Denkwürdig waren die beiden Rennen nach der fünfwöchigen Sommerpause auch deshalb, weil der Streckenrekord von Marc Marquez aus 2019 insgesamt gleich vier Mal verbessert wurde. Jorge Martin, die Fahrer-Entdeckung des Österreich-Doppels, sorgte mit Pole in beiden Rennen und seinem Sieg im ersten für Furore. Der Spanier erzielte auf seiner Ducati letztlich auch jene Rekordrunde, die mit einer Zeit von 1:22,643 Minuten und einem Schnitt von 188 k/h wohl in die Ewigkeit eingehen wird, wenn die für 2022 auf dem Red Bull Ring geplante “Doppelkurven-Schikane” tatsächlich kommt.

Den Fans war es jedenfalls egal, dass sie dieses Mal bisweilen von Sommergewittern durchnässt oder vom Hagel geschlagen wurden. Am Sonntag schien erstmals seit 2019 ein MotoGP-Rennen auf dem eigenwilligen Red Bull Ring in einem Durchgang möglich. Ducati-Pilot Francesco Bagnaia raste vermeintlich dem ersten italienischen Saisonsieg entgegen, auch Marquez und Martin mischten auf trockener Piste vorne mit. Aber dann kam es doch wieder einmal anders im verrückten Österreich, in dem offenbar dauerhaft MotoGP-Regie wie von Steven Spielberg geführt wird.

Kein Unfall sondern der einsetzende Regen sorgte diesmal für die große Schluss-Dramatik und gab Binder die Chance, vier Tage nach seinem 26. Geburtstag zum großen Helden zu werden. Vier Runden vor Schluss des Flag to Flag-Rennens führte Marquez eine Sechser-Gruppe mit Binder an. Fünf Fahrer bogen angesichts der immer nasser werdenden Piste zum Bikewechsel an die Box ab. Nur der Südafrikaner riskierte und blieb mit den profillosen Slickreifen auf der Strecke.

“Das war kein Rennfahren mehr, sondern ein Überlebenskampf. Ich war in permanenter Sturzgefahr”, gestand der Südafrikaner, nachdem er die letzten 13 Kilometer wie auf rohen Eiern zurückgelegt hatte. Während im Finish die Fahrer auf Regenreifen wieder stark aufholten, hatte Topspeed-Weltrekordler Binder (362,4 km/h in Mugello) letztlich sogar genügend Vorsprung herausgefahren, um trotz einer lächerlichen Zeitstrafe fast 13 Sekunden vor Bagnaia seinen zweiten Moto-GP-Sieg zu feiern. Vergangenes Jahr hatte Binder in Brno den Premierensieg in der Königsklasse für KTM herausgefahren.

Unglaublicher Mut

Damit endete das Österreich-Heimspiel für KTM trotz Sturz, Handverletzung, Erkrankung und Doppelnull für Miguel Oliveira doch noch sehr versöhnlich. Dank der Siege von Binder, Raul Fernandez in der Moto2 für das KTM-Ajo-Team sowie Sergio Garcia (GasGas) in der Moto3 gab es durchwegs Erfolge für Produkte oder Teams der Gruppe von Stefan Pierer. Binder überholte dank seiner Plätze 4 und 1 auch Oliveira und ist nun WM-Sechster.

“Jeder Heimsieg ist besonders. Aber dieser ist unglaublich”, freute sich auch Mike Leitner über Binders Regen-Coup. “Das war eine wirklich starke Entscheidung von ihm, den anderen nicht in die Box zu folgen”, sagte der KTM-Teammanager und versicherte: “Wir haben Brad keine Nachricht geschickt, es war alleine seine Entscheidung.” Leitner erklärte: “Er war der Einzige, der wusste, was draußen auf der Strecke wirklich los ist. Mit Slicks im Regen zu fahren ist aber normalerweise unmöglich. Brad war in jeder Kurve einem Sturz nahe, ich ziehe den Hut.”

“Unglaublich”, war auch KTM’s Motorsportchef Pit Beirer begeistert. “Brad hat unglaublichen Mut bewiesen. Ausgerechnet der Fahrer, über den wir immer sagten, er kann nicht im Regen fahren. Und dann beweist der so unglaublich viel Mut, Herz und Können.”

Binder selbst gab nach der Übernahme der Trophäe aus den Händen von Helmut Marko zu, dass ihm dieser Sieg wohl immer in Erinnerung bleiben werde. “Wie mein Vater immer sagt: Das Leben belohnt die Mutigen.”

Weiter geht die Motorrad-WM 2021 in Silverstone, in der MotoGP führt weiter der vierfache Saisonsieger Fabio Quartararo. Der nächste MotoGP-Auftritt in Spielberg ist vom 19. bis 22. August 2022 geplant. (APA/red)