Nahezu alle Experten sind sich einig, dass es mehr als wünschenswert wäre, wenn Menschen, so sie das wollen und können, auch über das 65. Lebensjahr hinaus noch ein paar Jahre weiterarbeiten, besonders, wenn sie gut qualifiziert sind. Das lindert den Fachkräftemangel, sorgt für mehr Wertschöpfung, zusätzliche Konsumausgaben dieser Leute und damit ja letztlich auch ein mehr an Steuereinnahmen für den Fiskus. Win-win, sozusagen.

Eine Art von Deppensteuer

In der österreichischen Praxis freilich sorgt eine mehr als skurrile Gesetzesbestimmung dafür, dass es für die Betroffenen überhaupt nicht lukrativ ist, tatsächlich in der Pension weiterzuarbeiten. Denn jeder, der das auf sich nimmt, muss zum Dank nicht nur zweimal Krankenversicherung zahlen (ohne deshalb zwei Gipsverbände zu bekommen, wenn er sich einmal die Hand bricht), sondern auch geschmalzene Beiträge zur Pensionsversicherung leisten – obwohl er oder sie ja schon ihre Pension angetreten hat.

Wer gar in der Größenordnung der sogenannten Höchstbeitragsgrundlage verdient, derzeit also rund 5.800 Euro monatlich, darf deshalb von seiner Pension gleich wieder ein Drittel an die Pensionsversicherung zurückzahlen, gleichsam als Deppensteuer.

Man muss schon eine sehr sportliche Einstellung zum Thema Arbeit haben, um das auf sich zu nehmen. Die meisten verzichten dankend auf dieses Vergnügen und genießen ihren Ruhestand, obwohl es in jeder Hinsicht sinnvoll wäre, noch ein paar aktive Jahre anzuhängen, statt mit ein paar tausend anderen Rentnern auf einem Kreuzfahrtschiff herumzulungern.

Grüne Blockade

Die ÖVP wollte dieses Ärgernis ursprünglich in der jetzigen Legislaturperiode lobenswerterweise so lösen, wie es vernünftig wäre: indem jeder, der nach dem 65. Lebensjahr weiterarbeitet, logischerweise keinen Pensionsbeitrag mehr bezahlen muss.

Das freilich wollten die Grünen nicht – weil sie bei ihrer Klientel damit nicht punkten können.

So kam jetzt ein windelweicher Kompromiss zustande, den die Regierung als Erfolg feiert und der bei genauerer Betrachtung aber eher ein Pflanz ist.

Beschlossen wurde nämlich, dass lediglich ein Zusatzeinkommen von weniger als tausend Euro monatlich nicht mehr der Pensionsversicherung unterliegt, alles darüber hinaus schon. Und: Das Ganze ist auf die beiden nächsten Jahre begrenzt, was danach passiert, ist offen.

Ein Pflanz ist das, weil die Grenze von tausend Euro pro Monat gerade den Menschen, die ob ihrer Qualifikation etwa als Ingenieure, in der Medizin oder im IT-Bereich relativ gute Bezüge in der Gegend der Höchstbeitragsgrundlage oder noch mehr verdienen, nur minimale Erleichterungen verschafft. Statt so wie jetzt (etwa als Freiberufler) tausendzweihundert Euro im Monat müssen sie dann künftig halt einen Hunderter weniger an Pensionsbeitrag blechen – was nicht sehr beeindruckend ist. Und kein überzeugendes Argument, nicht doch die Arbeit einzustellen.

Umso mehr, als ja schon bisher bis zu fünfhundert Euro monatlich ohne Abgabenpflicht dazuverdient werden konnte. Ein Betrag, der angesichts der Inflation der letzten Jahre ohnehin schon auf siebenhundert Euro angehoben gehört hätte; die jetzt beschlossenen tausend Euro sind also praktisch eine inflationsangepasste Aufrundung der bisherigen Verhältnisse.

Scheinlösungen und Mogelpackungen

Man kann das natürlich als Luxusproblem einer relativ kleinen Gruppe sehen, aber es geht hier auch um etwas anderes: nämlich um eine latente Neigung der Politik, erkannte Probleme nicht radikal und konsequent anzugehen, sondern Scheinlösungen und Mogelpackungen zu verkaufen in der Hoffnung, dabei nicht ertappt zu werden.

Die Folgen dieser Scheinlösung im konkreten Fall kann man sich leicht ausrechnen. Gerade jene hoch qualifizierten, gut verdienende älteren Arbeitnehmer, die gerne noch ein paar Jahre anhängen würden, werden das Angebot der Regierung kurz durchkalkulieren, feststellen, dass hier ein Pflanz vorliegt – und darauf pfeifen, weiterhin erwerbstätig zu bleiben.

Leider ist dies nicht das einzige Problem, das nach der Methode »Nicht das Erreichte zählt, das Erzählte reicht« scheingelöst wird. Wir erleben das genauso in der Migrations-, der Bildungs- oder der Gesundheitspolitik.

Politik ist bekanntlich »das Bohren dicker Bretter«. Aber bei den zahllosen Leichtmatrosen in der zeitgenössischen Politik hat man leider den Eindruck, dass sie schon der bloße Anblick einer Bohrmaschine in den Panikmodus versetzt