Quadcopter-Drohnen wurden für Film- und Fotoproduktionen entwickelt, ebenso für die Landwirtschaft und für die Freizeit. Dass sie auch als Waffen im Krieg sehr effektiv sein können, erkannte eine ukrainische Eliteeinheit namens Aerorozvidka. Sie ist mittlerweile wichtiger Bestandteil der ukrainischen Landesverteidigung gegen die russischen Streitkräfte – und weltweit ziemlich einzigartig.

Mitglieder der Aerorozvidka präsentieren eine fertig gestellte KampfdrohneTwitter

Aus Marktwaren werden Waffen gebastelt

30 Hacker, Drohnen-Piloten und sonstige Freiwillige mit Interesse an Technik gehören der Aerorozvidka an. Die IT-Kämpfer waren zuvor in unterschiedlichen Berufen tätig. Die Waffen, die sie verwenden, sind zum Teil frei im Handel erhältlich. Eine Spezialität der Einheit: frei erhältliche Drohnen für den Militäreinsatz umrüsten.

Ausrüstung der EliteeinheitAerorozvidka

Die Drohnen werden für Beobachtungs- wie auch Angriffsmissionen verwendet. Besonders häufig kommen sie in der Nacht zum Einsatz. Da werfen sie aus der Dunkelheit Bomben auf russische Fahrzeuge ab. So haben sie bereits Panzer, Raketenstellungen und Vorposten der russischen Armee zerstört.

Zwei besonders prestigeträchtige Siege dürften ebenfalls auf das Konto dieser höchst ungewöhnlichen, von Spendern unterstützten Spezialeinheit gehen: Eines ihrer zwölf Meter breiten Miniaturflugzeuge soll bei der Versenkung des russischen Schlachtkreuzers Moskwa eine entscheidende Rolle gespielt haben. Und: Die Aerorozvidka-Einheit konnte in den ersten Wochen der Invasion den 64 Kilometer langen russischen Konvoi stoppen, der die Hauptstadt Kiew angreifen sollte.

Der Gründer ist Investmentbanker, er wurde getötet

“Wir sind jetzt alle Soldaten, aber unsere Wurzeln liegen in anderen Arbeitsbereichen”, sagt Mykhailo, Vorstandsmitglied und Leiter der Kommunikationsabteilung von Aerorozvidka, gegenüber “Business Insider”. “Einige von uns haben einen Doktortitel. Einige haben einen Masterabschluss. Einige kommen aus der IT-Branche und vielen anderen Sparten. Was uns verbindet, ist der Wunsch, diesen Krieg zu gewinnen.”

Nachdem Putin im Jahr 2014 die Krim annektiert hat und die beiden Regionen Luhansk und Donezk ihre Unabhängigkeit erklärten, haben sich erstmals Freiwillige zusammengeschlossen, um das ukrainische Militär mit Drohnenaufklärung zu unterstützen. Der Gründer von Aerorozvidka ist Volodymyr Kochetkov-Sukach – ein Investmentbanker und vierfacher Vater. 2015 wurde er bei einem Einsatz im Donbass getötet.

Teuer – aber immer noch günstiger als fertige Waffen

Die teuerste Drohne ist die Oktokopter R-18, die von dem Team vollständig umkonstruiert wird. Jeder Bau kostet 20.000 Dollar. Damit ist sie allerdings immer noch günstiger als Panzerabwehrraketen wie die NLAW, die 40.000 Dollar pro Stück kosten. Und das ist nicht ihr einziger Vorteil.

Eine komplett neu hergestellte R-18 Oktokopter-Drohne, gebaut von den IT-Spezialisten der Aerorozvidka-Einheit.Aerorozvidka

Die R-18 kann im Gegensatz zu den NLAWs auch mehrfach eingesetzt werden – solange sie nicht durch russischen Beschuss beschädigt wird. Ihre Reichweite beträgt vier Kilometer, die Flugzeit 40 Minuten. Sie kann fünf Kilo schwere Bomben abwerfen.

20 Stunden am Tag sind die Drohnen für Aufklärung oder Kampf im Einsatz.

Auch militärische Drohnen werden verwendet, und hier nimmt die Diversität zu. Zum Arsenal gehören chinesische DJI-Drohnen und Autel-Drohnen, französische Parrot-Drohnen, die in der Türkei gefertigte Kampfdrohne Baykar Bayraktar TB2, die Vector-Drohne Quantum Systems aus Deutschland sowie US-amerikanische Switchblade-Drohnen.

Erfolgreiche Einsätze in der Nacht

Die Eliteeinheit führt täglich rund 300 Aufklärungsmissionen durch und hat ihrem Sprecher Mykhailo zufolge “dutzende, möglicherweise Hunderte” russischer Einsatzfahrzeuge zerstört. Des nachts sind die Wärmebildkameras der Drohnen von Vorteil. Deshalb führt Aerorozvidka auch ihre Einsätze auch meist in der Dunkelheit durch.

Die Einheit Aerorozvidka setzt sich aus dem Drohnenteam, dem Delta-Team und einem Cybersicherheitsteam zusammen. Delta ist ein webbasiertes Situationserkennungssystem, das eine Karte von russischen Angriffszielen erstellt. Dabei stützt es sich auf unterschiedliche Informationsquellen, unter anderem Aufklärungsflüge des Drohnenteams. Die Einheit profitiert von Elon Musks Starlink-Satellitensystem, das bei Internet- oder Stromausfällen für eine sichere Verbindung sorgt.

Ein Netzwerk aus Freunden und Unterstützern hilft

Die Nichtregierungsorganisation ist auf Crowdfunding und Spenden angewiesen. Das ist nicht die einzige Herausforderung. Ein Großteil des Equipments der Truppe unterliegt strengen Ausfuhrkontrollen. Daher sind die Drohnenbauer dem “Guardian” zufolge auf ein Netzwerk aus Freunden und Unterstützern angewiesen. Diese kaufen die Teile im Ausland und verschicken sie an die Ukraine per Post.

Mittlerweile erhalten die 30 IT-Experten aufgrund ihrer Erfolge auch Unterstützung von der ukrainischen Armee und von dem Digitalministerium. Mehrheitlich wird die gesamte Operation der Einheit aber nach wie vor aus Spenden finanziert.