Degeneration des Parteiensystems

Vorbei sind die Jahre, als man noch stolz von sich behaupten konnte „in der Partei“ zu sein – wobei die Ausprägung des Stolzes natürlich schon immer kontextabhängig war. Ob am Land, fest verwurzelt in schwarzer Heimaterde, oder im rot-geziegelten Gemeindebau, feierlich das Fähnchen in den Mai-Wind hängend. Es gab Zeiten und es gab Orte, an denen man wusste, wer man war und vor allem, dass man wer war – in der Partei.

Wenn aber heute der vielgeplagte Funktionär, der Restbestand basispolitischer Handarbeiter, die Zeitungen aufschlägt, dann spielts alle Farben. Dem einen wird ganz schwarz vor Augen, die anderen ärgern sich grün und blau, dem dritten treibt’s die Zornesröte ins Gesicht und selbst bei den neo-Politikern dürfte ob manch fettem Tritt ins Näpfchen der knallige Teint zum Alt-Rosa verblassen.

Denn statt integrer Organisation, gibts Korruption, statt Unbestechlichkeit, den U-Ausschuss und anstatt über jeden Zweifel erhabene Persönlichkeiten, gibst zweifelhafte persönliche Erklärungen, gefälschte Titel und politische Flüchtlinge. Man mag da schon fast Mitleid haben, mit all jenen die dafür noch ehrenamtlich hackln. Aber schauen wir uns mal der Reihe nach an, woran die Basis gerade kiefelt…

Die neue Volkspartei im Worst-Case des Post-Kurz-Szenarios.

Untersuchungsausschüsse hat‘s ja schon viele gegeben, aber einer dessen Aufmerksamkeit ausschließlich der Kanzlerpartei gilt, das ist neu. Was bisher im ÖVP-U-Ausschuss ans Tageslicht kam dürfte dabei einigen das Weltbild im Magen umdrehen.

Klar ist, kommuniziert wird (wie sollte es anders sein) via Chats und da nehmen sich die Akteure ganz offensichtlich kein Blatt vor den Mund. Peinlich nur, dass gilt was schon immer galt und jedes „Schriftl“ zum „Giftl“ wird.

Oh, und dann war da ja noch was mit geschönten Umfragen einer Meinungsforscherin, ehemaligen Ministerin und gegenwärtigen Häfnschwester. Mutmaßlich um die Bewegung in Bewegung zu bringen und Sebastian Kurz zu seinem rechtmäßigen Platz im Kanzleramt zu verhelfen.
Verwunderlich nur, dass gerade der von alledem nichts weiß und offensichtlich als einziger Wort gehalten hat. Gefragt wo er sich in zehn Jahren sähe, antwortete der damals 27-jährige Außenminister nämlich mit „nicht in der Politik“.

SPÖ: Wieder nix mit Schadenfreude.

Aber bleiben wir kurz bei der Geschichte mit den frisierten Umfragen. Ich meine, eine ehemalige ÖVP Ministerin in H A F T!? Wenn das kein Grund ist um sich als Rote(r) mal wieder auf der richtigen Seite der Geschichte zu fühlen? Doch leider nein. Wie Karmasins ehemalige Assistentin aussagte, waren selbstgeschriebene Umfragen nach Kundenwunsch kein Exklusivangebot im Dienste des neuen Stils, sondern eher Kassenschlager. „Wer zahlt schafft an“, sagt ein geflügeltes Wort und glaubt man Beinschab, dann dürfte auch die SPÖ anschaffen gegangen sein, um sich ein paar Prozentpunkte aufzuhübschen.

Hm, wieder nix mit Schadenfreude.

Freiheitliches Dilemma.

Und auch bei den Freiheitlichen scheints dieser Tage alles andere als Rund zu laufen. Ich meine, Ibiza und Strache, das war nicht ohne – zumindest gab‘s da aber noch irgendetwas zum dagegen sein. Doch jetzt? Impflicht ausgesetzt, Corona-Maßnahmen so gut wie abgeschafft und sogar Kickl bleiben die Reime im Halse stecken, wenn seine Russen-Freunde ein europäisches Nachbarland hinterhältig überfallen. Was also tun, so völlig nutzlos? „Refugees welcome“ vielleicht?

Grünes Dogma und Pinke Oldschool-Partei.

Normalerweise heißts ja, des einen Leid, des anderen Freud, aber so sehr ich mich bemühe, die Parteipolitik hat dieser Tage auch im Kleinen wenig Freuden zu bieten. Zwar wechseln die Grünen fast im Wochenrhythmus den Sozialminister, bleiben andererseits aber standhaft bei der CO2-Steuer. Geht’s nach dem koalitionären Juniorpartner, dann dürfte ein Spritpreis von aktuell 2,10€ für den Liter Diesel noch immer nicht abschreckend genug sein. Wer weiß, vielleicht haben sie bei Karmasin ja Studien bestellt, die erst für 2,20€ ein völliges Zusammenbrechen der privaten Mobilität prognostizieren? Ein schönes Opfer für den Klimagott.

Bleiben noch die Neos. Ja, die Neos… schade, dass der Strolz weg ist…

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.