Endlich ist es wieder so weit: Nach der Corona-bedingten Absage im Vorjahr startet heute mit dem ersten Halbfinale der Eurovision Song Contest 2021. Das Beste dazu gleich vorneweg: Die spannende Show soll tatsächlich wieder vor Saal-Publikum stattfinden! Aus Rücksicht auf Corona-Schutzmaßnahmen zwar begrenzt auf 3.500 Fans live vor Ort, aber immerhin – und besser als nichts! Denn noch gilt all das unter Vorbehalt und hängt es neben der aktuellen Corona-Entwicklung vom de facto in allerletzter Sekunde erfolgenden Entscheid der holländischen Regierung gemeinsam mit der sendungsverantwortlichen EBU (European Broadcasting Union) ab. Austragungsland sind also die Niederlande, Austragungsort ist die Stadt Rotterdam. 39 Nationen treten unter dem diesjährigen Motto „Open up“ („Öffne dich“) an, darunter auch Österreich. Das Finale steigt am 22. Mai um 21.00 Uhr.

Eurovision Song Contest 2021, der Countdown läuft – Zeit für eine kleine Vorschau

Der heurige Song Contest zeigt sich schon im Vorfeld von seiner schönsten Seite – und das gleich doppelt! Die erste Seite ist, nicht die “üblichen Verdächtigen“ wie etwa Schweden gehören zum Favoritenkreis, sondern diesmal sind es die ewigen „Underdogs“, jene Länder, die sich bisher in der Regel mit einer eher bescheidenen Punktezahl und damit eher keinen so guten Song Contest Platzierungen begnügen mussten. Die zweite schöne Seite, ein Großteil der Favoriten und viele Teilnehmer aus den einzelnen Nationen werden ihren Song in ihrer jeweiligen Landessprache singen, anstatt auf Englisch. Diese zweite, schöne Seite hat ihren Ursprung übrigens in einer Reglement-Änderung, die zu Ende der Neunzigerjahre vorgenommen wurde. Gemäß dieser Änderung entfiel per sofort die verpflichtende Regel, wonach der jeweilige Titel eines Landes in dessen Landessprache geschrieben und gesungen werden müsse. Lag aber nicht gerade darin für viele die große Anziehungskraft des Wettsingens und war nicht genau das der ganz spezielle Reiz, den der Song Contest ausmachte? Denn so viele Sprachen hat diese Erde und wie wenige Möglichkeiten im Vergleich dazu bieten sich, ein Lied einmal in rumänischer oder bretonischer Sprache zu hören? Gleich einer guten Laune der Natur heraus und vor allem auch den neuen, nachwachsenden Generationen geschuldet, die im Anderssein das Besondere sehen und im Bunten das Schöne erkennen, kehren viele Teilnehmerländer zur alten Tradition zurück, und reichen Beiträge in ihrer jeweiligen Landessprache beim Song Contest ein. Der spezielle Reiz, die so große Anziehungskraft kehren also zurück und damit Flair und Charme von etwas weltweit Einmaligem und Einzigartigem wie es der Song Contest ist. Von seiner besten Seite wird sich jedenfalls das staatliche niederländische Fernsehen zeigen. Alleine die veröffentlichten Bilder der Bühne für den Eurovision Song Contest 2021 lassen eine spektakuläre Show erwarten, wo sämtliche verfügbaren Register für höchstklassige Live-Fernsehunterhaltung gezogen werden.

Und das sind auf Basis von Buchmachern, Wettquoten, Eurovisions-Experten und meinen bescheidenen Einschätzungen die Favoriten für den Eurovision Song Contest 2021:

Als Top-Favorit gilt die SCHWEIZ mit einer außergewöhnlichen, musikalisch höchst anspruchsvollen, melodisch schwer eingänglichen Ballade, gesungen in französischer Sprache. Titel: „Tout l’univers“ („Das ganze Universum“). Interpret: Gjon’s Tears. Gewänne diese Nummer für die Schweiz, es würde zeigen, dass sich beim Song Contest nicht selten Qualität vor Quantität durchsetzt. Überhaupt gibt es, das ist an den Ergebnissen der letzten paar Jahre deutlich abzulesen, geradezu eine Art Trend in Richtung mehr musikalischer Qualität und Authentizität. Die Schweiz würde diesen Trend als Sieger nahtlos fortsetzen.

Weiters mit zum Kreis der Favoriten zählt ISLAND mit einem ins Ohr gehenden, abwechslungsreichen Popsong, der den Titel „10 years“ trägt. Seit 1986 ist Island beim Song Contest dabei. Bei insgesamt 33 Teilnahmen seit damals reichte es aber noch nie für einen Sieg. Würde Island im heurigen Jahr also wirklich gewinnen, es wäre eine echte Sensation.

FRANKREICH, das in vielen der vergangenen Jahre zu den Schlusslichtern im Endergebnis gehörte, wird 2021 ebenso zu den Favoriten für Platz 1 gezählt. Eine Favoritenrolle, welcher ich persönlich nicht so recht glauben will. Zu oft machte sich Frankreich mit großartigen Beiträgen ebenso große Hoffnungen, zu oft folgte am Ende bittere Enttäuschung. 2021 ist es Barbara Pravi, die ein dramatisches Chanson mit einschmiegsamem Refrain und dem Titel „Voilà” für ihr Land auf die Bühnenbretter schmettern wird.

MALTA hat mit einem Swing-Song Außenseiter-Chancen auf den Sieg. „Destiny“ heißt die Interpretin, die mit „Je me casse“ („Ich breche“) auf eine gute Laune-Nummer setzt. Bereits seit 1971 nimmt Malta am Wettbewerb teil. Passiert tatsächlich genau fünfzig Jahre später das Unglaubliche und holt Malta zum ersten Mal den Sieg? Laut Buchmachern, Wettquoten und Eurovisions-Kennern scheint es mehr als je zuvor im Bereich des Möglichen. Platz 1 für Malta glich in jedem Fall ebenso einer echten Sensation wie ein Sieg Islands.

Zum erweiterten Favoritenkreis zählen außerdem ITALIEN (furchtbarer Metal-Song) und BULGARIEN (träumerische, emotionale Melodie mit einer echten Power-Stimme als Begleitung).

Zwei ganz persönliche Geheimtipps für den Sieg beim Song Contest 2021 hätte ich noch mit im Gepäck: LITAUEN und ASERBAIDSCHAN. Nicht, weil mir diese Songs unbedingt gefallen, sondern weil sie erfahrungsgemäß den typischen Charakter eines Eurovision-Siegertitels mitbringen.

Apropos „Gefällt mir“: Es hat mittlerweile schon fast Tradition, dass jener Beitrag, der das Meiste an persönlichem Gefallen bei mir findet, weit abgeschlagen im hinteren Drittel des Teilnehmerfeldes landet. Erlauben Sie mir, ihn trotzdem zu verraten. 2021 ist es für mich der Beitrag aus NORD-MAZEDONIEN. Er heißt „Here i stand“. Das völlig Überladene dieses Songs ist es, was seine besondere Schönheit und eigentümliche Faszination ausmacht. Ein Barockstück an Musik, das manche wohl schnell von Kitsch oder einer Schmalz-Nummer sprechen lässt. Große Orchester-Begleitung, ein ganzer Chor an Background-Vocals für den hymnenhaften Refrain und ein Interpret („Vasil“) mit pompöser Stimmgewalt obendrauf. Mehr geht wirklich nicht! Weniger an guten Punkte-Prognosen aber auch nicht. Im Teilnehmerfeld gilt Nord-Mazedonien als weit abgeschlagen. Aber selbst wenn, meine persönlichen 12 Punkte bekommt Nord-Mazedonien trotzdem!

Wer im Feld der Teilnehmer 2021 außerdem noch positiv auffällt ist IRLAND: Nach Jahren herrschender musikalischer Dürre, heuer endlich wieder mal ein Song, der das Zeug hat, im vorderen Feld mit dabei zu sein. 

PORTUGAL: Sicher die markanteste Stimme des Abends.

SPANIEN: Eine der schönsten Balladen, die wir heuer zu hören bekommen werden, gesungen in spanischer Landessprache.

Und ÖSTERREICH? Unser Land bringt alles mit, was es für den Song Contest eigentlich braucht. Mit Vincent Bueno einen erstklassigen Sänger mit ausgebildeter Musical-Stimme, der eine starke Bühnenpräsenz und charismatisches Auftreten mitbringt. Auch unser Beitrag „Amen“ ist von erstklassiger Qualität und wurde vom Besten, was der Markt derzeit an Produzenten zu bieten hat, hergestellt und produziert. Dennoch sehen Musikkritiker ein großes Manko: den Refrain. Zu plump und musikalisch einfältig gestrickt, besteht er aus einer gesanglichen Kurzformel, samt permanenter Wortwiederholung von „Amen“. Ich persönlich sehe den Refrain ebenso als eine Schwachstelle, meine dazu aber auch, dass die insgesamte Qualität des Songs, vor allem dessen Aufbau und dramaturgischen Verlauf, den schwachen Refrain ziemlich gut ausmerzen kann. Fazit: Auch wenn uns Buchmacher und Co im hinteren Feld der Platzierten einreihen, rechne ich zumindest mit dem Einzug ins Finale. Und ist es einmal ins Finale geschafft, kann alles passieren! Das Losglück war uns jedenfalls hold und hat Österreich in das zweite, in diesem Jahr „leichter“ zu meisternde Halbfinale geschickt. Dieses steigt am 20. Mai.

Wem übrigens das Anhören aller 39 Beiträge zu viel ist, die Eurovision hat einen eigenen Recap veröffentlicht, indem alle 39 Beiträge in knapp 14 Minuten vorgestellt werden. Hier geht’s zum Recap:

Und: Was wäre ein Song Contest, so ganz ohne kleine und größere Skandälchen bereits im Vorfeld und erst recht im Live-Wettbewerb selbst? Alles dazu morgen im eXXpress!

Unser Song Contest-Experte Stefan Petzner (40) war Pressesprecher Jörg Haiders, Generalsekretär und stellvertretender sowie geschäftsführender Bundesobmann des BZÖ. Von 2008 bis 2013 vertrat er seine Partei als Abgeordneter und stellvertretender Klubobmann im Nationalrat. Danach machte sich Petzner als Kommunikations- und PR-Berater selbstständig. Petzner gilt als Kenner und Experte des Eurovision Song Contest und veröffentlicht dazu regelmäßig Berichte, die eine Vorschau auf den kommenden Song Contest bieten und vor allem auch eine Liste der Favoriten auf Basis Petzners Expertise beinhalten. 2021 ist es der eXXpress, in dem Petzner seine Vorschau auf den Eurovision Song Contest 2021 veröffentlicht und eine Vorstellung der Favoriten für den Sieg vornimmt.