Glaubt man der politischen Linken im Lande, ist Österreich eine Art wirtschaftlicher Elendszone, in der die Menschen permanent Mangel und Nöte ertragen müssen, ja sogar Hunderttausende Kinder keine »woame Moizeit« genießen können, wie Andreas Babler regelmäßig trommelt. Unser Land erscheint dabei als eine Art von Obervolta mit schlechtem Wetter, eine einzige Katastrophe also.

Die Elendsbewirtschaftung der Roten

 Ob es dem SPÖ-Chef gelingen kann, aus der Bewirtschaftung dieses vermeintlichen Elends politisches Kapital zu schlagen, ist bis zu den nächsten Wahlen offen; man wird diesen Wahlgang deshalb wohl auch als eine Art Vermessung des Intelligenzquotienten des durchschnittlichen Wählers interpretieren können. 

Gesichert ist hingegen, wie unglaublich umfassend und voluminös der Sozialstaat in diesem Lande wirklich ausgestattet ist. So ergab jüngst eine bemerkenswerte Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, dass unglaubliche achtzig Prozent der Österreicherinnen und Österreicher mehr vom Sozialstaat erhalten, als sie in diesen einzahlen. Im Gegenzug bleibt ein kümmerliches Grüppchen von zwanzig Prozent der Bevölkerung, das mehr in den Sozialstaat einzahlt, als es von diesem bezieht.

Es sind, wenig überraschend, die Bezieher relativ hoher Einkommen, die solcherart unfreiwillige Nettozahler unseres Sozialstaates sind, ob sie das wollen oder nicht. Erst ab einem Monatsbrutto von rund fünftausend Euro aufwärts gehört man im Schnitt diesem elitären Club an, darunter liegt die riesige Tiefebene der Millionen Netto-Nehmer. 

Eigentlich wäre es durchaus angemessen, dass der Finanzminister jedem der wenigen Nettozahler einmal jährlich einen Brief schreibt, in dem er sich für die Leistung dieser Bürger ausdrücklich bedankt. Schließlich würde die Republik binnen kürzester Zeit finanziell kollabieren, würde auch nur ein kleiner Teil dieser Nettozahler beschließen, seinen Lebensmittelpunkt in eines der zahllosen Länder zu verlegen, die deutlich weniger Steuern und Abgaben kassieren. Immerhin ist die Steuerlast mit hierzulande 43,6 Prozent der Wirtschaftsleistung in allen anderen EU-Staat außer Frankreich und Belgien deutlich niedriger.

Die Gier nach noch mehr Cash

Stattdessen gelten diese zwanzig Prozent Leistungserbringer in weiten Teilen der Öffentlichkeit, der Politik und auch der veröffentlichten Meinung vor allem als eines: als Ziel der Begierde, noch mehr Steuern und Abgaben einzutreiben. Fast alle Steuerideen, die derzeit herumgeistern, würden letztlich gerade diese soziale Schicht noch weiter belasten.
Das ist sowohl unanständig, also auch dumm. Unanständig, weil jenen, die den ganzen Laden mit ihren Steuerleistungen am Laufen halten, dafür Respekt geziemt und nicht feixender Neid. Und dumm, weil gerade die jüngeren, mobileren unter ihnen ja jederzeit ihre Zelte hier abbrechen und ihren Laptop sonst wo aufklappen können.

Demokratisch in den Ruin

Eine derartige Schieflage im Verhältnis der Nettozahler zu den Nettoempfängern birgt aber auch ein echtes Problem für die Demokratie als politisches Betriebssystem in sich. Denn wenn die Nettoempfänger weit mehr als zwei Drittel der Bevölkerung stellen, kann sich diese massive Mehrheit stets neue Sozialleistungen herbeiwählen. Solange die Republik Österreich, die in den vergangenen fünfzig Jahren nur in einem einzigen Jahr nicht mehr ausgegeben als eingenommen hat, Kredit erhält, geht diese Spiel immer weiter. 

Das leicht suizidale Phänomen ist hierzulande seit Jahrzehnten zu beobachten: Wahl für Wahl überbieten sich die Parteien mit Versuchen, die Wähler zu bestechen, meist mit einigem Erfolg, aber halt zulasten des Budgets und damit unserer Kinder und Kindeskinder.

Damit verschiebt sich natürlich auch das Verhältnis der Nettozahler zu den Nettoempfängern immer mehr zugunsten Letzterer. Was wiederum dazu führt, dass deren politisches Gewicht noch weiter zunimmt.

Sozialstaat braucht Diät

Gerade bürgerlichen Parteien stünde es ganz gut zu Gesicht, Politik mit dem Ziel zu betreiben, die Zahl der Nettoempfänger zu verringern und die der Nettozahler zu vermehren, das Ungleichgewicht also etwas besser auszubalancieren.

In der Praxis hieße das natürlich: den Sozialstaat mit Augenmaß zu redimensionieren – Stichwort Pensionsalter, Sozialleistungen für Migranten, Familiennachzug, aber auch Subventionen aller Art – und im Gegenzug die Steuerlast gerade der Besserverdiener ein Stück weit zu senken.

Geschieht das nicht, wird wohl die Zahl jener (vor allem jüngerer), die nicht ewig die Idioten der Nation sein wollen und deshalb die »Work-Life-Balance« dem Dahinvegetieren als ewiger Nettozahler vorziehen werden, immer größer werden. Wer aber zahlt dann für die achtzig Prozent?