Schwere Geschütze hat Ex-Kanzler Sebastian Kurz bereits in den vergangenen Tagen aufgefahren: Die Vorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen ihn seien in keinster Weise nachvollziehbar. Seine Aussagen im U-Ausschuss wurden offenbar bewusst verdreht. Eine Falschaussage sei nicht erkennbar. Es war wohl ein abgekartetes Spiel zwischen WKStA und Opposition. „Die Abgeordneten haben mich befragt, um danach Anzeige zu erstatten, die WStA hat daraufhin meine Aussagen immer dort, wo es zwei Auslegungen gab, diese immer zu meinen Ungunsten ausgelegt.“

Die beiden WKStA-Staatsanwälte Roland Koch und Gregor AdamovicAPA/HELMUT FOHRINGER

All das begründete im Detail der sichtlich gut vorbereitete Ex-ÖVP-Chef vor dem Richter Michael Radasztics – ruhig, langsam, aber teilweise durchaus emotional. In seinem knapp 30-minütigen Statement verzichtete er darauf, seine Biografie von Kindheit an zu erzählen, wie es Promis zuweilen gerne tun.

Das falsch interpretierte „Na“

Die Anklage stützt sich auf ein „Na“ von Kurz im U-Ausschuss. Die WKStA interpretierte es als „Nein“. Kurz habe damit geleugnet, mit Thomas Schmid über seinen Wunsch gesprochen zu haben, ÖBAG-Chef zu werden. Dass Kurz das damals getan hat, ist an sich legitim. Der WKStA geht es nur darum, dass er es vermeintlich bestritten hat.

Der Ex-Kabinettschef im Bundeskanzleramt Bernhard Bonelli gemeinsam mit Sebastian Kurz (ÖVP) vor GerichtAPA/HELMUT FOHRINGER

In Wahrheit habe er sein Wissen darüber nie bestritten, wie aus dem vollständigen Protokoll des U-Ausschuss eindeutig hervorgeht, unterstrich Kurz vor dem Richter: „Wenn ich der Staatsanwaltschaft zuhöre, dann bekomme ich den Eindruck, ich hätte auf die Frage des Abgeordneten Brandstätter (NEOS), ob ich denn mit Thomas Schmid über seinen Wunsch gesprochen hätte, ÖBAG-Chef zu werden, mit Nein geantwortet. Die Wahrheit ist aber, dass ich auf die Frage von Brandstätter klar gesagt habe, dass wir darüber gesprochen haben.“

Kurz: „Habe im Gegenteil gerade bekräftigt, informiert gewesen zu sein“

Zuerst habe er versucht, den Zeitpunkt einzugrenzen, und dabei die Medienberichterstattung erwähnt – das war sogar „deutlich vor Ausschreibung“. Danach hat der Abgeordnete Brandstätter (NEOS) versucht, „die Aussage von mir falsch zusammenzufassen, in dem er gesagt hat: ‚haben Sie davor nie mit ihm darüber gesprochen?‘ Dieser falschen Zusammenfassung habe ich dann mit ‚Na‘ widersprochen und habe auch noch gesagt, dass es sicherlich immer wieder Gespräche gab.

Helmut Brandstätter (NEOS) hat die Aussage von Kurz zuvor falsch zusammengefasst. Dem hat der damalige Kanzler in Wahrheit widersprochen, sagt er.APA/HELMUT FOHRINGER

Mit anderen Worten: Das „Na“ bezog sich auf die falsche Zusammenfassung von Brandstätter, wonach Kurz nicht informiert gewesen sei.

Dass Kurz hier nichts bestritten habe, zeige überdies schon die Beantwortung der Vor-Frage, bei der er eine zeitliche Einordnung getroffen hatte, die weit vor der Ausschreibung gelegen ist. „Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, wieso die WKStA bewusst meine Aussage, die als Widerspruch auf die falsche Unterstellung von Brandstätter gemeint war, gegenteilig interpretiert, um mir dann eine Falschaussage zu unterstellen.“

„Finde nach wie vor, dass die bloße Kenntnis am besten mit ‚informiert‘ beschrieben wird“

Seine Aussage, bei der Entscheidung des Aufsichtsrats eingebunden „im Sinne von informiert“ gewesen zu sein, sei richtig gewesen, unterstrich Kurz:

„Der Aufsichtsrat wurde fünf bis sechs Wochen vor dieser Entscheidung konstituiert. Ich habe auf keinen dieser Aufsichtsräte eingewirkt. Ich war selbst kein Aufsichtsrat. Ich war auch nicht Gast bei der Sitzung. Ich wurde schlicht und ergreifend vom Finanzminister informiert, dass diese Sitzung stattfindet und dass aller Voraussicht nach Thomas Schmid dort die besten Karten hat und bestellt werden wird. Ich finde nach wie vor, dass die bloße Kenntnis von einer Sitzung am besten mit dem Wort ‚informiert‘ beschrieben ist.“

„Hunderte Leute haben meine Nähe gesucht. Ich wollte allen ein gutes Gefühl geben.“

Auch auf die Aussage von Thomas Schmid geht der ehemalige Bundeskanzler ein. Der Ex-ÖBAG-Chef hatte Kurz widersprochen. Demnach sei die Planung, dass er ÖBAG-Chef werden soll, sehr wohl von Kurz ausgegangen. Dabei bezieht sich Schmid auf den Zeitraum Mai/Juni 2017.

Thomas Schmid (Bild) könnte ein Gespräch mit Sebastian Kurz überbewertet haben.APA/HANS PUNZ

Kurz schildert nochmals die damalige Zeit, und warum Thomas Schmid das Gespräch mit ihm sicher höher bewertet hat als er: „Ich kann Ihnen sagen, wie mein Alltag zu dieser Zeit ausgesehen hat: Ich war damals wenige Tage designierter Parteichef. Ich habe die Koalition aufgekündigt und Neuwahlen ausgerufen. Ich habe mich auf den Parteitag der Volkspartei vorbereitet. Ich musste einen neuen Vizekanzler stellen. Im Parlament entstand ein ‚Freies Spiel der Kräfte‘. Ich hatte als Außenminister den OSZE-Vorsitz inne. Ich hatte einen Wahlkampf vorzubereiten. Und ich hatte das Ziel diese Wahl zu gewinnen. Wenn Thomas Schmid damals mit mir über die Beteiligungen gesprochen hat, und ich will das nicht ausschließen, dann kann ich Ihnen zwei Dinge garantieren: Es war für ihn als Zuständigen sicher das relevantere Thema als für mich. Und egal, was er da gesagt oder mir vorgeschlagen hat – ich habe ihm sicherlich ein gutes Gefühl gegeben.“

Nur das sei überhaupt nichts Besonderes gewesen. „Hunderte Leute haben damals nicht nur meine Nähe gesucht, sondern haben mir gesagt, was sie gerne werden würden, wo sie mir helfen, welche Ideen sie haben, oder wo sie gute Arbeit leisten. Ich habe mich immer bemüht, allen ein gutes Gefühl zu geben. Und wenn mir jemand gesagt hat, dass er eine Position oder einen Job anstrebt, dann habe ich sicherlich immer gesagt, dass ich das toll finde und mich freue, wenn es klappt. Das heißt aber nicht, dass ich mich für jemanden aktiv eingesetzt habe und Planungen gestartet hätte.“

Seite an Seite mit Anwalt Otto Dietrich (l.) und Anwalt Werner Suppan (r.) trat Kurz (M.) vor Prozessbeginn kurz vor die Presse.APA/HELMUT FOHRINGER

„Löger hat über den Aufsichtsrat entschieden, ich kannte nicht einmal den Zeitpunkt der Entscheidung“

Auch auf den zweiten Vorwurf ging Kurz ein: Die WKStA will ihm nicht glauben, dass der damalige Finanzminister Löger die Entscheidung getroffen hat, wer Aufsichtsrat wird. „Das Gute ist: Ich glaube, ich kann es beweisen.“

Aus allen Nachrichten und Aussagen von Kurz gehe nämlich hervor, dass er „genau zwei Vorschläge“ gemacht habe: Sigi Wolf und Karl-Theodor zu Guttenberg. Beide bekamen den Posten. Darüber hinaus hat er Guttenberg fünf Tage nachdem über die Aufsichtsräte entschieden wurde, vorgeschlagen. Allein das widerspricht schon dem Narrativ der WKStA, dass Kurz sich für Schmid stark gemacht hätte. „Wenn ich die Entscheidung getroffen hätte, dann hätte die Situation ja wie folgt stattfinden müssen: Hartwig Löger kommt zu mir und sagt: ‚Lieber Bundeskanzler, ist dir recht, dass folgende Personen die Aufsichtsräte der ÖBAG werden?‘ Und ich müsste dann laut und deutlich mit ‚Ja‘ geantwortet haben. Wie um Himmels Willen käme ich dann auf die Idee, fünf Tage nach meiner Entscheidung jemanden anderen vorzuschlagen?“

Finanzminister Hartwig Löger hat über den Aufsichtsrat entschiedenAPA/AFP/EMMANUEL DUNAND

Die Wahrheit ist: Löger habe allein entschieden und Kurz habe nicht einmal gewusst, „wann diese Entscheidung schlussendlich gefallen ist.“

Was kurz aber „großartig“ findet: „Die WKStA formuliert zwar 108 Seiten Strafantrag, lässt aber das klitzekleine Detail aus, dass ich zu dem Zeitpunkt, als Löger schon über den Aufsichtsrat entschieden hat, Guttenberg vorgeschlagen habe. Der Name Guttenberg kommt im Strafantrag allerdings nicht einmal vor. Wieso wird das auf 108 Seiten Strafantrag absichtlich weggelassen? Wieso werden Fakten, die die Geschicht der WKStA zerstören, einfach ignoriert?“