Die gendergerechte Schreibweise verursacht zahlreiche Probleme für blinde und sehbehinderte Menschen. Das gilt besonders für die gängigen Formen mit Doppelpunkt oder Gender-Sternchen, und zwar sowohl, wenn Menschen mit Sehbehinderung Texte selber lesen, als auch wenn ihnen andere Personen oder Computerprogramme Texte vorlesen. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) spricht sich daher gegen diese Form des Genderns aus. Dies unterstrich der DBSV erst kürzlich und nicht zum ersten Mal in einer Stellungnahme.

"Für blinde und sehbehinderte Menschen problematisch"

„Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das Gendern durch Satz- und Sonderzeichen problematisch“, unterstreicht DBSV-Geschäftsführer Andreas Bethke. Für diese Personengruppe findet das Lesen in erster Linie über das Hören statt – „egal ob der Computer etwas vorliest, ob es die Arbeitsassistenz tut oder ein Mensch aus der Nachbarschaft“. Wichtig sei dabei vor allem „Klarheit darüber, wie ein Text vorzulesen ist“.

Und spätestens hier beginnen die Schwierigkeiten, denn in der Praxis fehlt diese Klarheit: „Gendern durch Satz- und Sonderzeichen und Binnen-I finden wir schwierig, da sie beim Vorlesen entweder überlesen oder mit vorgelesen werden, was den Vorlesefluss stört.“

Zurzeit werden unterschiedliche Zeichen beim Gendern verwendet, wie Unterstrich, Sternchen oder Doppelpunkt:

Mitarbeiter_innen
Mitarbeiter/-innen
MitarbeiterInnen
Mitarbeiter*innen
Mitarbeiter:innen

Es gibt in allen Fällen keine einheitliche Regel für das laute Vorlesen. Bethke unterstreicht: „Personen, die Texte vorlesen, gehen unterschiedlich mit diesen Zeichen um. Aus dem geschriebenen Wort Kommunikator*in wird in der gesprochenen Sprache wahlweise Kommunikator oder Kommunikatorin oder das Sonderzeichen wird mit vorgelesen, wobei diese Variante oft als störend für den Lesefluss empfunden wird.“

Keine Lösung bei Computerprogrammen

Auch Computersysteme können Texte vorlesen, was gleichfalls zur Schwierigkeiten führt, denn Satz- und Sonderzeichen werden unterschiedlich behandelt, je nachdem welche Software – also welcher Screenreader – verwendet wird. „Gelingt es, das Vorlesen bestimmter Zeichen gezielt zu verhindern, werden diese immer unterdrückt“. Ein weiteres Problem: Für Menschen mit Sehbehinderung sind die meisten Sonderzeichen nur schwer lesbar.

Zurzeit ist das Gendern vor allem in akademischen Kreisen verbreitet. Die vom Blindenverband favorisierten Lösungen dafür sind Formulierungen, die kein Geschlecht ausschließen wie „Team“ oder die Nennung des männlichen und weiblichen Geschlechts, also: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

3,4 Prozent der Österreich sind blind oder sehbehindert

Der Weltblindenunion zufolge sind weltweit 253 Millionen Menschen blind oder sehbehindert. In Österreich sind schätzungsweise 3,4 Prozent der Bevölkerung von Blindheit oder Sehbehinderungen betroffen, was rund 300.000 Menschen entspricht. In Deutschland gab es im Jahr 2019 76.740 blinde, 51.094 hochgradig sehbehinderte und 452.930 sehbehinderte Menschen.