Daniela Holzinger: Bosnien. Wo bleibt das Selbstbestimmungsrecht?
Jedes Volk hat die Freiheit, selbst über seinen politischen Status, seine Staats- und Regierungsform sowie seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden – so das Völkerrecht. Bosnien sollte da keine Ausnahme sein, meint eXXpress-Kolumnistin Daniela Holzinger.
Watumba!
„Das zweite Jahrtausend geht zu Ende. Die Mauern sind gefallen, wir haben uns’re Wende. Europa ist frei, Europa wird neu. Bis auf eine kleine Balkan-Reiberei.“
So lautete die siebte Strophe der legendären EAV-Nummer „Neandertal“ im Original von 1991.
Und werfen wir heute einen Blick in die Region vor den Toren unseres geeinten Europas wird klar: Thomas Spitzer und Co. hätten es sich sparen können umzutexten.
Fast 30 Jahre nach Kriegsende geht’s am Balkan wieder los. Nationalistische Kräfte sind am Vormarsch – die Vision eines funktionierenden Bosnisch-Herzegowinischen-Staates als potenziellen EU-Beitrittskandidaten verblasst. Zuletzt wurden sogar Warnungen vor einer Spaltung des Landes laut. Aber muss das tatsächlich etwas Schlechtes sein?
Der Gründungsmythos
Die Unabhängigkeitserklärung Sloweniens am 25. Juni 1991 wird von vielen als der Beginn vom Ende Jugoslawiens gesehen. In Wahrheit aber läutete sie lediglich den letzten, dramatischen Akt eines Stückes ein, dessen Ouvertüre der Tod von Langzeit-Staatschef Josip Broz „Tito“ lieferte.
Ohne die übergroße Integrationsfigur des Mannes aus einfachen Verhältnissen, des Widerstandskämpfers, des Führers aller Völker Jugoslawiens und auch ohne seine harte Hand, fehlte letztlich das entscheidende überbrückende Moment. Jener personifizierte Gründungsmythos, der in der Lage war zusammenzuhalten, was nicht zusammenhalten will.
Abwärtsspirale in die Katastrophe
Nach seinem Tod waren Partei und Staat nicht in der Lage, jene Lücke zu füllen, die Tito hinterließ. Politische, wirtschaftliche und soziale Krisen beschleunigten sich in einer Abwärtsspirale, deren Fliehkräfte die Volksgruppen zunehmend auseinandertrieben – bis am Ende nur noch eine Lösung lohnend schien: Die des nationalstaatlichen Neubeginns.
Doch was für ethnisch annähernd homogene Teilrepubliken wie Slowenien und in gewissem Maße auch Kroatien funktionierte, führte im multi-kulturellen Bosnien zum blutigsten Kapitel des Bruderkrieges. Rund 100.000 Tote forderte der Kampf von Serben, Kroaten und Bosniaken um ein Land, in dem man so viele Jahre friedlich als Nachbarn zusammenlebte.
Nichtentscheidung
Am Ende ja für nichts. Denn bis heute sind ehemalige Gegner – Opfer und Täter auf allen Seiten – gezwungen, gemeinsam im „neuen“ Staat zusammen zu leben. Einem, der zwar formal unabhängig ist, seinen Völkern diese Freiheit jedoch nicht gewähren kann. Statt effizienter Verwaltung und demokratischer Selbstbestimmung, ist das politische System des Landes von institutionalisiertem Misstrauen gelähmt und nach wie vor unter internationale Vormundschaft gestellt.
Eigentlich also kein Wunder, dass Bosnien seiner Bevölkerung auch heute weder Versöhnung noch Zukunft bieten kann und der Glaube an eine ebensolche zu schwinden scheint.
Der Zündler und die Brandbeschleuniger
Wenig überraschend ist daher auch, dass nationalistische Politiker wie Serbenführer Milorad Dodik mit Abspaltung des serbisch dominierten Landesteiles drohen und durch lautes Säbelrasseln versuchen, die Situation für sich auszunutzen.
Immerhin ist die Idee einer Unabhängigkeit der Republika Srpska durchaus populär -jedenfalls mehr als in der Perspektivenlosigkeit des Status Quo eines der ärmsten Länder Europas zu verharren.
Anstatt also Öl ins Feuer zu gießen, mit Sanktionen zu drohen und letztlich in Dodiks Spiel als Buh-Mann einzusteigen, wären die internationale Gemeinschaft und ihr hoher Repräsentant daher gut beraten, dem Land eine Vision zu geben.
Eine die unterm Strich nur die Wiederherstellung vollkommener nationalstaatlicher Souveränität und die Sicherstellung des demokratischen Selbstbestimmungsrechts der bosnischen Bevölkerung zum Ziel haben kann. Ergebnisoffen.
Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.
Kommentare
Lauter failed-states schon ab der Gründung: Montenegro, Nordmazedonien, Bosnien. Alle nicht lebensfähig!! Die EU und damit wir zahlen und zahlen und keine Lösung in Sicht!
“Ohne die übergroße Integrationsfigur ….”?
Nein: Ohne den kommunistischen Terror des Massenmörders Tito ….
Quelle: Schwarzbuch des Kommunismus.
Sehr geehrte Frau Holzinger
Weshalb ist es denn überhaupt kein Thema, den Brain- drain, den Bosnien erlitten hat anzusprechen.
Wo bleibt der Patriotismus der bosnischen Diaspora.Weshalb bringen die ihre Expertisen nicht in ihrer Heimat wieder ein-zumindest einige Zeit.
Könnte da nicht unsere redliche Frau Zadic wohltätig wirken?
Also ich glaube nicht, dass wirklich “alle” Südtiroler heutzutage überhaupt noch die Rückkehr nach Österreich wollen. Die Situation ist doch jetzt völlig anders als in den 60 – 70 Jahren. Die Autonomie hat dieser Bevölkerung viel gebracht, es geht dort auch wirtschaftlich bestens (vielleicht abgesehen von der derzeitigen Pandemie-Zeit) und es ist nicht vorstellbar, dass die vielen seinerzeit angesiedelten Italiener – ca 23 % der Bevölkerung sind ja weiterhin italienisch-sprachig – zu Österreich wollten. Was hätten die davon?
Liebe Frau Holzinger, zur Vermeidung von Missverständnissen: Jugoslawien war keine „Tito Erfindung“, er machte lediglich einen „sozialistischen und blockfreien“ Staat daraus. Als Idee war dieser Jahrhunderte alt und mündete nach dem 1. Weltkrieg in das „1. Jugoslawien“, dem Zusammenschluss der Königreiche der Slowenen, Serben und Kroaten. Zwar war ein Zerfall dieses Staates ohne die Ereignisse des 2. Weltkriegs mehr als wahrscheinlich, aber deswegen ist die Idee nicht „totzukriegen“. Selbst Titos Regime und die Sezessionskriege verhindern nicht, dass dieser Kulturkreis mittlerweile wieder zusammenwächst. Man muss nur sehen, wie rege der Austausch (Musik, Film, Theater, usw.) wieder stattfindet um zu begreifen, dass die Situation viel komplexer ist als durch die Brille Genschers betrachtet. Vergangenes Jahr verstarb der serbische Folksänger Balasevic, und vergangene Woche der mazedonische Sänger der kroatischen Rockband (mit bosniakischem Komponisten und Gitarristen) Parni Valjak. Die Trauer erstreckte sich dabei über das gesamte ehemalige Land, so als ob die Zeit stillgestanden wäre, und so etwas lässt sich nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht erklären, es steht dem eigentlich zuwider. Das einzige, was nicht zu Jugoslawien gehört, ist der politische Islam, und dieser ist die eigentliche Ursache für den Zerfall Jugoslawiens. Die moslemischen Albaner im Kosovo (kein Staatsvolk!) waren bereit, jede amerikanische (gegen Russland gerichtete) Politik auf dem Balkan mitzutragen, und den Amerikanern war der Islamismus im Kosovo egal, wenn er ihren Interessen diente. Irgendwie hätte Kroaten und Serben wieder zusammengefunden, aber da für die Albaner die Amerikaner der Sicherheitsgsgarant waren und damit ein blockfreies/neutrales Jugoslawien obsolet, „mussten“ sich letztlich Slowenen und Kroaten um jeden Preis für den „Westen“ entscheiden, die russenfreundlichen Serben waren auf der falschen Seite (und Bosnier, Mazedonier und Montenegriner „Collateral Damage“). Spät aber doch hat der Kriegsverbrecher Tudjman gesehen, dass die amerikanische Politik nur den radikalen Islam auf dem Balkan stärkt, und hat dem verfeindeten Kriegsverbrecher Milosevic die Hand gereicht, sogar gemeinsame Pakte wurden geschmiedet. Es war freilich schon zu spät. Verloren haben sie letztlich alle, und mit ihnen Europa. In Bosnien und dem Kosovo sprießen die Moscheen nur so aus dem Boden, vermummte Frauen sind an der Tagesordnung, usw… Die bosnischen Serben wollen einfach nicht mit radikalen Moslems in einem Staat sein. Dies ist die wahre Tragödie, und ich habe Angst, dass diese auch uns noch bevorsteht…
„In Bosnien und dem Kosovo sprießen die Moscheen nur so aus dem Boden, vermummte Frauen sind an der Tagesordnung, usw… „
Nicht nur in Bosnien, Herr @Der Don!
In 20 Jahren gibt es in den meisten Wiener Bezirken mehr Frauen mit Kopftüchern als ohne…
Der Islam hat schon aus der Hagia Sophia eine Moschee gemacht und aus Konstantinopel Istanbul.
Mit Hilfe der SPÖ werden Kopftücher und Minarette, Wien ein neues Stadtbild geben.
Michael Häupl wird das sicher freuen, denn er meinte in einem Interview „Kopftücher bereichern Wien … ”
Häupl wörtlich im Standard am 28. April 2018:
👉 Die muslimischen Mädchen mit den Kopftüchern, die gekommen sind, sind heute eher eine Bereicherung des Stadtbildes. Auch wenn es noch immer Leute gibt, die motschgern. Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Wenn meine Mutter zum Greißler einkaufen gegangen ist, hat sie auch das Kopftuch umgebunden gehabt.👈
Aha, ein Jugoslawien Träumer. Serben und Kroaten haben nie etwas für einander übrig gehabt und werden es nie haben. Viel zu viel ist da schon geschehen, was nie wieder gut zu machen ist. Und von wo die Zerstörung Europas 1914 ihren Ausgang genommen hat, sollte auch nicht vergessen werden. Serbien hat nichts, was Europa je gebraucht hat oder je brauchen wird. Der Balkan ist bedeutungslos.
@Don: wie man es dir ansieht, dass du ein serbe bist
Nur zur Klarstellung: Ich kann nichts dafür, dass Djokovic der beste Tennispieler aller Zeiten ist, und ich bin selbstredend KEIN Serbe. Ich bin allerdings sehr gescheit und gebildet und schreibe nur über Dinge, von denen ich ein Ahnung und ausreichend Wissen habe. Meine Jugoslawienanlyse ist sehr treffend, mit Träumen hat das gar nichts zu tun, außerdem ist meine Betrachtung differenziert, man kann davon lernen. Es ist vielmehr so, dass Nichtwissen immer mehr zu einer heimischen Spezialität wird, wo Haltung Bildung ersetzen soll, man sieht das ja mittlerweile täglich. So unbedeutend kann im Übrigen der Balkan nicht sein, wenn er Anlass zu Weltkriegen ist. Außerdem sind Leute aus Ex-Jugoslawien überall auf der Welt extrem geschätze Migranten und Mitbürger, selbst wenn darunter auch ein paar Kriminelle sind. Österreich wäre ohne seine Bewohner aus dem Balkan nichts. Ich würde daher eher sagen, dass Deutschland und seit Kurz weg ist auch Österreich Richtung Bedeutungslosigkeit gehen, ein paar gebaute Autos und Skipisten können nichts daran ändern. Außer Doppelmoral kommt von hier schon lange nichts mehr, man möge sich nur ansehen, wie lächerlich die hiesige Corona Politik ist, und wie isoliert die Position zur Impfpflicht. Ein Trauerspiel, eine Farce!
Wo bleibt das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler?
Wer heute auch nur danach fragt, wird von der sogenannten Antifa und anderen freiheitsliebenden Linken als Nationalist, Faschist und Rechtsradikaler (also Nazi) beschimpft. Und dabei waren es Nazis und ital. Faschisten, die Südtirol radikal italienisieren wollten.
🤠
“ist der politische Islam” .. ??? So ein “Tier” gibt es nicht! Es ist der Opium-Gedanke naiver/arroganter Wesies. Der reale Terminus ist “Islam” .. der in wesentlichen Ausmaß Ziele ins Daseins verfolgt (u. a. Säkularisierung ist ausgeschloßen) . Daher auch die UNVEREINBARKEIT des Islam mit der demokratische, aufgeklärte Moderne. Daher auch kommende Gewallt. Mit “Mazedonien” meine Sie wohl Süd-West Bulgarien (Nordmazedonien) ?
Eine von EU und UNO organisierte Abstimmung in den drei Landesteilen Bosniens würde Klarheit bringen, was dort die jeweilige Bevölkerung eigentlich will. Das Ganze heißt ja angeblich Demokratie …
Ich halte es für interessant mit welcher Selbstverständlichkeit der Kosovo von Serbien abgespalten wurde und wie wenig Verständnis man hat wenn die Serben als geschlossene Volksgruppe in Bosnien dasselbe Recht für sich in Anspruch nehmen wollen.
Auf Dauer kann man eine solche, offensichtliche Ungleichbehandlung, moralisch nicht begründen.
“mit welcher Selbstverständlichkeit der Kosovo von Serbien abgespalten wurde” .. es ginge darum die US-Siedlung “Camp Bonsteel” (die größte US Militärbasis in Europa) zu schaffen. Daher schuf man auch das Umgebungsland als (Kosova) “Staat” – ein Stück Amerika im alten Kontinent.
Dies ist ein sehr wichtiger Punkt. Die wahscheinlichste Begründung (abseits der „offiziellen“) liegt wahrscheinlich darin, dass die Albaner des Kosovo keine Slawen sind, und damit nie wirklich dazugehört haben, ein Fremdkörper mit anderer Kultur. Sie haben sich ihren „Status“ im ehemaligen Jugoslawien zum Teil mit extremer Gewalt, illegaler Migration (auch nach (Nord)Mazedonien) und exorbitanter Geburtenrate regelrecht erschlichen, aber damit letztlich auch (das zumindest damals sehr nationalistische) Serbien vor vollendete Tatsachen gestellt. Auch eine „demokratische“ serbische Regierung hätte den Kosovo – zudem Zentrum der organisierten Kriminalität in Europa – ohne langen Krieg nicht halten können.
In Bosnien ist es anders. Zwar haben die Völker dort unterschiedliche Religionen, angesichts der Tatsache, dass die muslimischen Bosniaken dem mit Abstand liberalsten Islam auf der gesamten Welt (praktisch nicht zu unterscheiden im Zusammenleben mit Christen) frönten, und alle dieselbe Sprache sprechen, lässt sich aber durchaus sagen, dass es sich um Menschen aus einem gleichen Kulturkreis handelt. Natürlich war das im ehemaligen Jugoslawien auch so (mit Ausnahme der Albaner, und mit der Einschränkung, dass Mazedonier und Slowenen eine eigene Sprache haben), aber das Experiment mit Bosnien und die Schaffung völlig neuer Grenzen wollte sich damals niemand antun, nachdem man schon gegenüber Jugoslawien eine völlig verfehlte und einseitige Politik betrieben hatte, und das ist durchaus verständlich und nachvollziehbar. Schon seit Längerem hat sich aber die Situation grundlegend geändert. Die ehemals ebenfalls „verfeindeten“ Serben und Kroaten kommen mittlerweile „sehr gut“ miteinander aus, aber bei den Bosniaken macht sich – vom Westen regelrecht herangezüchtet, man sieht das ja auch bei uns! – immer mehr der radikale Islam breit, und niemand unternimmt wider besseren Wissens etwas dagegen. Zum Teil ist es schlechtes Gewissen wegen Srebrenica, das die Politik Europas bestimmt, in Wahrheit aber amerikanische Bevormundung (die moslemischen Kosovoalbaner und Bosniaken sind willfähige Helfer gegen russische Einflussnahme auf dem Balkan) und deutscher Revanchismus gepaart mit Dummheit. Allein dass Bulgarien (aus NATO Raison) Mitglied der EU ist, die südlichen Staaten Ex-Jugoslawiens (Serbien, Bosnien, Monte Negro, Mazedonien) aber nicht, ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten…
“Der Zündler und die Brandbeschleuniger” … ??? .. Es wundert mich , dass in der Recherche die destabilisierende Rolle westlicher Staaten (Deutschland, Frankreich, Kanada) nicht vorkommt?? Ah neee ..das übliche “geschlossene Auge”
Südtirol wartet schon seit über 100 Jahren auf sein Selbstbestimmungsrecht!
Die Balkanesen werden sich das schon untereinander richten …
Südtirol ist im Gegensatz zu Bosnien wohlhabend, kann als Land mit großer Autonomie von beiden Nachbarn, Italien wie auch Österreich wirtschaftlich profitieren und kann sich mit Österreich mehr und mehr vernetzen.
Hier sollte man nichts übers Knie brechen, vor allem bleibt es eine Entscheidung der Südtiroler selbst wie und in welchem Ausmaß und Zeitrahmen sie sich mehr und mehr zu Österreich orientieren.
Man darf nicht vergessen das sie den linken österreichischen Mainstream beobachten und sich sicher nicht vom Regen in die Traufe stellen werden.