Ein (Freundes-) Kreis junger High-Potentials – vielleicht sogar etwas zu jung, zu intelligent, zu gut ausgebildet, aus zu gutem und wohlhabendem Hause, zu schön usw. – stürmte und drängte an die Macht. Zumindest an das, was die Prölls, Spindeleggers und Mitterlehners davon übrigließen. Die alten farblosen Partei-Bürokraten, gefangen in schrumpfenden Koalitionen und erdrückt vom Gewicht der sozialen Partnerschaft.
Kinder einer Idee, die unser Land aus den multiplen Ur-Krisen des 20. Jahrhunderts, hinein in ein geeintes Europa, zu Wohlstand und sozialem Frieden führten. Sie waren abgenutzt. Unsexy. Ein Klotz am Bein.
Kurz und seine Jünger hatten die Nase voll davon, wollten etwas Neues, waren scharf auf Erfolg, auf „geile Politik“ und endlich mehr von allem. Doch anstatt internationalen Vorbildern, wie etwa Frankreichs Emmanuel Macron und seiner liberalen „En Marche“ zu folgen, gründete Kurz nicht neu.
Als Außenminister und VP-Shooting-Star, bestens vernetzt, kannte er das brachliegende Potenzial der volksparteilichen Struktur und wusste um den Vorteil eines etablierten Netzwerks. Auch war Kurz völlig klar, welche Dogmen man brechen und welche moralischen Hürden man überwinden müsse, um wieder in die Offensive zu kommen. Jedem, der Wolfgang Schüssels Weg zur Kanzlerschaft einigermaßen aufmerksam studierte, war das klar – doch Kurz setzte um.

Der Sonne so nah

Wenn einem aber einfach alles gelingt, man mit 24 Jahren im Landtag sitzt, ein Jahr darauf das Harakiri-Amt des Integrationsstaatssekretärs meistert, man mit 27 als Außenminister die Republik vertritt, sich 31-jährig an die Spitze der ÖVP putscht (Django hat mitgeschrieben!), dieser ein Rebranding aufzwingt und noch im selben Jahr seine erste Regierung als Bundeskanzler bildet, ja dann kann man – durchaus nachvollziehbar – auf die ikarische Idee kommen, dass da noch mehr geht. Ein Trugschluss.
Kurz wurde unvorsichtig und wie die Chats beweisen, kann auch eine steile Karriere, die Erfahrung der Jahre nicht ersetzen. Denn selbst die stabilste Allianz, wie jene der ÖVP zur katholischen Kirche, braucht eine gemeinsame Basis.
Wird sie verlassen, das Dogma einer christlich-sozialen Flüchtlingspolitik, dem Fischen im rechten-Wählerteich geopfert, bleiben eigentlich nur zwei Optionen: Sich öffentlich vom Partner abwatschen zu lassen, oder zurückzurudern. Kurz hatte auf beides keine Lust.

Kurz in Ungnade

Stattdessen ließ der junge Kanzler seinen damaligen Finanz-Generalsekretär – besagten Thomas Schmid – los, um der Kirche die Daumenschrauben anzusetzen. Eine schlechte Idee, wie beide heute wissen. Denn die Freude über den Kirchenmann, der bei Androhung des „Steuerprivilegien-Checks“ zuerst „rot, dann blass, dann zittrig“ wurde, sollte nicht lange währen.
Schmid ist gefallen, sein tailormade-ÖBAG-Posten Geschichte und der Kanzler um einen Heiligenschein ärmer.
Aber nein, das Verhältnis der Kirche zur ÖVP ist durch ein paar flapsige SMS unter Freunderln nicht gefährdet. Auch nicht durch den angedrohten und aus einer Vielzahl an total anderen Gründen, durchaus zu rechtfertigenden Steuerprivilegien-Check. Nein. Dieser Scherbenhaufen ist der des Kanzlers. Sein Stern sinkt. Doch nicht über Bethlehem.