Mit müden Umfragewerten im Rücken weiß der Kanzler, dass schon lange alles auf einer Karte liegt. Nochmals die Spitze auszutauschen, nochmals die Strategie zu wechseln, ist nicht mehr drin – der Bogen schon jetzt überspannt.

Zumindest auf den Koalitionspartner scheint Verlass. Abgekapselt von jeder Realität genießen die Grünen das Mitregieren viel zu sehr, um die verbleibenden Monate gegen so etwas wie gelebte Grüne Politik einzutauschen. Kogler, Maurer und Co. sind keine Spieler. Sie würgen den Spatz in der Hand – solange es noch geht. Gewalt-Ornithologie als Lehre aus 2017 sozusagen.

Für Karl Nehammer das letzte Ass im Ärmel: Ein willfähriger, abhängiger Partner und damit noch Zeit den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Abgeschlagen auf dem dritten Platz heißt‘s jetzt aber erst einmal tiefstapeln. Wenn es gelingt sich über die volle Distanz zu retten und die Volkspartei als Königsmacherin zu positionieren, ist alles erreicht.

RUNDE I – Preisbremse.

Dementsprechend vorsichtig geht’s der Kanzler an. Niemanden verschrecken ist das Ziel, die Strompreisbremse sein erster (kleiner) Schritt nach vorne – in voller Deckung:
Bis zu einem Jahresenergiebedarf von 2900 kWh sollen Haushalte lediglich 10 Cent bezahlen. Darüber den Marktpreis.

Der Sparanreiz bleibe so erhalten, während den Menschen gleichzeitig unbürokratisch und rasch geholfen werde, wie Nehammer erklärt.

Doch statt Jubelchöre fliegen die Fäuste: „Zahlen wir uns alles selbst“, skandiert Franz aus Niederösterreich. „Ohne Besteuerung der Übergewinne heißt das doch nichts anderes als mir 100 Euro aus der einen Tasche zu ziehen und dafür 50 Euro in die andere zu stecken. Für wie blöd hält man uns in Wien eigentlich?“

Wow, das hatte schonmal gesessen. Doch Anna aus Salzburg legt nach: „Bei uns leben drei Generationen unter einem Dach, so wie das früher mal normal war. Auch ohne großen Luxus bleibt der Mini-Regierungsdeckel da ein Tropfen auf den heißen Stein. Danke für nichts!“

Uiui das geht nicht gut.

Jetzt schon deutlich verunsichert, sucht Nehammer den Blick in die eigene Ecke.

Aber auch der macht wenig Mut: Barbara Schöbi-Fink, VP-Statthalterin im Ländle, kann sich angesichts der 10 Cent-Hürde kaum mehr am Sessel halten: „Ungerecht!“ bricht es aus ihr heraus.

Dank des noch bis März ´23 garantierten Vorarlberger Billigstroms würde man bei der Förderung nämlich leer ausgehen.

Was für ein Skandal! Wo man in der Volkspartei doch weiß und gelernt hat, dass nur selber fressen auch wirklich dick macht.

Überraschenderweise scheint den Kanzler so viel innerparteiliche Solidarität jedoch fast anzuspornen und außerdem war Angriff schon immer die beste Verteidigung!

RUNDE II – Familie ist alles.

Dementsprechend energisch der Auftakt zur Runde zwei: Durch den Preisdeckel sei eine Basisförderung geschaffen, die jeden Haushalt rasch erreiche. Familien würden darüber hinaus schon in Kürze von vielen gesetzten Entlastungsschritten profitieren. Etwa dem Klima- und Antiteuerungsbonus, der jedem Erwachsenen 500 und jedem Kind 250 Euro bringe. Obendrauf gäb‘s nochmals 500 Euro für Pensionistinnen und Pensionisten. In Summe also eine deutlich spürbare Entlastung für alle, so der Kanzler mit entschlossenem Blick.
Und wüsste man es nicht besser, könnte man einfach nur staunen über diese vermeintlich gelungene Rechts-Links-Rechts Kombination!

Weil wir‘s aber besser wissen ist einiges anzumerken. Ich mach das mal, ums abzukürzen:
>Der Klimabonus ist bestenfalls ein Nullsummenspiel, weil damit je nach Bedarf die höheren Kosten der CO2 Bepreisung ausgeglichen werden sollen. Den Leuten bringt das nix.
>So wie der Anti-Teuerungsbonus gebaut ist, nämlich als Rucksack zum Klimabonus, bleiben im zweiten Halbjahr 2022 geborene Kinder davon ausgeschlossen. Rd. 43.000 Jungfamilien werden durch die Finger schauen.

Zwar hat das Gewessler-Ministerium den Fehler mittlerweile zugegeben – daran ändern will man aber nichts.

>500 Euro für Pensionistinnen und Pensionisten wären schon super. Weil VP-Jugendhoffnung und Senkrechtstarterin Claudia Plakolm aber erst kürzlich erklärte, dass viele Ältere das Geld gar nicht wollen, hat man wohl die Einschleifregelung dazugehängt. Wer wenig Pension hat, bekommt damit auch weniger Geld. Irgendwie gruselig konsequent.

>Und für sowieso alles gilt: Die berühmte Gießkanne ist halt voll daneben – das wissen wir nicht erst seit dem missglückten 150 Euro Energiekostengutschein. So wie jetzt beim Stromdeckel wurden damit letztlich auch keine realen Menschen mit realen Bedarfen gefördert, sondern lediglich Stromzähler.

Reiche Stromzähler, genauso wie arme Stromzähler, Stromzähler an denen eine Person hängt und Stromzähler über die Großfamilien abgerechnet werden. Jeder bekam einmal 150 Euro. Das ist nicht nur anti-bedarfsgerecht sondern auch so dumm, wie es einfach ist. Nämlich sehr.

Doch anstatt sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man für ein ministerielles Bruttogehalt von schlanken 18.752 Euro pro Monat, plus Sonderzahlungen und Spesen, dafür sorgen könnte, dass Hilfen auch bei jenen ankommen, die sie brauchen, macht mal halt irgendwas. Weil: Besser als nix.

Ja eh, aber geh bitte…

…in deine Ecke.

RUNDE III – Zwei Wahrheiten.

Nach zwei harten Runden noch immer ganz gut in Form, scheint Karl Nehammer zumindest die richtige Wahl für den Knochenjob „ÖVP-Wiederaufbau“ zu sein. Doch auch wenn Zähne zusammenbeißen und durchkämpfen so etwas wie Motto und Überlebensstrategie des Regierungschefs sein dürfte, wird er um zwei Wahrheiten nicht umhinkommen: Erstens: Solange Strom aus heimischer Wasserkraft an den irren Russen-Gaspreis gekoppelt bleibt, sind wir Putins erpresserischem Spiel ausgeliefert.

Und zweitens: Solange Übergewinne nicht besteuert werden, bleibt das Ganze teure Symptombekämpfung.
Schlimmer noch – gewöhnt sich der Staat daran, statt ordentliche Marktbedingungen zu schaffen lieber Phantasiepreise zu subventionieren, wird‘s mit Einmalmaßnahmen bald nicht mehr getan sein. Dann braucht‘s 5-Jahrespläne.
Ob VP-Spezi und Verbund-Chef Michael Strugl auf dem Weg dahin der richtige Einflüsterer ist, bleibt abzuwarten.

Das Sommerduell gegen alle hat Karl Nehammer jedenfalls überraschend gut gemeistert. Mag vielleicht auch daran liegen, dass wer mit dem Rücken zur Wand steht, nur vorwärtsfallen kann.