Dass im Nahen Osten bereits in der Antike Wein angebaut wurde, kann man der Bibel entnehmen. Dass in Israel seit 20, 30 Jahren wieder exzellenter Wein hergestellt wird, wissen zurzeit vor allem Insider und Weinkenner. In ganz Israel wird heute Wein angebaut, ob in den Bergen, den Tälern oder sogar in der Wüste. Israelische Weine gewinnen regelmäßig Auszeichnungen und hohe Bewertungen.

Gestiegen ist in den vergangenen Jahrzehnten vor allem die Qualität und Vielfalt des Weines, nicht die Quantität. Israel produziert nicht genügend Wein, um ihn zu reduzierten Preisen in Supermärkten zu verkaufen. Man findet israelische Weine aber in Weinhandlungen und Haubenlokalen – auch in Österreich.

Tzora gehört heute zu den qualitätsvollen Weingütern auf den judäischen Hügeln.Tzora Vineyards
Weinanbau auf den Golanhöhen, bis zu 1000 Meter über dem Meeresspiegel.Golan Heights Winery

„Als ich im Jahr 1989 mit meiner Frau und meinen drei Kindern nach Israel gezogen bin, gab es hier zwölf Weingüter und ein Monopolweingut, das mehr als 75 Prozent des Geschäfts abdeckte“, erinnert sich Adam S. Montefiore (65). Er wuchs im Vereinigten Königreich auf, und ist heute einer der führenden Wein-Experten Israels. „Mittlerweile haben wir mehr als 350 Weingüter. In den vergangenen 30 Jahren ist eine Art Wunder geschehen, so schnell hat sich der Weinanbau weiterentwickelt.“

Ein Ziva ist ein Kibbutz auf den Golanhöhen, der Wein anbaut.Golan Heights Winery

Mit Yarden-Weinen begann Israels Wein-Revolution

Montefiore berät Weingüter, Restaurants, Hotels und Einzelhändler, verfasst seit 2010 regelmäßig eine Kolumne („Wine Talk“) für die „Jerusalem Post“ und schrieb mehrere Bücher zum Thema. Die längste Zeit seines Lebens arbeitete er für Weingüter, darunter 27 Jahre lang für „Golan Heights Winery“, jenes Weingut, „das die Weinrevolution in Israel angestoßen hat“, und ebenso lange für Carmel, „ein historisches Weingut in Israel“.

Golan Heights Winery gilt als bestes unter den großen Weingütern Israels

Yarden-Weine von den Golanhöhen sind heute „wahrscheinlich der größte Botschafter israelischer Weine im Ausland. Yarden dürfte unser bestes großes Weingut sein. Daneben gibt es in Israel noch viele kleinere Weingüter, die exzellenten Wein herstellen: Castel, Tzora, Sphera und Flam.“ Manche Weingüter haben eine lange Geschichte: „Zion Winery wurde im Jahr 1848, vor 175 Jahren, in der Altstadt von Jerusalem gegründet. Es wird seit acht Generationen von derselben Familie geführt.“

Die auf den Golanhöhen hergestellten Yarden-Weine sind besonders bekannt.

Weinanbau von den Golan-Höhen im Norden bis zur Negevwüste im Süden

Weinanbau gibt es abgesehen von den Golanhöhen auch in der Küstenebene südlich von Haifa und südöstlich von Tel Aviv, wo Baron Edmond James de Rothschild (1845 bis 1934) in den 1880er Jahren mit dem Anpflanzen von Weinbergen begann, sowie in den judäischen Hügeln und Jerusalemer Bergen zwischen Tel Aviv und Jerusalem – „hier befindet sich eines der besten Weinanbaugebiete“, sagt Montefiore – und schließlich dank moderner Agrartechnologie sogar in der Wüste Negev.

Der Fasskeller von Castel, einem führenden, aber kleineren Weingut Israels.
Einige der kleinen Weingüter stellen heute Israels besten Wein her.

Adam Montefiore: „Können Sie sich das vorstellen? Wo es so trocken ist, mangelt es eigentlich an Wasser, aber wenn man in die Geschichte blickt, haben auch Nabatäer und Byzantiner in der Wüste Wein hergestellt und gelernt, dafür den Regen aufzufangen und zu kanalisieren, um die Weinberge zu bewässern. Heute stellen wir wieder Wein in der Wüste her, wie schon in der Antike, nutzen aber dafür die in Israel entwickelte Tropfbewässerung“, sagt der Wein-Spezialist und Wein-Liebhaber. „In einem Land mit biblischer Geschichte, das auf 5000 Jahre Weinherstellung zurückblicken kann, wirken heute Agrartechnologien und Weinbau zusammen.“

Selbst in der Wüste von Negev im Süden Israels wird heute Wein angebaut.

Kürzlich 3800 Jahre alter Weinkeller in Kanaan entdeckt

Die reiche Weinkultur der Antike spiegelt sich in den Erzählungen der Bibel und den Gleichnissen Jesu wider, man denke nur an die „Arbeiter auf dem Weinberg“ und den „neuen Wein in alten Schläuchen“. In Kanaan, wo Jesus sein erstes Wunder tat und Wasser in Wein verwandelte, entdeckte man kürzlich den bisher größten kanaanitischen Keller. Er war 3800 Jahre alt. In Javne, 30 Kilometer südlich von Tel Aviv, wurde das bisher größte byzantinische Weingut entdeckt. Es war mehr als ein Weingut, ein regelrechter Weinkomplex, datiert vor 1500 Jahren. In der Antike tranken die Menschen wahrscheinlich mehr Wein als heute, erzählt Adam Montefiore, „weil Wasser gefährlich war und Krankheiten übertragen konnte.“

„Wein ist ein faszinierendes Thema. Er berührt so viele Aspekte: Geschichte, Religion, Gastronomie, Technologie, Landwirtschaft, Archäologie“, meint Adam S. Montefiore.

Doch nachdem die blühende Weinkultur zu Ende ging, war es lange Zeit um den Wein im heutigen Israel nicht sonderlich gut bestellt. „2000 Jahre lang haben wir schrecklichen Wein hergestellt. Erst in den vergangenen 20, 30 Jahren haben wir begonnen, sehr guten Wein zu produzieren. Dabei profitieren wir von sehr fortschrittlicher Technologie und innovativer Landwirtschaft. Mit ihrer brachten wir die Wüste wieder zum Blühen. Die Hälfte Israels besteht aus Wüste“, sagt Montefiore.

Die Galil Mountain Winery wurde im Jahr 2000 von dem renommierten israelischen Weingut Golan Heights gegründet.Galil Mountain Winery

Heiße Winde aus dem Süden sind eine Herausforderung

Israel ist ein heißes Land, was zu Herausforderungen beim Weinanbau führt. Angesichts eines weltweit wärmer werdenden Klimas, beginnen sich mittlerweile Weingüter aus aller Welt für Israels Weinanbau zu interessieren, und für die dabei verwendete Technologie. Israel wurde zum Vorreiter beim Weinanbau unter heißen Bedingungen.

„In den 1990er Jahren stellten wir fest, dass die Vegetationsperiode in der Höhe länger anhält, weil die Temperatur kühler ist“, berichtet Montefiore. „So verlagerte sich die israelische Weinindustrie in jenen Jahren von der Küstenebene nach Norden in die Golanhöhen und nach Galiläa. Daher werden die meisten unserer besten Weine in Weinbergen hergestellt, die zwischen 500 und 1000 Metern über dem Meeresspiegel liegen. Eine kühlere Höhenlage bedeutet eine längere Vegetationsperiode. Israels Breitengrad liegt auf dem Nordafrikas, doch wenn man weiter hinaufsteigt, erreicht man eine Höhe, die einem ein kühleres Klima beschert. Auf diese Weise gelingt es Israel, gute Weine herzustellen.“

Weingut Tzora auf den judäischen Hügeln

Die Herausforderungen seien andere als etwa in Österreich, wo der Frost im Frühjahr den Winzern das Leben schwer machen kann. „Unser Hauptproblem sind sehr heiße Winde, die unter anderem aus der Sahara kommen und die Temperaturen stark ansteigen lassen. Wenn das passiert, verschließt sich die Rebe und hört auf zu reifen.“

Die Wetterverhältnisse auf den Golan-Höhen sind günstig für den Weinanbau.Golan Heights Winery

Viele Mikroklimas, große Vielfalt

Israel ist, obwohl sehr klein, ein sehr heterogenes Land. „Morgens können Sie auf dem Berg Hermon Ski fahren, dann später einen Tag lang durch die Wüste fahren und nachmittags im Korallenriff im Roten Meer tauchen.“ Folglich gibt es in den verschiedenen Regionen stark verschiedene Mikroklimas. „Die Ernte dauert von Mitte Juli bis Ende Oktober. Es ist eine sehr lange Ernte. Somit gibt es sehr viele unterschiedliche Bedingungen der Weinherstellung.“

Groß ist daher auch die Vielfalt des israelischen Weins: viele Sorten, verschiedene Regionen, und Winzer, die an unterschiedlichen Orten in der Welt zunächst ihr Handwerk gelernt haben.

In der Wüste von Negev wurde bereits in der Antike Wein angebaut.

Weinleute im Mittelmeerraum arbeiten zusammen – über politische und religiöse Unterschiede hinweg

Auch andere Länder im östlichen Mittelmeerraum produzieren Wein, etwa Griechenland, die Türkei, Zypern, und der Libanon. Libanesen, palästinensische und jordanische Christen produzieren Wein, und ebenso Muslime in der Türkei.

Für Montefiore schafft der Weinanbau Gemeinsamkeit, über religiöse und politische Grenzen hinweg: „Der östliche Mittelmeerraum ist von Krieg, Zwietracht und Religion geprägt. Israel und der Libanon befinden sich offiziell im Krieg. Die Türkei hasst Griechenland und umgekehrt. Zypern ist geteilt. Aber alle Weinleute reden miteinander und stehen miteinander in Kontakt. Das finde ich wunderbar. Wein steht über der Politik, er hat etwas, das alle gemeinsam haben.“

Jede Woche berichtet der eXXpress exklusiv aus Israel – diesmal ausnahmsweise am Sonntag.

Adam S. Montefiore (65) wuchs in England auf und arbeitete hier bereits im Weinhandel, bevor er 1989 mit seiner Familie nach Israel gezogen ist. Montefiore gilt als „die englische Stimme des israelischen Weins“, er war Gründungsmitglied der „Academy of Wine Service“ und Gründer von „Handcrafted Wines of Israel“.  Er verfasste unter anderem „The Wine Route of Israel“ und „Wines of Israel“. Darüber hinaus ist er Mitautor mehrere Standardwerke, darunter „The Oxford Companion To Wine” und „The World Atlas of Wine“. Heute lebt er in Ra‘anana, nördlich von Tel Aviv.