Kogler Trümmerfrau

2017 machte Werner Kogler den Grünen die Trümmerfrau, räumte auf, was nach Parteispaltung und Parlaments-Aus noch übrig war – sich langsam mit dem Gedanken anfreundend, seine politische Karriere in außerparlamentarischer Opposition, am Tropf ebenso dahinsiechender Landesparteien, zu beschließen.
Ein absolutes Horrorszenario, nicht nur für den Parteichef wider Willen, sondern auch für hunderttausende Grün-Wähler und Wählerinnen, die ihrer Partei damals das Vertrauen entzogen. Manche, um mit einer Stimme für die Kern-SPÖ vielleicht doch noch Kurz als Kanzler zu verhindern. Andere, um mit dem Kreuzerl bei PILZ, den „Wiener Weibern“ (so gehört an der Grünen Basis) einen Denkzettel zu verpassen.

Niemand aber – und da bin ich mir sicher – mit dem Ziel, die Grünen aus dem Parlament zu werfen. Dass der geplante Schuss vor den Bug jedoch zum Volltreffer werden könnte, hatten wohl die Allerwenigsten am Schirm. Bis zu einem Wahlabend, der für die Öko-Partei zur Zäsur werden sollte.

Die neuen Grünen

Denn so denkunmöglich zunächst die absolute Katastrophe, das Parlaments-Aus, war, so unmöglich erschien es Ende 2017 den Weg zeitnah zurückzufinden.

Jedenfalls nicht so lange sich Türkis-Blau in den siebten Koalitionshimmel flitterten und das Pilz-Projekt noch mehr Chance als Chaos war. Düstere Aussichten also, die nach dem Parlamentsklub auch in der Bundespartei zunehmend für Auflösungstendenzen sorgten.

Für jene aber, die wie Kogler zurückblieben, stand fest, dass sich jetzt einiges ändern würde. Wollten sie politisch überleben, mussten sie pragmatisch werden, grüne Träumereien und Ideale aufgeben und tun was immer auch nötig sein würde, um wieder auf Erfolgskurs zu kommen. Nicht für die Partei, ihre Werte, die verbliebenen Wähler oder sonst was, sondern ganz einfach für sich selbst. Machiavelli in Grün.

Die Leute, die hätten sie nämlich sowieso nicht verdient, und Dankbarkeit sei eben keine politische Dimension – das hatten sie sich jetzt hinter die Ohren geschrieben. Es war die Geburtsstunde der neuen Grünen. Produkt eines aus Enttäuschung und Verzweiflung geborenen Sinneswandels, den kaum etwas besser beschreibt als Sigi Maurer‘s ikonographisches Bild mit Sektglas, Designer-Kostümchen und erhobenem Mittelfinger. „To the haters with love“ zwitscherte sie damals neudeutsch und meinte alt-wienerisch einfach nur „geht’s in Oasch.“

Schmerzgrenzen verschoben

Und heute, da man mit freundlicher Unterstützung von Heinz Christian Strache, Greta Thunberg und Peter Pilz endlich dort gelandet war, wo man dem Selbstverständnis nach schon lange hingehörte – in der Bundesregierung – ist ihnen allen, die sie so gelitten hatten, eines völlig klar:

In Schönheit sterben, wird’s mit ihnen nicht mehr geben. Sie holen sich was ihnen zusteht, kleben Posten und PR-Gags auf kleinere und größere Schrammen, die das koalitionäre Kuscheln halt dort oder da hinterlässt.
Und wenn’s dann wirklich einmal darum geht, die Schmerzgrenze noch weiter nach hinten, oben, unten, links oder rechts zu verschieben – so rufen sie sich in Erinnerung, dass kein Kükenschreddern, kein Abdrehen des U-Ausschusses, kein Blutspendeverbot für Homosexuelle, kein Regierungspartner in Unschuldsvermutung, keine Abschiebung von Kindern und unterm Strich kein zerbröseltes politisches Rückgrat, jemals so weh tun könnte, wie den reichlich gedeckten Tisch erneut verlassen zu müssen.

Afghanistan: Kein Nachbar in Not

Auch die Entwicklungen in Afghanistan, die zu erwartenden neuen, massiven Migrationsbewegungen und das kategorische Nein des Kanzlers zur weiteren Aufnahme von Flüchtlingen, werden daran nichts ändern. Protesthafte Rücktritte von Proponentinnen der Alt-Grünen Moralisten-Fraktion, als unschöner Kollateralschaden hingenommen. Was soll‘s.

In der Regierung setzen die Grünen auf Opportunismus statt Idealismus. Man regiert wie der große türkise Bruder nach Meinungsumfragen und macht was die Mehrheit will. Und gerade in der Afghanistanpolitik ist das sonnenklar: keine weiteren Flüchtlinge mehr! Auch wenn Vizekanzler Kogler, Flüchtlingskind und Justizchefin Alma Zadic, Turnschuhminister Mückstein und Greenwashing-Verantwortliche Leonore Gewessler darüber ganz schreckliche Krokodilstränen vergießen. Dort in ihrer Runde, im Ministerrat wo Einstimmigkeit gilt, werden sie brav die Hände heben, wann immer es von ihnen verlangt wird. Dasselbe in Grün halt.

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.