Die Koalitionen des jungen wilden Kanzlers sind nicht jedermanns Geschmack. Aber selbst Kritikerinnen und Kritiker müssen Kurz eines zugestehen: das Land erwacht aus seiner großkoalitionären Lethargie. Und hier meine ich nicht unbedingt Straches Urlaubsvideos, das dreiste Ignorieren der Wahlkampfkostenbeschränkung, Schreddergate, gefälschte Diplomarbeiten und echte Rücktritte oder, um nicht zu sehr in der Vergangenheit zu schwelgen, die Bussi-Bussi-Chats der Republik-Buben.
Nein, richtig interessant wird’s da erst, wenn die ÖVP endgültig überhitzt und der türkise Deckel vom schwarzen Topf fliegt. Erste Anzeichen sind schon da, die mächtigen Länderchefs dem Vernehmen nach nicht mehr lange bereit gute Miene zum peinlichen Spiel zu machen. Kurz weiß das, seine Währung war und ist Erfolg. Doch der Preis beginnt zu steigen. Aber wie gesagt, das schauen wir uns an, wenn‘s so weit ist.
Denn aktuell viel interessanter finde ich ja die Muskelspiele im Bundesrat.

Das hässliche Entlein mausert sich

1920 als Institution erschaffen, führte der Bundesrat von jeher das Dasein eines legislativen Wurmfortsatzes. Man weiß nicht so recht, wofür er gut ist, aber ihn zu entfernen tut halt auch weh. Vor allem den Parteien, die darüber wunderbar ihr B- und C-Kader mit frischem Steuergeld zu versorgen wissen.

Wobei das eigentliche Problem der sogenannten „Länderkammer“ nicht allein ihren mageren Kompetenzen, sondern vor allem fundamentalen Konstruktionsfehlern geschuldet ist. Die Abgeordneten nämlich, werden von Parteien entsandt, sind daher von diesen abhängig und somit von vorneherein unfähig, eine selbstbewusste Vertretung von Länderinteressen wahrzunehmen.
Verfügen die Koalitionäre zudem auch im Bundesrat über eine Mehrheit, sind echte Checks & Balances so gut wie ausgeschlossen. Und genau so war das auch. Bis jetzt.
Denn um den Hauch einer einzigen Stimme verfehlen Türkis-Grün aktuell diese Mehrheit. Dem hässlichen Entlein Bundesrat ist damit erstmalig die Chance gegeben sich zu mausern und als politischer Player in den Ring zu steigen.

Dümmster Zeitpunkt für Parteipolitik

Wie die Blockade des neuen Covid-Gesetzes (Eintrittstest im Handel) vom vergangenen Dienstag zeigt, scheiterte aber zumindest der erste Versuch kläglich.
So wurde die Allianz von SPÖ, FPÖ und NEOS – geschmiedet im Feuer oppositioneller Kränkung – zunächst von innen gesprengt.
Denn SP-LH Doskozil erklärte, dass es der “dümmste Zeitpunkt (sei, um) aus parteipolitischem Kalkül wichtige rechtliche Rahmenbedingungen zu blockieren” und zog seine Abgeordneten vom Aufstand ab.
Die Regierung hatte sie wieder, die Mehrheit. Scheinbar. Weil eher überraschend hieß es kurz darauf, drei Koalitionsabgeordnete seien erkrankt und würden ebenso nicht abstimmen können.
Unterm Strich also – mit 29 zu 27 Stimmen – ein großer Sieg der Opposition!
Kraft der geschwächten Immunabwehr koalitionärer Bundesräte, gelang es das Inkrafttreten der Eintrittstests um ganze zwei Monate zu verzögern. Nicht mehr und nicht weniger.
Und weil das alles nichts mit der legitimen Vertretung von Länderinteressen, mit der demokratischen Sicherstellung unseres Föderalismus zu tun hat, sondern einzig und allein als parteipolitisches Geplänkel zu werten ist, hat die Mauser des hässlichen Entleins kaum mehr als einen noch hässlicheren Schwan hervorgebracht.

Was lernen wir also daraus?

Machen wir den Bundesrat zum Bürgerrat und setzen per Los bestimmte, unabhängige Bürgerinnen und Bürger als Geschworene der Republik ein. Mit einem echten Veto ausgestattet, können sie das Gegengewicht zur Parteiendemokratie sein und den Vorrang der BürgerInteressen vor jenen der Parteien sichern. To Discuss.