
Daniela Holzinger: Bildersturm im Nazi-Land
Ein Skandal bahnt sich an in der Mozart-Stadt. Preuner will es nicht tun. Laut dem ÖVP-Bürgermeister sollen alle Salzburger Straßennamen bleiben, wie sie sind – obwohl ein Historikerbericht 13 davon als nationalsozialistisch „hoch belastet“ einstuft. eXXpress-Kolumnistin Daniela Holzinger über den moralischen Luxus der Spätgeborenen.
Die Begründung: Dem Stadtchef gehe es um eine „Aufarbeitung“ der Geschichte, etwa durch Anbringen von Zusatztafeln zur Erläuterung des Kontextes.
Und während SPÖ und Grüne zumindest einzelne Namen aus dem Straßenbild löschen wollen, weiß Preuner mit Freiheitlichen und NEOS eine (hauchdünne) Mehrheit hinter sich.
Kein Salzburger Phänomen
Die Auseinandersetzung mit geschichtlich belasteten Elementen im öffentlichen Raum ist aber natürlich kein Salzburger Phänomen.
In den USA wird da beispielsweise das Hissen der Konföderierten-Flagge als rassistisches Symbol sukzessive verboten, in Großbritannien die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston gestürzt und in Wien das Denkmal von Bürgermeister Karl Lueger mit dem Wort „Schande“ beschmiert – um nur einige jüngere Beispiele zu nennen.
Alles in guter, ja in bester Absicht. Weil Rassisten, Faschisten, Antisemiten, Kollaborateuren und Profiteuren darf man ganz einfach kein Denkmal setzen. Oder doch?
Ein Blick hinter die Kulissen
Schaut man hinter die Kulissen und in die Vita vieler betroffener historischer Figuren, so zeigt sich schnell, dass allfällige Urteile nicht mehr ganz so leichtfallen.
Edward Colston etwa nutzte den Reichtum, den er am Handel mit Menschen verdiente, auch um in seiner Heimatstadt Schulen, Kirchen, Kranken- und Armenhäuser zu bauen. Bürgermeister Lueger, dessen politischer Aufstieg und Popularität einer harschen antisemitischen Rhetorik geschuldet war, legte den Grundstein für Wien als moderne Metropole. Hunderttausende danken ihm noch am Weg in die Gruft dafür.
Und sieht man sich die beanstandeten Salzburger Straßennamen an, so tauchen da Persönlichkeiten auf, die im kollektiven Bewusstsein mit Vielem, wohl aber kaum mit Nazi-Verbrechen in Verbindung gebracht werden. Die bekanntesten: Dirigent Herbert von Karajan, Konstrukteur Ferdinand Porsche und Tobias Reisner, der Gründer des Salzburger Adventsingens.
Sie alle waren Mitglieder der NSDAP und zweifellos Profiteure des Systems. Aber reicht das aus, um sie als Nazis abzustempeln, von Straßen, Plätzen und aus den Geschichtsbüchern zu löschen? Nein.
Übrigens genauso wenig wie ihre Leistungen und Verdienste genügen, um das Mitläufertum und damit ihre (zumindest indirekte) Mitwirkung an kollektiv begangenen Verbrechen ungeschehen zu machen oder auch nur zu verharmlosen.
Hitler war am Heldenplatz nicht allein
In der politischen Beurteilung ist es also wichtig, den Kontext nicht aus den Augen zu verlieren. Der Sklavenhandel war beispielsweise nicht nur Sache des Schulen-bauenden Philanthropen, sondern ein Wirtschaftszweig von dem Millionen profitierten und der Hunderttausende reich machte. Auch jene, die im Gegensatz zu Colston, keine große Lust verspürten, ihren Reichtum mit Landsleuten zu teilen.
Und auch Hitler stand nicht allein am Balkon der Hofburg. Millionen jubelten ihm zu, hießen das Naziregime nach Siegerdiktat und Wirtschaftskrise willkommen. Anfangs oft nicht unbegründet, wie mir ein altes SPÖ-Mitglied mal erzählte. So habe es schon kurz nach dem „Anschluss“ im Bergarbeiterheim erstmals elektrisches Licht, fließendes Wasser und einen Schulskikurs für die Kinder gegeben.
Kein Wunder also, dass sich der Spross einer auf 50m² lebenden, siebenköpfigen Familie, da begeistern konnte und später sogar freiwillig zur SS ging.
Aber kann ich ihm das vorwerfen? Die Leistung seines ganzen Lebens darauf reduzieren, nicht geahnt, gesehen, geglaubt zu haben, was wir heute bequem im Geschichtsbuch nachlesen können?
Moralischer Luxus der Spätgeborenen
Denn eines dürfen wir bei all unserer Entrüstung, Enttäuschung, Erschütterung und auch Scham über die Verbrechen der Vergangenheit, über die Täter und Mitläufer nicht und niemals vergessen: Wir alle leben den Luxus einer späten Geburt. Keiner von uns kann sagen, wie wir selbst gehandelt hätten als Kinder dieser Zeit. Hätten wir den Mut gehabt, uns wie Sophie Scholl und andere WiderstandskämpferInnen zur Wehr zu setzen? Hätten wir es riskiert, unser eigenes Leben und das unserer Lieben im Kampf gegen ein brutales Regime aufs Spiel zu setzen? Oder wären wir den Weg der Karajans, Porsches oder auch mancher Bergarbeiterkinder gegangen und hätten versucht unser Leben innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen bestmöglich zu gestalten? Sei es als Künstler, Konstrukteur oder einfach nur als Familienvater bei dem Versuch seinen Kindern etwas bieten zu können?
Die Antwort darauf können wir uns wünschen, den Beweis aber niemals dadurch antreten, indem wir die Namen unserer Vorfahren demontieren. Ein erläuternder Zusatz sollte reichen – da hat er Recht der Preuner.
Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.
Kommentare
Schon etwas auffällig, dass niemand von den Antifaschist_innen, Antisemi_innen und Antirassist_innen die Entfernung der vielen Karl Marx-Denkmäler fordern, die immer noch in vielen deutschen Stätten herumstehen.
Karl Marx war ein besonders übler und zynischer Antisemit und Rassist, falls das jemand noch nicht weiß …
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Karl-Marx-Denkm%C3%A4lern
Für die allermeisten Menschen ist der Straßenname ein nützlicher Bestandteil der Adresse – wer, wann, warum wissen wir allermeistens nicht und “ehrlich gefragt”, interessiert uns das besonders? Gegen heimisch produzierte und beschriftete Zusatztafeln im Zuge der Ankurbelung der Wirtschaft ist nichts einzuwenden. Ansonsten die Ortsbewohner fragen, was sie wirklich wollen.
Mir fällt dazu ein Zitat von Wolfgang Kownatka ein: „Wer die Vergangenheit leugnet und die Gegenwart nur zur Kenntnis nimmt, hat keine gestalterische Kraft für die Zukunft. … „Zukunft ist gelernte Vergangenheit und überwundene Gegenwart. “
Man könnte diesem Problem vielleicht den Stachel ziehen indem man es ernsthaft und vor allem objektiv anpackt. Karajan, Porsche & Co. sind ja nur ein Teil des Problems. Bezogen auf Wien könnte das bedeuten einen Renner (Anschluss), einen Karl Marx – Hof, einen Friedrich Engels – Platz (Grundlagen des Elends) oder einen Julius Tandler – Platz (Euthanasie) in Frage zu stellen. Von einem Che Guevara Denkmal ganz zu schweigen und ob ein Omofuma ein Denkmal verdient sollte auch hinterfragt werden. Auf diesen Grundlagen könnte man doch eine ehrlich Diskussion starten.
Es gibt in ganz Ö. unzählige viele Platz-, Straßen- sowie Gassennamen die nach Persönlichkeiten aus Geschichte Kunst Kultur Wissenschaften oder Sport bezeichnet sind
Wie wäre es – um der Gerechtigkeit willen – wenn man zu jeder Persönlichkeit –
Also da wird man schon auf etliche Hunderte verschiedene Namen kommen:
Zusatztafeln zur Information & zur Allgemeinbildung anbringt so dass JEDER BÜRGER & nicht nur ein paar großkopferte echte oder behauptete Wissenschaftler
sich eine eigene Meinung – durch Nachdenken & Reflektieren – bilden kann: Zur jeweiligen Persönlichkeit
Das ist das Prinzip der Demokratie: Durch neutrale ausgewogene Information bilden sich Bürger e.eigene Meinung – die aber eben nicht durch irgendwelche Wissenschaftler schon vorgegeben wurde
Welche Persönlichkeit hat wie im 1. Weltkrieg gehandelt?
Gegen Menschenrechte verstoßen?
Wie hat sich die Person X im Revolutionsjahr 1848 moralisch verhalten?
Und wie zur Zeit der Eroberungskriege von Napoleon Bonaparte?
Und wo stand die Person zur Zeit des 30.jährigen Kriegs?
Auf welcher Seite stand ja jeweils die Persönlichkeit Y? Und wie moralisch war sie im Kontext d.damaligen Zeit – im Kontext d. damaligen Wissens & Information?
Was Ö. braucht ist neutrale objektive Information üb. histor. Zusammenhänge bezüglich der Persönlichkeiten.
Beim Stalin-Denkmal in Wien-Meidling reicht offenbar auch eine Erklärbär-Zusatztafel aus, um das Ding zu legitimieren. Manchmal wird auch das Gebundensein der Hände erwähnt, weil das Denkmal gemäß Staatsvertrag mit der UdSSR nicht entfernt werden dürfe. Putin würde bestimmt einmarschieren …
Man kann die Vergangenheit nicht durch verschweigen korrigieren. Genauso kann man nicht noch immer mit gesenktem Kopf gehen obwohl in der Geschichte von unseren Vorväter so manches im “Argen” war- so sind die Standgerichte in Serbien im WKI kaum bekannt und über die Verbrechen im WKII ganz zu schweigen. Nachdem 38 der Großteil der Österreicher sich nicht als besetzt sahen (!) sollten die heutigen empörten Besserwissenden über ihre späte Geburt froh sein. So mancher sollte auch nachsehen ob er/ sie nicht vor der eigenen Tür kehren muss bevor man sich rein und klug gibt, weil mir dazu die damalige Diskussion Dr. Haider, FPÖ/ Dr. Neugebauer, DÖW einfällt, die für den letzteren sehr peinlich endete.
Zum Teil gebe ich ihnen recht. Aber ich finde zum ende vermischen sie es sich etwas zu einfach. Ja natürlich können wir nicht wissen wie wir reagiert hätten, bzw. haben wir den Luxus das wir nie vor so eine Wahl gestellt wurden. Aber den einfachen ungebildeten Bergarbeiter der um sich und seine Familie oder seine eigene Existenz bangt mit den großen Kapitalprofiteuren zu vergleichen das ist nicht richtig. Denkmäler abzureißen oder Straßennamen zu ändern, dazu habe ich ehrlich gesagt keine Meinung. Ich kann sogar gefallen daran finden das solche Persönlichkeiten im Diskurs verbleiben ,sodass uns auch Menschen die großes geleistet haben, mitsamt ihren Schattenseiten die wir heute nicht mehr akzeptieren würden, in Erinnerung bleiben.
In der Sowjetunion und bei den Nazis hatte man auch solcherart “Geschichte aufgearbeitet”. Das ist nicht wirklich ein gutes Zeichen. Im Haus der Geschichte glaubt man ja auch, Österreich wurde von der SPÖ erst gegründet.
Ein sehr guter Befund ist in den Büchern von Aleida Assmann enthalten. Es geht hier um übersteigerte Emphatie der 68er mit den Opfern des Holocaust aber nicht im Sinne von Nächstenliebe sondern einer Haltung. Durch diese Opferidentifikation erhebt man sich in eine Anklageposition gegenüber den Tätern und immunisiert sich moralich gegenüber Diskurs und Kritik. Diese Opferidentifikation wurde mittlerweile erweitert, übersteigert und auf viele Themen transformiert. Der Täter ist rechts zu finden und der Ankläger demnach links, eine einfache Welt! Die Haltung selbst wurde zur Tugend und aus dem “wirklichen” Tugendkanon (Nächstenliebe, Demut, ….) unserer Gesellschaft isoliert! Resultat ist eine Heuchelei die seinesgleichen sucht und der Mißbrauch der Opfer für seine Zwecke (z.B. wenn sich der “Islam” mit dem Holocaust vergleicht). Das was sie befunden Frau Holzinger, ist natürlich eine extreme Übersteigerung einer Haltungstugend, mit der es sich diese Menschen sehr sehr einfach machen, das sie um in die Rolle des Klägers zu kommen keine perönliche Entwicklung im Sinne “des steinigen” Weges mehr durchlaufen müssen, der ja am Ende zu Weisheit und Demut führen sollte!
Wer Denkmäler und Bilder abmontiert macht sich zum Richter. Nun mag es verlockend sein Urteile zu sprechen, vor alle dann wenn man glaubt daraus politische Vorteile ziehen zu können. Als Indiz dafür sehe ich die Ausklammerung hoher sozialistischer Würdenträger.
Nach meiner Meinung und Beobachtung gibt es zwei große Gruppen welche sich hier sehr engagieren.
Zum einen linke und linksextreme Organisationen die nun eine Möglichkeit sehen Ihrer Bewegung eine Macht zu verschaffen die nach dem Bildersturm auf viele andere Bereiche mit ähnlicher Intention ausgedehnt werden kann.
Zum anderen eine politische Klasse die sich durch die vermeintliche, schonungslose Umbenennung von Strassen, Gassen und Plätzen Raum schafft um sie mit Namen der eigenen Bewegung zu ersetzen.
Viele Politiker haben, nach meiner Meinung, gelernt, wenn sie sich in dieser Sache einen Namen gemacht haben sind sie für lange Zeit unberührbar für Kritik vor allem aus “profanen” Gründen der Gegenwart.
Absolut richtig!
Der extrem beliebte frühere Tiroler Landesvater Eduard Wallnöfer (ÖVP) war NSDAP-Mitglied …
https://www.nzz.ch/articleCM79S-1.97056?reduced=true
Sollten die guten und anständigen Obermoralist*innen/Antifaschist*innen/ Antirassist*innen deshalb fordern Plätze und Straßen die nach ihm benannt wurden wieder umzubenennen, dann gibt es in Tirol einen Volksaufstand, der alles Bisherige in den Schatten stellt!
Ich hoffe sogar, sie tun es,
dann können wir die neuen Faschisten (die sich heute Antifaschist*innen nennen) endlich mit einem nassen Fetzten zumindest aus dem Land Tirol verjagen!
PS: War es nicht der Sozialdemokrat und bekennender Antisemit
Karl Renner (Staatskanzler u Bundespräsident) der Hitler in Wien hocherfreut begrüßt hat und das Volk aufrief, für den Anschluss an Hitler-Deutschland zu stimmen?
Wird jetzt der Dr.-Karl-Renner-Ring in Wien in “Parlamentsring” oder gar in “Black Lives Matter Ring” oder “Che Guevara-Ring” (ein Denkmal von diesem Massenmörder, Kommunisten und Befürworter eines Krieges UdSSR-USA gibt es bereits in Wien) umbenannt?
■■■■■ Es wird Zeit, dem ganzen linken auswuchernden Wahnsinn, der sich bei uns ungehindert ausbreitet und die Bevölkerung mit ihrer links-linken Ideologie schikaniert, Einhalt zu gebieten! ■■■■■
Die Geschichte geht weiter. Der Gründer der altehrwürdigen Universität Tübingen “Graf Eberhard im Barte” soll als Gründer gestrichen werden, weil er an einem Kreuzzug teilgenommen hat.
Der Gratismut der Selbgerechten endet nicht bei den Nationalsozialisten. Wir werden mehrere Serien von Kulturzerstörungen erleben.
Danke! Einfach nur danke für diesen großartigen Beitrag Frau Holzinger!
Ökofaschismus, Meinungsfaschismus, Kulturfaschismus, alles Ausprägungen ein und derselben menschlichen Schwäche nämlich der