Am heutigen Sonntag reagiert die Regierung nun auf die seit Tagen anhaltende Kritik. In einem Statement geben Bundeskanzler Karl Nehammer, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und Verfassungsministerin Karoline Edstadler nun erste Veränderungen an der geplanten Impfpflicht bekannt – inklusive einiger kleiner Rückzieher.

Nehammer: "Freiheit darf keine leere Worthülse sein"

Der Kanzler, dessen Auftritt bei der Pressekonferenz zur Impfpflicht auch gleichermaßen seinen ersten öffentlichen Termin nach seiner Genesung von einer Infektion mit der Omikron-Mutation darstellt, macht schnell klar, dass für ihn und die Regierung kein Weg an der Impfpflicht vorbeiführt.

Die Impfpflicht sei der Weg, um die Freiheit wieder zu erlangen: “Freiheit darf keine leere Worthülse sein”, so Nehammer, der zu Beginn seiner Rede auch auf seine überstandene Infektion eingeht und betont, dass er nun aus eigener Erfahrung bestätigen könne, dass die Impfung wirke. Dass nur mit der Impfpflicht die Freiheit zu erlangen sein, sieht in Europa aktuell nur Österreichs Regierung so.

Start mit Februar, Eingangsphase bis Mitte März

Die Impfpflicht kommt auch nicht wie angekündigt exakt am 1. Februar, sondern nun “mit Anfang Februar”. Die “Eingangsphase” des neuen Gesetzes soll bis Mitte März laufen, und soll Menschen, die sich bislang noch nicht impfen ließen, die Möglichkeit geben, dies nachzuholen.

Wer sich bis Mitte März nicht impfen lässt, kann ab diesem Zeitpunkt gestraft werden – denn dann wird auch kontrolliert. Das heißt: Jeder Mensch kann kontrolliert werden. Ungeimpfte müssen dann mit einer Strafe rechnen, stellt die Regierung klar. Der Höchst-Strafrahmen fürs “Nicht-Geimpftsein” reicht von 600 Euro (im abgekürzten Verfahren) bis 3600 Euro (im ordentlichen Verfahren).

Per Verordnung der Bundesregierung wird zudem ein Erinnerungsstichtag festgelegt, ab dem ein Erinnerungsschreiben an alle ungeimpften Personen geschickt werden, das sie zur Impfung auffordert und anleitet. Die letzte Stufe ist: Wenn epidemiologisch notwendig, kann und wird es ab einem per Verordnung der Bundesregierung festgelegten Impfstichtag – mit der Zustimmung des Parlaments – auch zu automatisierten, flächendeckenden Strafen für ungeimpfte Personen kommen.

Mückstein: "Wir schaffen das"

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein erklärt in seinem Statement, dass – so seien sich viele Experten einig – Omikron nicht die letzte Mutation des Coronavirus sein werde und aktuell noch viele Fragen dazu offen seien, wie lange ein Impfschutz gegen die neue Variante wirklich anhalte und darum auch die Auffrischungsimpfung wichtig und notwendig sei.

Zudem betont Mückstein, dass die kommende Impfpflicht, zwar ein großer Schritt sei – aber keineswegs die erste Impfpflicht, die in Österreich in Kraft tritt. Und er beendet seinen Vortrag mit dem Angela-Merkel-Spruch: “Wir schaffen das.”

Impfpflicht betrifft 7,4 Millionen Menschen in Österreich

Die geplante Impfpflicht soll für 7,4 Millionen erwachsene Menschen in Österreich gelten. Das sind 83 Prozent der Bevölkerung. Insgesamt zählt Österreich etwa 8,9 Millionen Einwohner. Schon in den bisherigen Plänen wären 1,1 Millionen Kinder unter 14 von der Impfpflicht ausgenommen gewesen. Im nun zwischen ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS vereinbarten Entwurf bleibt die Impfung auch für 344.000 Jugendliche zwischen 14 bis 17 Jahren freiwillig.

Von den 7,4 Millionen Impfpflichtigen bereits 5,8 Millionen freiwillig impfen lassen (78,5 Prozent). Der Rest (rund 1,6 Millionen) verfügt entweder noch über kein gültiges Impfzertifikat oder das Zertifikat ist abgelaufen. Damit wären acht von zehn Impfpflichtigen bereits jetzt gültig geimpft. Zu beachten ist allerdings, dass im Februar mehrere Hunderttausend Zertifikate ablaufen – die Betroffenen müssen sich bis dahin also ihre Booster-Impfung holen.

Diese Personen sind von der Impfpflicht ausgenommen:

Ausgenommen von der Impfpflicht sind neben Kindern bis 18 Jahren nur drei weitere Personengruppen: Und zwar schwangere Frauen, Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können und frisch Genesene (für 180 Tage). Dass jetzt doch schwangere Frauen von der Impfpflicht ausgenommen sind, halten manche politische Beobachter “für einen strategischen Fehler”. Sie meinen, dass Impfkritiker nun so argumentieren könnten: “Wenn die Impfung derart unbedenklich ist, wie ständig erklärt wird, dann könnten doch auch Schwangere geimpft werden. Ist der Impfstoff aber doch nicht so unbedenklich, dann sollte es keine Impfpflicht geben.”

600 Euro Strafe auch bei Verkehrskontrollen

Mückstein erläutert weiter, dass die Impfpflicht in drei Phasen verlaufen wird. In der ersten Phase ab Februar gilt die Impfpflicht, bereits ab Mitte März kann die Polizei bei Personenkontrollen (beispielsweise Fahrzeugkontrollen den Impfstatus kontrollieren), wer dann keinen gültigen Impfnachweis vorweisen kann, wird schriftlich aufgefordert dies zu ändern. In der dritten Phase wird kontrolliert, ob sich die Ungeimpften den Stich geholt haben – wer danach noch noch immer ungeimpft ist, muss nochmal 600 Euro Strafe zahlen. Abschließend will der Gesundheitsminister Mut machen: “Wir schaffen das”, ist sich Mückstein sicher.

Edstadler: "Die Impfpflicht ist die 'ultima ratio' - das letzte Mittel"

Als Verfassungsministerin Karoline Edtstadler das Wort übernimmt, betont sie gleich, dass die Impfpflicht die “ultima ratio”, also das letzte Mittel, sei. Die Ministerin geht direkt im Anschluss auf die Verhältnismäßigkeit und Verfassungsrechtlichkeit des neuen Gesetzes zum verpflichtenden Stich ein und stellt klar: “Ja, dieser Eingriff in die Grundrechte ist gerechtfertigt!”

Gesetz kann teilweise ausgehebelt werden

Edtstadler betont dabei auch, dass das neue Gesetz zur Impfpflicht flexibel sein wird und teilweise ausgehebelt werden könne. Dies sei Grundvoraussetzung, um das Gesetz überhaupt in Kraft treten zu lassen. Ausgehebelt werden könne das Gesetz demnach in Teilen, wenn eine der drei Säulen des Impfpflichtgesetzes, und zwar “gerechtfertigtes Ziel”, “effektives Mittel” und “Vehältnismäßigkeit” nicht gewährleistet seien. Wenn sich das Virus beispielsweise erneut derartig verändert, das die Wirkung der Impfung nicht mehr gewährleistet ist, oder die Pandemie im besten Fall endet, endet auch die Impfpflicht.

Impfpflicht wird am Donnerstag beschlossen

Nach intensiven Beratungen mit juristischen sowie medizinischen Expertinnen und Experten wird die Impfpflicht am Donnerstag im Nationalrat beschlossen werden. Neben den Regierungsparteien werden nun auch Vertreterinnen und Vertreter von SPÖ und Neos, welche sich zuletzt noch gespalten zeigten, der Impfpflicht zustimmen. Die FPÖ lehnt das Gesetz als einzige Partei geschlossen ab.