Die deutsche Baubranche befindet sich in einer ernsten Krise. Sowohl die Wirtschaft als auch der soziale Frieden sind bedroht, warnt Jan Buck-Emden, Chef des Baustofflieferanten Hagebau, gegenüber der „Bild“. Die Bestellungen seien um 30 Prozent zurückgegangen. Nun seien Sofort-Maßnahmen notwendig. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse den Wohnungsbau zur Chefsache machen, fordert Buck-Emden. Er müsse dringend erforderliche Rettungsmaßnahmen einleiten.

Geschäftsklima so schlecht wie zuletzt vor 32 Jahren

Raimund Heinl, Vorstandsvorsitzender von Saint-Gobain Deutschland und Österreich, prognostiziert, dass bis 2025 rund 300.000 Jobs verloren gehen könnten. Dies würde zu einem drastischen Anstieg der Mieten führen, weil der Mangel an Wohnraum weiter zunimmt. Bernhard Sommer, Vorstandsvorsitzender von Kern-Haus, bestätigt diesen Trend mit einem Rückgang der Auftragseingänge im Hausbau um mehr als 50 Prozent seit dem vergangenen Jahr.

Berlin: Arbeiter stehen zwischen Kränen auf der Baustelle. Angesichts der tristen Auftragslage sind hunderttausende Arbeitsplätze gefährdet, warnt die Branche.Sean Gallup/Getty Images

Das Ifo-Institut in München warnt ebenfalls vor einer dramatischen Entwicklung in der Baubranche. Der Geschäftsklimaindex hat mit minus 54,8 Punkten ein Rekordtief erreicht, was die schlechteste Stimmung seit 32 Jahren widerspiegelt. Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut unterstreicht, dass die Wohnungen, die heute nicht gebaut werden, in zwei Jahren auf dem Mietmarkt fehlen werden.

Ifo-Institut sieht drei Hauptgründe für die Krise im Wohnungsbau

Das Institut nennt drei Hauptgründe für diese Krise:

1) Zinsspirale: Die Zinsen für Immobilienkredite sind aufgrund von Inflation und Leitzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) gestiegen. Aktuell zahlen Privatkäufer fast dreimal so viel Zinsen wie vor zwei Jahren.

2) Stornierte Projekte: Eine Pleitewelle großer Projektentwickler und die Schwierigkeit, geplante Eigentumswohnungen zu verkaufen, haben zu einer Welle von Projektstornierungen geführt. Fast die Hälfte der Branche klagt über Auftragsmangel.

3) Rückgang der Baugenehmigungen: Die Zahl der Baugenehmigungen ist deutlich gesunken. Für 2025 wird erwartet, dass statt der geplanten 400.000 nur noch etwa 200.000 Wohnungen gebaut werden.

Ein gefährlicher Mix aus steigenden Zinsen und Pleitewelle belastet die Bauwirtschaft.Getty

Baldige Erholung unwahrscheinlich

Die Baubranche fordert dringend staatliche Eingriffe, um die Krise abzuwenden. Dazu gehören Steueranreize für private Bauherren und ein Aussetzen der Grunderwerbssteuer. Das Ifo-Institut sieht kurzfristig keine Besserung und bleibt skeptisch hinsichtlich einer baldigen Erholung der Branche. Die aktuellen Entwicklungen könnten langfristige Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt und die gesamte Wirtschaft haben.