1.) Sesselkleben als Machtfaktor.

Franz Schnabl war nie der Aufsteiger, der Charmebolzen und schon allein aufgrund seines Alters nie die Zukunftshoffnung der niederösterreichischen-Landes-Roten. Allenfalls eine solide, berechenbare Verwaltung des Parteibetriebes war ihm zuzutrauen
und das hat eine Zeit lang ja auch funktioniert – trotz zumeist gewaltiger Kandidat-Text-Bildscheren in Schnabls zwangsjugendlichen (Wahl-) Kampagnen. Dass man ihn jetzt aber so schnell fallen lässt, ist weder den verunglückten Sujets, noch
einem überschaubaren Minus von lediglich 3,3%-Punkten geschuldet. Da hat die erfolgsentwöhnte Partei schon Schlimmeres hinuntergeschluckt und mit der so simplen, wie falschen Feststellung, dass „jetzt keine Zeit für Personaldebatten“ sei, zur Seite geschoben.
Als Kritiker der Bundesorganisation hatte Schnabl jedoch die Schützenhilfe der gehobenen „Speckgürtel-Funktionäre“ und ihres Zentrums im Wiener Rathaus verspielt.
PRW auszuladen, stattdessen mit Kern und Doskozil die Wahlkampfbühne zu teilen, kann in diesem Zusammenhang als letzte große Provokation gesehen werden. Angesichts der katastrophalen gesamtparteilichen Performance ist heute zwar niemand
mehr in der Lage durch seine bloße Anwesenheit Wahlsiege zu verteilen, die richtige Seilschaft kann im entscheidenden Moment aber zumindest vor dem persönlichen Absturz schützen – auch auf Kosten der Partei. Sesselkleben wird zum Machtfaktor.

2.) SP-Gremien: In Wählerverachtung geeint.

Wer einen Tag nach der Wahl mit dem Spitzenkandidaten jene Person austauscht, auf die der gesamte Wahlkampf zugeschnitten war, nimmt weder seine Wähler noch die Demokratie ernst.
Sicher mag man als Partei über das historisch schlechteste Ergebnis verärgert, bestürzt, ja sogar am Boden zerstört sein und Veränderung herbeisehnen.

Zu diesem Zweck aber die demokratische Entscheidung, von immerhin 20% der Wählerinnen und Wähler, parteiintern über den Haufen zu werfen, das ist einfach nur ignorant und genau der abgehobene Politikstil, den die Leute bis oben hin satthaben. Zudem sollte selbst dem Landesparteivorstand klar sein: Jahrzehntelange strukturelle
Versäumnisse lassen sich nicht durch eine übers Knie gebrochene Personalentscheidung beheben. Dazu braucht’s einen tiefgreifenden, alles in Frage stellenden und ernsthaften Erneuerungsprozess. Der aber könnte gefährlich werden. Vor allem für die Nomenklatura
des Parteivorstandes – Speckgürtel gibt’s nämlich auch am Land.

3.) Befreiungsschlag mit Hergovich?

Bezeichnend ist, dass meine Einschätzung aus Pkt. 2 offensichtlich nicht alle teilen. SP- EU-Mandatar Günther Sidl will im Rauswurf des Spitzenkandidaten gar ein „wichtiges

Signal sehen, das Wahlergebnis verstanden zu haben“. Statt des Niederösterreichers Schnabl soll deshalb jetzt der „Wiener“ Jungstar und AMS- Chef Sven Hergovich übernehmen. Eine Entscheidung, die den Neo-Parteichef laut Standard.at insbesondere deshalb freue, „weil er zuvor auf keiner Wahlliste stand.“
Bitte was soll das? Versteht man eine Wahlentscheidung nur dann, wenn man das Votum von 185.760 Menschen streicht und stattdessen jemanden als Parteichef und Landesrat einsetzt, der weder sich selbst noch ein inhaltliches Programm zur Wahl stellte? Cui Bono? Wem nützt es? Diese Frage drängt sich auf. Für den Quereinsteiger kann sowas klarerweise die Chance seines Lebens sein.
Vorausgesetzt er ist außerordentlich talentiert und gut bestückt – mit politischem Gespür. Ebenso für die Partei. Es ist wie im Casino alles auf eine Zahl zu setzen. Kann gut gehen, muss aber nicht. Die Chance zu scheitern ist wesentlich größer. Mangels Erfahrung innerhalb der
Organisation und ohne jegliche Hausmacht, wird Hergovich zunächst im luftleeren Raum operieren, sich orientieren und Halt finden müssen. Jene die da gerne hilfreich zur Seite stehen, hab ich zuvor schon angesprochen: Der Speckgürtel. Sie werden zudecken,
ablenken, vernadern und alles dafür tun, weiter im gemachten Nest zu sitzen. Das übrigens war einer der Gründe, warum auch die Karriere der gewesenen SPOÖ-Parteichefin Birgit Gerstorfer so unrühmlich dahindümpelte – eh man sie entrümpelte.

Bezeichnenderweise war auch Frau Gerstorfer vor ihrer Berufung, Chefin beim Landes-AMS und ahnungslos, was die Partei samt ihrer Falltüren betraf.

4. Die Angst vor Siegern.

Die Roten verlieren. Wo immer und wann immer. Diese „Wahrheit“ setzt sich schon langsam in den Köpfen der Menschen fest und macht es nicht unbedingt einfacher neue Unterstützer zu generieren. Immerhin, wenn man schon das Gefühl hat, mit seiner Stimme eh nichts entscheiden zu können, dann will man doch zumindest bei den Siegern sein. Oder? Ganz so ist es aber nicht. Auch in der SP-Niederösterreich gibt es sie, die roten Sternchen,
Lokalmatadore und Aufsteiger. Dort wo die Menschen spüren, dass gute Politik gemacht wird und sich mit ihrer Stimme revanchieren.
Konkret etwa in Traiskirchen, wo es Stadtchef Andreas Babler gelang „sein Ergebnis“ erneut deutlich auszubauen. Mit 46,63% ist die rote Absolute plötzlich auch bei Landtagswahlen in Reichweite. Auf kommunaler Ebene freuen sich die Genossen dort ja sogar über mehr als 70%! Ein strahlend rotes Leuchtfeuer und kaum zu übersehen. Nur der Parteivorstand dürfte blind und taub für solche Signale sein. Zumal Babler selbst den „Ruf vieler in der Partei“ vernehmen will, und sich nicht davor scheut Vernommenes medial zu verbreiten.
Das Problem dabei: Babler kennt sich aus und die Schrauben an denen zu drehen ist. Das gefällt nicht jedem. Es könnte ja sein, dass so eine Schraube den eigenen Sessel zusammenhält.
In der Speckgürtel-Sozialdemokratie herrscht Angst. Vor allem vor den (eigenen) Siegern.

5. Die Angst vor Siegern.

Andreas Kollross, Nationalratsabgeordneter und Bürgermeister der Gemeinde Trumau sieht in puncto Erneuerung auch die Bundespartei betroffen. „Personen spielen immer eine Rolle“ wie er sehr richtig sagt und gerade, wenn man vor hat Lehren aus dem NÖ-Fiasko zu ziehen, dann sollten Rendi-Wagners Tage final gezählt sein.

Nach einem erfolgreich ausgesessenen Zwischenhoch scheint nämlich klar wohin die Reise geht. Wer das jetzt noch nicht sieht, macht sich ganz einfach mitschuldig, wenn bald auch im Bund der nächste Negativrekord fällt. Nach unten hin scheint momentan ja alles offen. Wichtig aber auch hier: Das Problem auf die Person der Parteivorsitzenden zu reduzieren
genügt nicht. Es geht um das System dahinter. Jene Personen, die sehr gut von der Partei leben, einen um den anderen Vorsitzenden wie eine Marionette vor sich herschieben und wegwerfen, sobald er oder sie verschlissen ist. Wieder geht’s um den Speckgürtel, der die auf klapprigen Füßen stehende Partei zu Boden zwingt.

6. Wann kommt Doskozil?

Burgenlands alleinregierender Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gilt als schärfster parteiinterner Kritiker Rendi-Wagners. Seine Ambitionen auf den Parteivorsitz sind kaum übersehbar, auch wenn er das selbst stets in Abrede stellt. Bundesweite und medial kommunizierte Umfragen, die ihn als besseren Vorsitzenden ausweisen, sein demonstrativer Rückzug aus Bundesgremien und zuletzt auch
verstärktes Netzwerken in den Ländern sprechen eine klare und eindeutige Sprache. Mit der Schützenhilfe für Schnabl im verlorenen Wahlkampf dürfte er sich zwar etwas verkalkuliert haben, dennoch bleibt Doskozil die heißeste Aktie, wenn es um einen echten
Neubeginn für die SP geht. Auch er weiß, was er tut, hat eine klare Vorstellung, wohin es mit der Partei gehen soll

und ist bei den Menschen beliebt. Im Unterschied zu Babler aber mit Erfolgen auf Landes- und Bundesebene. Will die SP wieder gewinnen – vor allem in der absehbaren Auseinandersetzung mit Kickls auferstandenen Freiheitlichen – führt an Dosko kein Weg
vorbei. Selten hatte es eine Partei so leicht, sich zwischen Sieg und Niederlage zu entscheiden.