Man könnte, ein wenig positives Denken vorausgesetzt, die Lage durchaus besser finden als die Stimmung. Wir haben Corona einigermaßen überstanden, der Krieg in der Ukraine tangiert unseren Alltag nur peripher, es gibt Arbeitsplätze in Hülle und Fülle, die angesagte Rezession ist bisher ausgeblieben, mit der Abschaffung der kalten Progression ist der Regierung sogar ein wirklicher Schritt in die richtige Richtung gelungen, und die wirtschaftliche Großwetterlage ist so schlecht nicht. Wirklich unerfreulich ist natürlich vor allem die Inflation, doch diese wird vor allem den sozial Schwächeren durch vielerlei staatliche Hilfen zum Teil abgegolten. Und: Sie ist nicht von der hiesigen Politik zu verantworten, sondern vor allem von der Europäischen Zentralbank (EZB) in Brüssel. 

Schlechte Stimmung

Trotzdem kann jeder, der über ein wenig politisches Einfühlungsvermögen verfügt, spüren, dass die Stimmung im Lande nicht gut ist, und schon gar nicht jene gegenüber den beiden Regierungsparteien. Nicht einmal ein Drittel der Wahlberechtigten würde derzeit für Schwarz oder Grün stimmen, ein geradezu dramatisch schlechter Wert.

Interessanterweise zeigt sich in Deutschland ein ganz ähnliches Bild. Die wirtschaftliche Lage der Menschen ist nicht so schlecht, aber die Regierung ist beim Wähler unten durch. Innerhalb von nur eineinhalb Jahren stieg dort der Anteil jener, welche die Regierungsarbeit »schlecht« finden, von zwanzig auf knapp unter sechzig Prozent. Das muss man als Regierung auch erst einmal zusammenbringen. 

Die Einzigen, die da wie dort profitieren, sind jene Parteien, die von den anderen auf Bundesebene eher wie Aussätzige behandelt werden, nämlich die AfD in Deutschland und die FPÖ in Österreich.

Alle gegen »die da oben«

Interessant ist, dass nicht nur die etablierten Parteien, sondern auch die etablierten Medien mit erheblichen Problemen zu kämpfen haben, nicht zuletzt im Hinblick auf ihre Glaubwürdigkeit, wie einschlägige Umfragen belegen. 

Man könnte da, nicht sehr wissenschaftlich, aber sehr gut spürbar, fast so etwas wie eine generelle Missstimmung gegenüber allem Etablierten, gegenüber »denen da oben« verorten.

Ändert sich das nicht, wird das Establishment dieses Landes, in der Politik wie in den Medien, früher oder später ein Problem haben: dann wird sich das Volk nämlich ein neues Establishment suchen. 

Es gibt viele Ursachen für dieses Phänomen, etwa die bis heute andauernde Verdrängung und Leugnung der Probleme, die durch die Migrationswelle seit 2015 entstanden sind und die das Leben des ganz normalen Durchschnittsbürgers erschweren.

Was ist noch normal?

Eine andere, deutlich unterschätzte Ursache der zunehmenden Verachtung der Regierten für die Regierenden ist die Verschiebung dessen, was man salopp als »normal« bezeichnen könnte. 

Die deutsche Publizistin Susanne Gaschke hat das jüngst in der NZZ so beschrieben: »Der politisch-mediale Mainstream ist woke, grün, klima-, öko- und gendersensibel und cancelt gerne alles, was als traditionell-konservativ oder gar als rechts daherkommt. Die meisten Medienmenschen fühlen rot oder grün – dafür mag es keinen Zahlenbeweis geben, aber reichlich Anschauung. Selbst die CDU will um Himmels willen nicht den Eindruck erwecken, sie sei nicht politisch korrekt.« 

Das ist in Österreich um keinen Deut anders, man braucht nur CDU durch ÖVP ersetzen.  

Ein Kampf gegen die Normalos?

Das führt, so Gaschke weiter, dazu, dass »Bürger, die nicht der woke-grün-gendersensiblen Norm entsprechen, den Eindruck bekommen, dass ein Kampf gegen Normalbürger geführt wird. Und zwar mit willkürlichen Klimaschutzvorschriften, mit ostentativer Migrationsbegeisterung und mit esoterischer Gesellschaftspolitik«.  

Wir haben es hier also im Grund mit einer Art von Kulturkampf über die Frage zu tun, was als »normal« angesehen wird – die Welt, nach der sich viele der »Normalbürger« sehnen, oder jene, nach der Teile der politisch-medialen Eliten streben? 

Ansatzweise wurde dieser Konflikt auch sichtbar, nachdem unlängst die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner in einem Leserbrief zur Verteidigung der Werte und Wünsche der »normalen Leute« ausgerückt war – und dafür in den linksgrün dominierten sozialen Medien mit Spott und Hohn überschüttet wurde. 

 

Ein Kampf um die richtigen Lebensformen

Er wird aber auch sichtbar, wenn an einer Wiener Schule Eltern sich nach dem einschlägigen Unterricht genötigt sehen, ihren pubertierenden Knaben erklären zu müssen, dass sie nicht irgendwie abnormal sind, wenn sie sich für ausschließlich für Mädchen interessieren. 

Es ist ein Konflikt, der an immer mehr Frontabschnitten aufbricht, nicht nur, wenn es um Männer, Frauen und Normalität geht. Er bricht auf an der Mobilitätsfront – Stichwort Verbrenner, Tempo 100 –, an der Wohnfront – Stichwort Heizungsverbote, Sanierungszwang, angedachtes Verbot von Einfamilienhäusern –, oder rund um den Konsum von Fleisch.  

Überall wird hier dasselbe Muster sichtbar: Hier die Mehrheit der Normalbürger, die gerne so leben, wie sie leben, dort die kleine Minderheit polit-medialer Sozial-Ingenieure, die ihnen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben. 

Regierungen, die das nicht verstehen, dürfen sich nicht wundern, wenn sich die Begeisterung über ihre Arbeit in überschaubaren Grenzen hält – und sie der Wähler früher oder später mit nassen Fetzen davonjagt.