Mit schweren Verlusten startete die CDU in Deutschlands Superwahljahr: Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz war sie der große Verlierer. Nun erlebt die Kanzlerpartei auch in den bundesweiten Umfragen den Totalabsturz, was einige mit Bangen angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl im Herbst erfüllt.

Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Forsa für das RTL/ntv-„Trendbarometer“

Zunächst stiegen Merkels Sympathiewerte in der Corona-Pandemie nochmals kräftig an, fast wie zu ihren besten Zeiten. CDU und CSU erreichten in den Meinungsumfragen unglaubliche 40 Prozent, ein Wert, nahe an den sensationellen 41,5 Prozent bei der Wahl von 2013. Merkel setzte neuerlich ganz auf Glaubwürdigkeit. Auch die Union, in der die amtierende Kanzlerin nicht mehr unumstritten ist, beschloss ein weiteres Mal ganz auf Merkels Vertrauen bei den Menschen zu setzen. Eine programmatische Neuausrichtung blieb aus. Im Gegenteil: Mit der Wahl des Merkel-Vertrauten Armin Laschet zum neuen Parteivorsitzenden fühlten sich große Teile der Basis vor den Kopf gestoßen. Sie hatten auf eine konservative Wende gehofft.

Umso böser ist jetzt das Erwachen: Seit Anfang Februar sanken CDU/CSU von scheinbar stabilen 37 Prozent auf jetzt nur mehr 29 Prozent in den Umfragen, binnen weniger Wochen. Damit torkelt die Partei in etwa dort herum, wo sie vor der Pandemie bereits war.

Wegen inhaltlicher Entkernung unter Merkel droht die CDU zwischen den Extremen zerrieben zu werden, sagt Alexander Mitsch von der Werte Union.Christoph Schmidt/dpa

Der CDU-Politiker Alexander Mitsch, der überdies Vorsitzender der Werte Union ist, hält mit seiner Einschätzung der Lage nicht lange hinter dem Berg. Gegenüber dem eXXpress unterstreicht er: „Die aktuell schlechten Umfragewerte für die CDU/CSU haben genauso wie die lange Serie verlorener Wahlen ihre Ursache in der inhaltlichen Entkernung unserer Partei durch Frau Merkel.“

Mitsch sieht seine Partei in einer schwierigen Ausgangssituation: „Dadurch, dass die Union unter ihrer Kanzlerschaft wesentliche Kernkompetenzen wie Freiheit und Sicherheit der Sozialdemokratisierung und Vergrünung geopfert hat, hat sie Millionen von ehemaligen Unionswählern politisch heimatlos gemacht. Die Partei ist massiv gefährdet, zwischen den Radikalen links und rechts, den Grünen und der AfD, aufgerieben zu werden.“

Die Werte Union ist eine 2017 gegründet wertkonservative Bewegung, deren mittlerweile 4000 Mitglieder der CDU bzw. CSU sind. Ihr gehören unter anderem der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und der Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt an.

Merkel: „Krisenbewältigerin“, nicht Regierungschefin

„Danke, es reicht“, kommentierte Hajo Schumacher in dem Hamburger Abendblatt mit Blick auf 16 Jahre Merkel. Er fragt ganz offen: „Können sich die Deutschen eine Regierung ohne die Regierungspartei CDU vorstellen?“

Dass die Unionsparteien im Herbst sogar das Kanzleramt verlieren werden, schließt auch Thomas Schmoll bei n-tv nicht aus. In der Corona-Krise habe Merkel eben nur als „Krisenbewältigerin“ punkten können, aber nicht als Regierungschefin. Nun brauche die Partei „einen Neustart nach Merkel, die gerade den Eindruck erweckt: nach mir die Sintflut.“ Doch Schmoll sieht keine Anzeichen dafür, dass er gelingt: „Dass die CDU ein halbes Jahr vor der Wahl damit beginnt, sich programmatisch aufzustellen, obwohl schon die gescheiterte Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer permanent davon sprach, könnte die Partei sogar das Kanzleramt kosten.“

„Quittung für das Erdulden des Systems Merkel“

Der deutsche Journalist geht mit der Ära Merkel hart ins Gericht. So trete jetzt primär zutage, was in der Zeit der Corona-Pandemie nochmals verdeckt war: Merkel habe die Bürger und ihre Partei „mit der Politik des Abwartens eingelullt“. Heute sei Deutschland „ein Industriestaat mit hohem Reform- und Investitionsbedarf“. Da „Merkel am liebsten verwaltete, um niemanden zu verärgern“ fuhr sie Deutschland „schnurstracks über zig Jahre in den Reformstau“. Zum Beispiel habe die Republik etwa „die digitale Modernisierung verpennt. Nur merkten das weite Teile der Bevölkerung nicht, weil sie nichts vermissten.“

Kein Mitleid zeigt Schmoll mit CDU und CSU, sollten sie nach der kommenden Wahl nicht mehr die Kanzlerpartei sein: „Es wäre die Quittung für das Erdulden des Systems Merkel, das ausgedient hat.“

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