Das Ziel ist klar festgelegt: SPÖ und FPÖ hoffen darauf, dass auch einige Grüne bei ihren Misstrauensanträgen mitstimmen und so zu der nötigen Mehrheit verhelfen werden, damit erneut ein politisches Erdbeben Österreich erschüttern könnte – denn geht einer dieser Anträge durch, müsste es zu einer Neuwahl kommen.

Seit 12.30 Uhr läuft die große Parlaments-Show in der Wiener Hofburg: Politik-Insider erwarten allerdings nicht, dass sich die schwarz-grüne Koalition sprengen lässt, zu sehr sind ÖVP und Grüne aufeinander eingeschworen, unbedingt bis zum offiziellen Wahltermin im Jahr 2024 weitermachen zu wollen.

Kein angenehmer Tag für Karl Nehammer (ÖVP).

Grüne Abgeordnete haben es in der Hand, ob vorzeitige Neuwahl kommt

“ÖVP-Korruption beenden statt aussitzen” lautet der Titel des “Dringlichen” der Roten an Nehammer, der dann ab Mittag debattiert wird. Gefordert werden darin “Sofortmaßnahmen zur Stärkung von Transparenz, Aufklärung und Anstand”. Außerdem sieht die SPÖ “Neuwahlen als einzigen Weg” und wird einen entsprechenden Antrag einbringen

Das will auch die FPÖ, die darüber hinaus einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung angekündigt hat. Zudem fordern die Blauen eine “Lex Sobotka” und bringen einen Antrag auf eine Verfassungsänderung ein, damit der Nationalrat seinen Präsidenten auch wieder abwählen kann, was derzeit eben nicht möglich ist. Die NEOS wiederum wollen bei der Sondersitzung drei Fristsetzungsanträge für die Umsetzung ihres Antikorruptionspakets einbringen.

Kippen einige Grüne um, dann könnte der 2. November könnte so wie der 27. Mai 2019 in die Geschichte Österreichs eingehen: Vor dreieinhalb Jahren zwang ein Misstrauensantrag den damaligen Kanzler Sebastian Kurz zum Rückzug, es folgte eine Expertenregierung und eine Neuwahl – die von der ÖVP und Kurz dann am 29. September 2019 mit 37,5 % klar gewonnen worden ist (+ 6%). Die SPÖ verlor die Wahl und kam auf nur 21,5 % (- 5,7%). Noch schlechter schnitt nach der Veröffentlichung der Ibiza-Video-Schnipsel  nur die FPÖ ab: 16,2 % (- 9,8%).

Damit es tatsächlich zu einer vorzeitigen Neuwahl kommen könnte, müssten entweder SPÖ- oder FPÖ-Abgeordnete einen Antrag auf eine “Vorzeitige Auflösung des Nationalrats” nach Artikel 29 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes einbringen. Für diese Gesetzesinitiative reicht eine einfache Mehrheit – also die Stimmen der Abgeordneten von SPÖ (40 Mandate), der FPÖ (30 Mandate) sowie einiger NEOS-Politiker (16) und von einigen  Grünen (gesamt 26 Mandate). Die ÖVP selbst hat im Nationalrat 71 Abgeordnete.