
Christian Ortner: Wollt ihr die totale Kontrolle?
Ohne Bargeld digital zu zahlen kann verdammt praktisch sein, weiß Exxpress-Kolumnist Christian Ortner. Trotzdem birgt das kommende digitale Geld enorme Gefahren in sich, auf die wir uns besser nicht einlassen sollten.
Der streitbare britische Politiker Nigel Farage, der als »Vater des Brexit« in die Geschichte eingegangen ist, denkt neuerdings grummelnd öffentlich darüber nach, seine Heimat zu verlassen. Als Grund gibt es dafür an, dass ihm seine langjährige Hausbank, das ehrenwerte Institut Coutts, bei dem seit George VI. alle Könige ihr Konto haben, die Bankverbindung gekündigt habe und mehrere andere Banken sein Ersuchen, dort Kunde werden zu dürfen, abgelehnt hätten.
Weil man aber ohne Bankverbindung in der modernen Welt praktisch nicht leben kann, überlegte Mr. Brexit eben, ins Exil zu gehen.
Ein Revanche-Foul?
Er fühlt sich dabei als Opfer des britischen Establishments, das sich auf diese Weise dafür räche, dass er den Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU orchestriert und eingefädelt habe.
Nun haben sich die Wogen zwar zwischenzeitlich ein wenig geglättet, aber die britische Schnurre zeigt doch zweierlei: Erstens, welche Repressionen in einer immer mehr auf Bargeld verzichtenden Welt heute zumindest grundsätzlich denkbar sind, wenn jemand aus welchem Grund auch immer fertig gemacht werden soll, und zweitens, wie vor allem zukünftige
Digitalwährungen, die der Staat oder seine Institutionen kontrolliert, grundsätzlich als Disziplinierungsinstrument geeignet sein können. Dann wird man nämlich jemanden nicht einmal mehr sein Konto wegnehmen müssen, es genügt völlig, die Kontrolle darüber zu haben, was jemand mit seinem digitalen Geld anfangen kann – und was nicht.
Im digitalen Hausarrest
Nicht allen Menschen dürfte bewusst sein, welche Möglichkeiten es da zumindest theoretisch gibt. Denn mittels staatlich kontrollierten Geldes kann in einer bargeldlosen Gesellschaft das Verhalten jedes Einzelnen genauer kontrolliert und gesteuert werden als mit jeder herkömmlichen Methode. So kann die Obrigkeit bei dissidentem Verhalten zum Beispiel den Bewegungsradius jedes Bürgern beliebig einschränken – etwa, indem er mit seinem digitalen Geld keine Verkehrsmittel mehr bezahlen, kein Auto leihen und kein Benzin kaufen kann. – Jede Fußfessel ist harmloser Kinderkram im Vergleich dazu.
Genauso kann der Staat aber dann auch die Lebensqualität jedes Einzelnen stark beschädigen – etwa, indem der Betreffende dann nur noch bestimmte Lebensmittel im Supermarkt erwerben kann und andere nicht, dass sein Geld in bestimmten Läden oder auch etwa in Hotels und Restaurants überhaupt nicht mehr angenommen wird. Oder, dass dieses Geld nur noch in einer bestimmten Region, einer bestimmten Stadt oder im Extremfall nur mehr in einem dezidierten Segment einer Stadt verwendbar ist. Was schon fast einem Hausarrest gleich käme. Zumindest solange der Bürger seine Miete zahlen kann, was der Staat ja auch problemlos unterbinden könnte.
Die totale Kontrolle
Es gibt eigentlich kaum eine Schikane, die der Staat nicht anwenden kann, hat er erst einmal die Kontrolle über die Zahlungsmittel jedes und jeder Einzelnen. Nun versichern uns natürlich heute alle politisch Verantwortlichen, die an digitalen Währungen arbeiten, etwa in der europäischen Zentralbank EZB, dass dergleichen Missbrauch völlig ausgeschlossen sei.
Es empfiehlt sich, Zusagen solcher Art mit einer ordentlichen Portion Misstrauen zu begegnen. Denn die Leute, die uns heute hoch und heilig versprechen, hier drohe der Freiheit der Bürger keine Gefahr, sind dieselben, die uns noch vor zwei Jahren erklärt haben, es werde keine Inflation geben, und wenn, dann nur eine ganz kurze und vorübergehende.
Wir wissen, wie das dann ausgegangen ist und sollten heute wenigstens die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Vor allem aber sollten wir in dieser Causa auch mit den Händen abstimmen – indem wir, so oft es nur möglich ist, mit Bargeld bezahlen. Denn je mehr Menschen Bargeld verwenden, um so schwieriger wird dessen Abschaffung politisch umsetzbar sein.
Cash zu zahlen, wo immer es geht, gerne auch höhere Beträge, mag etwas unbequemer sein, als einfach sein Mobiltelefon oder seine Armbanduhr ans Kassenterminal zu halten, bis es piept, aber diese kleine Unbequemlichkeit ist ein kleiner Akt des Widerstands, der es uns einfach wert sein sollte.
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Kommentare
Wie war das noch vor Beitritt zur EU?
Das Bankgeheimnis und die Schilling-Währung bleiben bestehen. Und natürlich unsere Neutralität. Das waren die wichtigsten Versprechen der SPÖ-ÖVP Bundesregierung vor der Volksabstimmung zum EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1994. Beide Versprechen zum Bankgeheimnis und zum Schilling wurden gebrochen. Und jetzt wackeln auch noch unsere Neutralität und unser Bargeld. Wir werden unsere Selbstbestimmung, Eigenstaatlichkeit, Rechte und damit unsere Freiheit aufgeben, wenn auch unser Bargeld und unsere Neutralität fallen.
Vielen Dank, ich verzichte liebend gerne auf die Vormundschaftsangebote aus Brüssel, Paris, London und Washington.
Eine Konsequenz von Digitalen Zahlungen kommt leider zu kurz: Überwachung der Einkäufe.
Der Bezug beeinträchtigender Medikamente könnte dazu führen, dass die Polizei den Führerschein abholt. Oder der Kauf von Chemikalien im Baumarkt den Verdacht auf Herstellung illegaler Stoffe bewirken, samt unvermuteter Hausdurchsuchungen. Das Weihnachtsgeschenk der Omi könnte zum Problem werden, wenn das Finanzamt meint, die Ausgabe passe nicht zu den Einnahmen.
Kontrolle über die Ressourcen bewirkt wesentlich perfektere Überwachung, als es alle Behörden samt Polizei jemals zustandebrachten, das Finanzamt wird die neue Superbehörde mit unbegrenzter Macht!
Brilliant analysiert, wie immer ein sehr guter Beitrag, Dankeschön
Ich bleibe dabei:
Verfassungmäßig gewährleistetes Recht (und Aufnahme in die MRK) auf ein Analoges Leben!
Neulich im Fernsehen eine Diskussionsrunde zum Thema: Die ganze Zeit wurde vom “gläsernen Bürger” geredet. Ein Teilnehmer (der sich drei Bezahl-Chips in die Hand implantieren ließ ) fragte ständig, was daran das Problem sei. Niemand redete davon, dass die Überwachung nur der erste Schritt ist. Die eigentliche Gefahr ist doch das Beschränken von Zahlungen auf “erlaubte” Ausgaben. Sehr treffend von Hrn. Ortner beschrieben.
Nein Herr Ortner, wir wollen nicht alle die totale Kontrolle! Nur jene wollen sie, die die ÖVP und Grün wählen. Es ist offenkundig, dass die Regierung gegen den Antrag – Bargeld in die Verfassung zu schreiben – gestimmt hat.
Ich bin mir sicher, dass die Mehrheit der Leute genau so – betreut denkend – leben will, zumindest in Deutschland und Österreich.
“Sicherheit geht vor” wird es heissen, so wie es bei Corona hiess: “Gesundheit geht vor”, womit alle Schikanen gerechtfertigt sind.
Ich bezahle was ich kann bar. Nur ist es mir so nebenbei unverständlich, warum man Kleinstbeträge unbedingt mit der Karte zahlen muss. Alleine die Erziehung kleiner Kinder und ihre sanfte Annäherung zu Geld und dessen Wert wird so unterbunden. Ich stelle mir vor mein Enkel wollte gerne ein Eis kaufen. Normalerweise würde ich als Opa in meine Tasche greifen und die passenden Münzen hervorkramen, dem Burli geben, dass er sich seine Tüte holen kann. Soll ich einem 6 jährigen , der gerade dabei ist flüssig lesen und schreiben zu lernen eine Karte in die Patschhändchen drücken und daran glauben so könnte man den Umgang mit Geld lernen? Oder das Gebrauchtteil aus ” Willhaben” um 200,- sofort aushandeln. Bares ist Wares und Geld auf der Bank ist nicht mehr mein Eigentum….
Höchst aktueller Beitrag, den ich nur zusätzlich um den Gedanken erweitern möchte, daß es dadurch auch möglich wäre, eine Art CO2 Bonus/Malussystem zu errichten. Das Konsumverhalten jedes Einzelnen wäre in bezug auf seinen bezahlten CO2 Ausstoß regulierbar. Fleischkonsum, nicht thermisch sanierte Altbauten, Verbrennerfahrten, exklusive Urlaubsfahrten, all das wäre erfassbar u würde den Betroffenen in den “Malus” bringen. Das hätte nicht nur den angenehmen Effekt manche grünen Heuchler zu enttarnen, sondern es wäre möglich weitere nicht existentiell notwendige Geldmittel zu sperren. Die Möglichkeiten, dieses von mir angedachte totalitäre System zu erweitern, sind unendlich u um ein aktuelles Wort zu verwenden, brandgefährlich für unsere Demokratie !
Das gehört viel stärker thematisiert! Auch in Österreich und der EU werden Menschen mit unliebsamer politischer Gesinnung gerne die Konten gekündigt bzw. erst von Banken und Zahlungsdienstleistern gar nicht zugelassen. Das ist besonders hinterhältig, weil diese Menschen für ihre Arbeit auf Spenden angewiesen sind und man die schlecht in Bar sammeln kann.
Angeblich soll das ganz heimlich, still und leise über die Bühne gehen. Das gemeine Volk soll möglichst wenig mitbekommen.