„Die Schweiz ist das Klein-Europa, das funktioniert. Die EU funktioniert nicht“
Mit scharfer Kritik an der EU wartet Prof. Erich Weede im eXXpress-Interview auf. Die „europäischen Interessen“ dienen meist nur ein paar wenigen, beklagt der Soziologe. Das gelte etwa für die Corona-Zahlungen, die Österreich sehr teuer kommen. Weede hat kürzlich an einer Tagung des Hayek Instituts in Wien teilgenommen.
Oft hört man, es brauche mehr Europa. Sie sind kein Anhänger dieser These. Warum?
Die These „mehr Europa“ wird oft missbraucht, und zwar nicht um gemeinsame europäische Interessen, sondern Partikularinteressen durchzusetzen. Während der Griechenland-Krise wurde mit der These etwa mehr Griechenland-Hilfe durchgesetzt. Das war jedenfalls auf den ersten, oberflächlichen Blick im griechischen Interesse. Ob es im europäischen Interesse war, eine so heterogene Währungsgemeinschaft zu halten, mit soliden Ländern wie den Niederlanden, Österreich und Deutschland, und weniger soliden Ländern wie Griechenland, war aber nicht offensichtlich.
Ich habe nichts gegen mehr Europa, es muss nur „mehr Europa“ sein, das im Interesse von ganz Europa besser funktioniert, und nicht ein Europa, das Transfers von den gut funktionierenden Ländern nördlich der Alpen zu den weniger gut funktionierenden südlich der Alpen durchführt.
Von den Transferzahlungen profitieren nur die armen Länder
Von diesen Transferzahlungen profitieren am Ende nur die armen Länder – oder sind sie letztlich für alle schädlich?
Der Corona-Fonds enthält Auszahlungen von Seiten der EU, die großteils nicht zurückgezahlt werden müssen. Von solchen Transferzahlungen aus den reichen Ländern in die schlechter funktionierenden Länder profitieren die letzteren.
Die Griechenland-Rettung hat möglicherweise allen Beteiligten geschadet. Den Nordeuropäern hat sie geschadet, weil die vergebenen Kredite vermutlich nicht oder mit weniger kaufkräftigem Geld zurückgezahlt werden. Die Griechen haben gleichzeitig die Möglichkeit verloren, abzuwerten. Eine Abwertung hätte dem Land vermutlich geholfen, schneller wieder auf die Beine zu kommen.
Die Schweiz zeigt, wie eine einheitliche Währung in einem multi-nationalen Land funktioniert
Hemmen diese Transferzahlungen Reformen innerhalb der Länder?
Natürlich, das ist ganz klar. Griechenland und Italien haben zu lange über ihre Verhältnisse gelebt, indem sie jahrzehntelang Schulden gemacht haben. Die Griechenland-Rettung oder die Corona-Transfers, vor allem an Italien, bedeuten, dass jene Länder, die durch eigenes Verschulden in Not geraten sind, dafür innerhalb der Währungsunion belohnt werden, und zwar mehrmals. Warum sollten diese Regierungen nun ihre Fehler korrigieren? Wenn wir Kindern, die bei Rot über die Ampel laufen, Schokolade geben, werden sie sich dieses gefährliche Verhalten wohl kaum abgewöhnen.
Die Währungsunion funktioniert also nicht?
Das Problem besteht darin, dass wir eine Währungsunion sind, aber keine Fiskalunion (gemeinsame Steuern und Staatsausgaben). Für eine Fiskalunion ist aber das Niveau der europäischen Länder zu unterschiedlich.
Die Schweiz macht vor, wie eine einheitliche Währung in einem multi-nationalen Land funktioniert. Die Schweiz ist für mich das Klein-Europa, das funktioniert. Das Brüsseler-Europa ist für mich das Großeuropa, das nicht funktioniert.
Europäische Streitkräfte scheitern an Frankreich
Was spricht dann für ein „Großeuropa“?
Wenn wir ein Großeuropa brauchen, dann sind für mich geopolitische Argumente am überzeugendsten. Geopolitisch bringt eine Sozialunion überhaupt nichts. Für ein geopolitisch relevantes Europa bräuchten wir gemeinsame Streitkräfte. Ob das erreichbar ist, hängt vor allem von Frankreich ab, denn das ist die einzig verbliebene Nuklearmacht in der EU.
Russlands Angriff auf die Ukraine hat gezeigt: Die geopolitischen Ferien nach dem Ende des Kalten Krieges sind offensichtlich vorbei. Egal, wie der Krieg in der Ukraine ausgeht, Europa wird sich darauf einstellen müssen, dass an der Ostgrenze von EU und NATO künftig mehr konventionelle Truppen stationiert werden müssen, ähnlich wie das vor 1989 am Eisernen Vorhang der Fall war, und zwar so wie damals unter dem Oberbefehl einer Nuklearmacht. Nun könnten die Amerikaner wegen der Systemrivalität zu China immer weniger Neigung haben, konventionelle Truppen in Europa in vorgeschobener Position im Baltikum und in Ostpolen zu stationieren. Deshalb wären europäische Streitkräfte schon sehr gut, die über eine noch auszubauende Nuklear-Streitkraft, sowie über eine beachtliche konventionelle Stärke verfügen.
Nur ich sehe nicht die Bereitschaft von Paris, den Oberbefehl über die Nuklearstreitkräfte Richtung Brüssel zu verlagern. Da das nicht geschieht, sehe ich nicht, weshalb Staaten wie Deutschland, die wirtschaftlich stark, aber militärisch schwach sind, ein Interesse haben sollten, mehr Europa zu finanzieren.
Prof. Dr. phil. Erich Weede (80) ist emeritierter Professor der Soziologie der Universität Bonn. Er studierte Psychologie an der Universität Hamburg und absolvierte ein Zweitstudium der Soziologie und der Politikwissenschaft an den Universitäten Bochum, Mannheim und Northwestern (Illinois, USA). 1970 Promotion und 1975 Lehrbefugnis in Politischer Wissenschaft an der Universität Mannheim. 1978 bis 1997 Professor für Soziologie an der Universität Köln, danach bis 2004 ordentlicher Professor für Soziologie an der Universität Bonn.
Kommentare
Ich halte die These für gefährlich mehr Truppen an den Ostgrenzen stationieren zu wollen und sehe in Russland keine Gefahr für den Frieden! Wer sich ansieht wie viel Mühe Russland damit hat, die Ukraine nieder zu ringen, der erkennt darin Schwäche. Russland wird Jahrzehnte benötigen sich von diesem Krieg zu erholen. Statt immer mehr Truppen zu stationieren sollte man Russland in eine europäische Friedensarchitektur einbinden. Das geht nur über Verhandlungen und einen Rückzug der Noto von den russischen Grenzen. Man sollte russische Ängste ernst nehmen und abbauen statt sie durch mehr Waffen zu verschärfen. Man sollte eine Atommacht nicht so lange unter Druck setzten bis sie mit dem Rücken zur Wand steht.
Weil die EU ein künstlich erschaffenes Konstrukt ist, das versucht verschiedene Ethnien, Kulturen, Denkweisen, Lebensanschauungen unter Zwang auf Linie zu bringen. Genauso gut könnte man im Tiergarten Schönbrunn alle Käfige aufreißen und sagen “So, ihr fresst, sauft und kackt jetzt alle dasselbe”.
Sehr gut erkannt und formuliert… Vor allem ist der Zwang, wenn ein kleines Land einem größeren widerspricht, dass man auf Linie bleiben muss, sonst werden EU Gelder gekürzt ein absolutes Unding! Es ist Zwang-EU, wo nur 2 Länder das Sagen haben!
Oooooohhhh wie wahr, so einen vernünftigen Bericht habe ich schon lange nicht mehr gelesen oder gehört, wundert mich das ihr das veröffentlichen dürft.
Mit demokratischen Mitteln kommen wir nicht aus der EU raus, weil sie nicht zur Wahl steht. Es ist eine unabwählbare Vereinigung, die über die Köpfe der Europäer hinweg entscheidet, ganz gleich was wir wollen, per Definition genau das, was eine Autokratie ist. Das ist nicht das, als was sie uns “verkauft” wurde und eigentlich glatter Wahlbetrug an unseren Müttern und Vätern. Daher ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie entweder zerbricht und uns mit ins Elend stürzt oder mit Gewalt von den Europäern gestürzt wird. Das sind die einzigen zwei Möglichkeiten, denn keines der bisherigen Großreiche war je von Dauer. Diesen Irrtum hatten schon die alten Römer begangen. Die hielten das römische Reich ebenso für too big to fail. Die Situation vor dem Zerfall des römischen Reiches war haargenau dieselbe.
Guter Beitrag , danke !! Sie haben recht – das Römische Reich war genau so dekadent, ließ den Grenzschutz außer Acht, ließ innere Unruhen beiseite liegen, und wandelte sich rasch zu der vorfeudalen “antiken” Gesellschaft – so wie es nun die EU auch tut !! Die Griech. Demokratie war zudem ja auch kein Idealzustand, wie man weiß – und genau zu dieser entwickelt sich diese EU ! Und leider sind auch die Humantypen in der Führung ähnlich den damaligen Figuren…. ! 🙁 🙁
Schnell raus aus diesem Verein, gemeinsam mit anderen – nur weg von DEU , FRA , BEL , NL , PL !! Die Ukraine wird ohnehin bald aufgeteilt ! 🙂
Mit dem Unterschied, dass das Römische Reich fast 1000 Jahre gehalten hat. Das schafft die EU höchstens mit einer Null weniger.