Bestes Beispiel, der oberösterreichische Landesparteitag 2016, also der Erste der beiden.

Was war passiert? Trotz umfassender Reformbemühungen ging die Landtagswahl ein Jahr davor abermals in die Binsen.

Für Viele an der Basis, wie auch mich, absolut vorhersehbar. Der anfangs nämlich vielversprechende Erneuerungsprozess wurde von den Parteieliten schnell wieder abgedreht – zu groß war die Gefahr, Macht und Einfluss zu verlieren.

Am Gängelband

Was am Ende blieb, waren ein paar bunte Hefterl, inhaltsleere Überschriften und ein neuer Parteichef am Gängelband des tatsächlichen roten Machtzentrums – der Linzer Stadtpartei.

Die kann man sich in etwa so vorstellen, wie das dicke Agro-Kind im Sandkasten, das den anderen alles wegnimmt, wenn‘s niemand sieht und selbst ganz laut jammert und heult, wenn dann doch wer hinschaut.

Jedenfalls wusste Parteichef Entholzer, dass diese Wahlniederlage nicht die Seine war. Zu lange hatte er den Einflüsterern geglaubt, sich zu lange ihrem Druck gebeugt, zu willfährig die progressiven Kräfte in der Partei bekämpft.

Kopflos in den Parteitag

Am Parteitag plante er den Befreiungsschlag, wollte seinen Linzer Aufpasser aus der Geschäftsstelle werfen und eine fähige Frau ins Team holen. Doch so weit kam es nicht.

Verärgert über die Alleingänge seines „Chefs“, setzte ihm Bürgermeister Luger das Messer an: Entweder die Linzer-SP würde auch weiterhin die Schlüsselstellen der Landespartei kontrollieren, oder Entholzer ohne die Unterstützung der Rathaus-Roten auskommen müssen. Eine Kriegserklärung.

Vor die Wahl zwischen Pest und Cholera gestellt, trat Entholzer noch in derselben Nacht zurück. Wenige Stunden bevor man in den „Aufbruchsparteitag“ startete – kopflos, ohne Vorsitzenden und ohne Spitzenkandidaten. Eine unendliche Blamage auf offener Bühne und wortwörtlich vor laufenden Kameras.

Doch eines war anders

Es war beschämend und enttäuschend, wie uns die Luxusgenossen an der Parteispitze wieder vorgeführt hatten. Und wir waren sauer. Dieses Fiasko wurde nämlich nicht wegen inhaltlicher Differenzen, programmatischer Fragestellungen oder wichtiger Richtungsentscheidungen vom Zaun und über uns Mitglieder hereingebrochen – nein, sondern einfach, weil ein Haberer seinen Haberer dem anderen Haberer weiter vor die Nase setzen wollte. Parteitag hin oder her, Mitglieder eh wurscht! Agro-Kinder eben.

Aber gut, lang ist‘s her und erzählen tu ich‘s, weil eines im Vergleich zur gegenwärtigen Krise der SP-Bundespartei doch anders war.

Trotz anfänglichem Chaos schafften sie es damals nämlich binnen weniger Stunden für so etwas wie Ordnung zu sorgen, das inhaltliche Programm laut Drehbuch abzuspulen und am Ende des Tages zumindest etwas Zuversicht zu verbreiten.

Zerstörte Debattenkultur

Rendi-Wagner und ihr Team scheiterten aber selbst daran kläglich. Mangels Beschlussfähigkeit musste der Juni-Parteitag abgebrochen werden. Zu viele Delegierte pfiffen auf die inhaltliche Debatte, hatten keine Lust mehr leere Phrasen zu dreschen, zahnlose Programme zu beschließen und einem Führungskader den Anschein der Legitimität zu geben, der sie seit Jahren kollektiv ignoriert.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier etwas in den letzten Zügen liegt – auch wenn das im Politbüro noch immer nicht angekommen zu sein scheint. Aber gut, warum sollte es? Honecker hatte 1989 doch auch noch auf seine DDR angestoßen.

Genosse Kickl

Stellt sich also die Frage nach der nächsten Stufe dieses degenerativen Prozesses.

Geht’s nach Kübler-Ross, folgt auf‘s „Nicht-Wahrhaben-Wollen“ ja erst mal der „Zorn“. Und geht’s nach Rendi-Wagner, dann die noch nie dagewesenen Untergriffe gegen Hans-Peter Doskozil, seines Zeichens alleinregierender Landeshauptmann des Burgenlandes: Nein, die SP sei nicht vergleichbar mit der perspektivenlos dahinsiechenden 2017er-Mitterlehner-ÖVP, vielmehr wolle Doskozil hier den Kickl machen und sich parteischädigend an die Spitze mobben.

Pau… ein tatsächlich starkes Stück und wohl noch irgendwo in der Übergangsphase von Realitätsverweigerung und Zorn angesiedelt, was sich die erste Frau an der Spitze der SP hier leistet. Immerhin hat er jede Wahl gewonnen – sie, eher nicht. Einen Schaden für „die Partei“ mag der kritische Beobachter da nur entdecken, wenn für Rendi „le parti c’est moi“ gilt. Auch ein starkes Stück, nach kaum drei Jahren an der Spitze.

Und die nächsten Stufen? „Verhandlung“, „Depression“ und schließlich „Zustimmung“. Na hoffentlich bald und zu einer ernst gemeinten, tiefgreifenden und schonungslosen Selbstreflexion – inklusive der Einsicht, endlich auf Stärken aufzubauen, anstatt Schwächen schönzureden.

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.