 360°gewendet habe finde ich das durchgehend schlecht/gut….😃
Danke Herr Ortner für das Aufzeigen der politischen Unzulänglichkeit! In Ergänzung dazu frage ich mich immer: wie hätte Nestroy auf diese Regierung reagiert?