Die hohe Zahl der seit Ende Jänner dieses Jahres aufgetauchten Krankheitsfälle sei alarmierend, und die Symptome würden an das in der CIA-Zentrale in Langley bereits bekannte “Havanna Syndrom” erinnern, berichtet das US-Magazin “New Yorker”: “Bis zu 24 Personen”, die in der US-Botschaft als Agenten und diplomatische Mitarbeiter beschäftigt sind, seien plötzlich arbeitsunfähig – sie würden unter rätselhaften Kopfschmerzen, Benommenheit, Hör- und Sehprobleme, Schwindel und Übelkeit sowie Schlafstörungen leiden. Ein Arbeiten wird unter diesen Umständen unmöglich.

Diese Symptomatik werde von den US-Behörden bereits seit 2016 genau untersucht: Damals fielen zahlreichen Mitarbeitern des State Departements auf Kuba mit dem oben genannten Beschwerden aus. In den internen Ermittlungen und Untersuchungen hätte sich alles auf einen Verdacht zugespitzt: Der russische Auslandsgeheimdienst GRU hätte mit Mikrowellen-Waffen die US-Agenten und Diplomaten ausgeschaltet und zur Abreise gezwungen – Beweise für diese (wilde) Theorie wurden bisher von der CIA noch nie veröffentlicht.

"Havanna Syndrom": weltweit 130 Krankheitsfälle

Faktum ist allerdings, dass die Zahl dieser “Havanna Syndrom”-Patienten rasch stark zunahm: Die CIA regisitrierte ab 2016 Fälle in Moskau (2017), in Guangzhou (2018) und auch in London (Juni 2019). Sogar direkt in Washington wären Mitarbeiter des Weißen Hauses Opfer dieser Krankheit geworden: Laut Adam Entous, dem Journalisten des “New Yorkers” gebe es Hinweise, dass diese Personen in der Nähe der sogenannten “Ellipse” beim Amtssitz des US-Präsidenten waren, bevor sie erkrankt sind.

Mittlerweile soll es bereits 130 Patienten geben, die aufgrund dieses “Havanna Syndroms” arbeitsunfähig geworden sind. Dies und die neuen Fälle in Wien hätten William Joseph Burns, den CIA-Direktor, alarmiert – er engagiere sich persönlich in den laufenden Ermittlungen, berichtete ein CIA-Sprecher dem “New Yorker”.

CIA-Direktor William Burns

Washington/Wien: Stören Moskau die guten Beziehungen?

Tatsächlich könnte eine Art Angriff auf Mitarbeiter der Wiener US-Botschaft für das State Departement höchst unangenehm werden: Spricht sich herum, dass Diplomaten und Agenten hier plötzlich mysteriös erkranken, wird sich die Begeisterung in engen Grenzen halten, in Wien beruflich tätig zu sein. Und falls die USA ihren massiven Personalstand in Wien verringern müssen, hätte ein möglicher Täter sein Ziel erreicht . . .

Über die Motivlage wird auch im aktuellen Bericht im “New Yorker” spekuliert: So wird das gute Verhältnis der türkis-blauen Ex-Regierung erwähnt, sogar die Hochzeitseinladung der Ex-Außenministerin Karin Kneissl an Wladimir Putin und ihr gemeinsamer Tanz. Auch die Beziehung der USA mit der neuen türkis-grünen Bundesregierung wird analysiert: Die engagierte Arbeit des scheidenden US-Botschafters Trevor Traina, die Beziehungen zu Österreich stark zu verbessern und eine tiefe Verbundenheit Österreichs mit den USA zu bestärken, wären für Moskau sicher nicht erfreulich gewesen. Die Russen hätten diese neue gute Freundschaft zwischen Traina und Sebastian Kurz und seinem Team “gehasst”, schreibt Adam Entous.

Verbesserte Beziehungen: Botschafter Trevor Traina mit Kanzler Kurz

Cyberattacken gegen ÖVP & Außenminister

Moskau dürfte Österreich für diese neue diplomatische Linie auch “bestraft” haben, mutmaßt der “New Yorker”: Zuerst legte ein Hackerangriff kurz vor der Nationalratswahl 2019 die Parteizentrale der ÖVP lahm – eine Katastrophe für eine wahlkämpfende Fraktion. Wenig später, im Jänner 2020, traf eine Cyberattacke das Außenministerium in Wien und sorgte für gewaltigen Schaden. Bis heute sind die Hintermänner für diese beide Attacken nicht ausgeforscht.

Jetzt würde die CIA bereits seit Wochen geheim gegen die Urheber dieser “Havanna”-Angriffe in Wien ermitteln. Angeblich soll auch das österreichische Innenministerium über diese Fälle unterrichtet sein. Offizielle Stellungnahmen hat auch der “New Yorker” dazu nicht erhalten. Das Ziel der Angreifer wurde jedenfalls nicht erreicht: Die Zahl der Mitarbeiter der US Botschaft in der Wiener Boltzmanngasse wurde nicht verringert.

Im August 2018 lief für Moskau in Österreich noch alles bestens: Wladimir Putin tanzte bei der Hochzeit von Karin Kneissl
Ein Bild, das für viel Kritik sorgte: Österreichs Außenministerin Kneissl kniete 2018 vor Wladimir Putin