Mit einer echten Hammer-Aussage beginnt der Bericht des Rechnungshofs: “Es ist unklar, wie viele Kunstschaffende sowie Kulturvermittler durch die Covid-19-Hilfsmaßnahmen erreicht wurden. Denn: Die Datenlage im Bereich Kunst und Kultur ist unzureichend. Aus den Daten … konnten keine Schlüsse über den erreichten Personenkreis gezogen werden.”

Durchschnittliche Höhe der Hilfe ebenfalls unklar

Wohlgemerkt: Hier geht es um 200 Millionen Euro Steuergeld, die innerhalb eines Jahres – von März 2020 bis März 2021 – an Personen aus Kunst und Kultur ausgezahlt worden sind. Nun stellt sich zweieinhalb Jahre später heraus: Im dafür zuständigen Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport unter Vize-Kanzler Werner Kogler (Grüne) fehlten Statistiken, Daten und klare Richtlinien.

Damit noch nicht genug: “Auch war es nicht möglich, die durchschnittliche Höhe jener Förderungen aus dem Härtefallfonds zu ermitteln”.

Perfektes Chaos: Drei verschiedene Geldtöpfe mit verschiedenen Regeln

Wir wissen nur eins: Es gab rund 114.300 Anträge – doch nun kommt es noch dicker. Um das Daten-Chaos zu vergrößern, waren gleich drei verschiedene Stellen für die Bewilligung der Anträge auf Covid-Beihilfen zuständig: der Künstler-Sozialversicherungsfonds (KSVF), der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) und die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Doch bei diesen drei Stellen herrschten unterschiedliche Regeln, etwa wenn es darum ging, ob bereits erhaltene Förderungen berücksichtigt wurden oder nicht. Wer in den Härtefallfonds der WKÖ wechselte, musste bisher erhaltene Mittel anrechnen lassen, wer hingegen in den Überbrückungsfinanzierung der SVS ging, nicht.

Wer auch immer im Kunstbereich Anträge um Covid-Beihilfen stellte, konnte zwischen drei Fonds wählen, doch “was die Gründe für einen Wechsel waren”, sei unbekannt, sagt der Rechnungshof, denn: “Die entsprechenden Daten dazu fehlten.” Und: Der KSVF hat als einziger Fonds überhaupt definiert, wer als Kunstschaffender gilt und wer nicht!

Kein Konzept um "unzulässige Mehrfachförderungen" aufzudecken

Der Verdacht, dass sich hier einige zu Unrecht mehrere Covid-Behilfen erschlichen haben, weil die eine Stelle nicht wusste, was die andere tat, ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. So dürfte auch der Rechnungshof so sehen: Nun komme der nachgelagerten Kontrolle “eine besondere Rolle” zu, “um unzulässige Mehrfachförderungen beziehungsweise zu Unrecht bezogene Beihilfen oder Förderungen aufzudecken”.

Doch hier wartet der Bericht mit dem nächsten Skandal auf: Beim Kulturministerium gibt es überhaupt “kein Prüfkonzept zur nachgelagerten Kontrolle”. Es fehlen dafür die ausreichenden Vorgaben in den Richtlinien und Abwicklungsvereinbarungen.

Offensichtlich musste man es mit all dem nicht allzu genau nehmen. Zuvor hatte gerade die Kunstszene besonders laut über fehlende Gelder (des Steuerzahlers) geklagt. Nach immer untergriffigeren Attacken sah sich die ehemalige Kunst- und Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek sogar genötigt, zurückzutreten.

Sämtliche Künstler wollten noch mehr Gelder sehen. Kunst- und Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) trat wegen der Dauerkritik am 15. Mai 2020 zurück.APA/HANS KLAUS TECHT

Scharfe Kritik – auch von den NEOS

Die NEOS schlossen sich der Kritik des Rechnungshofes an. “Die Corona-Hilfen in der Kunst- und Kulturbranche wurden intransparent und für niemanden wirklich nachvollziehbar vergeben”, sagt Kultursprecherin Julia Seidl. Deutlich wird der Rechnungshof bei seinen Ratschlägen an das Ressort von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne): Es solle “seine Überlegungen zur Verbesserung der statistischen Datenlage für den Bereich Kunst und Kultur unter Kosten-Nutzen-Aspekten weiter vorantreiben”.

Staatssekretärin Andrea Mayer will nun die Vorschläge des Rechnungshofs beherzigen – "im Rahmen des Möglichen".APA/GEORG HOCHMUTH

Das Kulturministerium wolle die Empfehlungen um setzen, “im Rahmen der Möglichkeiten”, teilte die Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) mit. Zweieinhalb Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie ist das auch wirklich mehr als dringend.