Rund 20.000 Österreicher haben keine Wohnung, fristen in Notunterkünften oder als Obdachlose auf der Straße ihr Dasein. Nun könnte sich ihre Zahl beinahe verdoppeln. Seit Ende März droht 49.000 Mietern die Wohnungskündigung und Räumungsklage. 17.000 von ihnen könnten überhaupt delogiert werden. Der Grund: Die Corona-Mietstundungen für April, Mai und Juni 2020 sind jetzt ausgelaufen.

Mietrückzahlungen plus Monatsmiete fallen an

Im vergangenen Jahr kam die Regierung mit dem Covid-Gesetz jenen Wohnungsmietern zu Hilfe, die wegen Geldproblemen ihre Mieten für das zweite Quartal nicht mehr bezahlen konnten. Sie durften diese Mieten später nachzahlen. Ursprünglich wollte das Justizministerium die Frist Ende 2020 auslaufen lassen, doch dann wurde sie bis Ende März 2021 ausgedehnt. Ende März fielen somit drei Monatsmieten plus vier Prozent Zinsen an, die alle auf einmal nachgezahlt werden müssen. Darauf weist die Arbeiterkammer (AK) hin. Wer nun die laufende Miete nicht bezahlen kann, dem droht die Kündigung, später kann er auch delogiert werden.

Insgesamt sind die Mietzinsrückstände im Jahr 2020 um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Im Schnitt stehen die Betroffenen der Arbeiterkammer zufolge mit mehr als drei Monatsmieten “in der Kreide”. Demnach könnten heuer österreichweit mehr als 83 Millionen Euro an Mieten nicht bezahlt werden.

Mietzinsrückstände sind im Jahr 2020 stark gestiegen - 83 Millionen Euro werden nicht bezahltAPA/AFP/GETTY IMAGES/Norm Hall

Österreich solle sich von Lieferketten emanzipieren

Das Justizministerium verweist auf einen besonderen Corona-Kündigungsschutz für die gestundeten Mieten von April bis Juni 2020. So könne der Mietvertrag  allein wegen dieses Mietzinsrückstandes vorläufig – bis Ende Juni 2022, um genau zu sein – nicht gekündigt werden. Sofern die gestundeten Mieten nicht auf einmal bezahlt werden, daher drohen wegen dieser Rückstände momentan keine Delogierungen, auch wenn die können. Zudem besteht, für alle Mieter, derzeit ein spezieller Corona-Delogierungsschutz bei finanziellen Problemen: Bis Juni 2021 kann ein Corona-Räumungsaufschub beantragt werden – die Räumung kann drei bis sechs Monate aufgeschoben werden. Das ergibt sich aus dem 2. Covid-19-Justizbegleitgesetz in Verbindung mit § 35 Mietrechtsgesetz (MRG).
Georg Flödl, Präsident beim Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI), “kann sich nicht vorstellen”, dass nun ab dem 1. April vier Monatsmieten auf einmal eingefordert werden – die drei ausständigen aus dem Vorjahr plus eine für den laufenden Monat -, wie er im Ö1-“Mittagsjournal” des ORF-Radio sagte.

Die Forderung der AK nach einem Hilfsfonds sei auf jeden Fall zu unterstützen, so Flödl: Die öffentliche Hand sei gefordert, dort zu helfen, wo dies vonnöten sei – nämlich mit Wohnbeihilfen und dem Fonds. Das Thema könne “nur mit einem Miteinander” gelöst werden. In der Praxis würden “sicher Lösungen gefunden – eine Räumung ist das letzte”, versicherte der ÖVI-Präsident: “Ein Miteinander ist viel besser als hier Gräben aufzureißen.”

Die AK verlangte erneut einen Hilfsfonds, der zahlungsschwachen Mietern unter die Arme greift – SPÖ und Mietervereinigung schlossen sich dieser Forderung an. Dabei sollten unkompliziert Anträge auf Übernahme des ganzen oder teilweisen Mietzinses gestellt werden können, so die AK: “Der Fonds soll die Mietzahlungen für Betroffene eine Zeit lang übernehmen. So könnte er je nach Einkommenseinbußen die entstandenen Mietschulden aus den vergangenen zwölf Monaten wie auch die künftigen Mietschulden jedenfalls bis Ende 2021 übernehmen.”