Vier Männer werden verdächtigt, den verheerenden Anschlag auf die Stadthalle Crocus bei Moskau am vergangenen Freitag verübt zu haben. Ihre Identität ist mittlerweile bekannt. Alle sind Tadschiken, stammen aus der Unterschicht und verfügen über wenig Bildung. Einer der Verdächtigen soll Friseur gewesen.

In einem Verhör spricht einer der mutmaßlichen Attentäter davon, dass er ein Honorar in der Höhe von knapp 5000 Euro für den Anschlag erhalten haben soll. Das wäre für tadschikische Verhältnisse nicht wenig. Der Mindestlohn in Tadschikistan beträgt 47 Euro pro Monat.

Ein Konzert-Besucher soll einen Terroristen überwältigt haben

Nun sollen sie die vier Männer bis zum 22. Mai in Untersuchungshaft bleiben. Einer der mutmaßlichen Terroristen soll noch vor Ort von einem Besucher überwältigt worden sein. Seine Aussage soll den russischen Ermittlern maßgeblich geholfen haben beim Aufspüren der weiteren Verdächtigen. In einem Interview spricht der anonym bleibende Russe davon, wie er einen der vier Terroristen überwältigen konnte.

Ein Video von der Verhaftung der vier mutmaßlichen Terroristen zirkuliert mittlerweile ebenfalls.

Terror-Experten: Spur führt zum Islamischen Staat Provinz Khorasan

Bereits mehrfach für sich reklamiert hat den Anschlag die Terrormiliz Islamischer Staat. Dabei legte sie auch Aufnahmen der Attentäter vor, bei denen es sich um dieselben Männer handeln dürfte, die im russischen Fernsehen gezeigt werden.

Westliche Sicherheitsbehörden und Experten halten das Bekenntnis für glaubhaft und vermuten den IS-Ableger Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) hinter dem Anschlag.

Drei weitere Verdächtige in Untersuchungshaft

Die russische Justiz verhängte am Montagnachmittag Untersuchungshaft gegen drei weitere Beteiligte. Das Basmanny-Bezirksgericht der russischen Hauptstadt traf diese Entscheidung, wie die Staatsagentur TASS berichtete. Damit befinden sich nun sieben Terrorverdächtige in Untersuchungshaft. Insgesamt waren nach dem Anschlag am vergangenen Freitag elf Verdächtige festgenommen worden. Die vier mutmaßlichen Haupttäter waren schon am Sonntagabend vor dem Haftrichter erschienen.

Putin sieht Verbindung zu Ukraine, Kiew und Washington dementieren energisch

Putin und andere russische Vertreter sehen hingegen die Ukraine in das Verbrechen verstrickt. Zweifel an der offiziellen Version näherte auch die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa: „Achtung – eine Frage an das Weiße Haus: Sind Sie sicher, dass es ISIS war? Könnten Sie darüber noch mal nachdenken?“, schrieb sie in der Zeitung „Komsomolskaja Prawda“. Die USA verbreiteten das Schreckgespenst des IS, um von ihren „Mündeln“ in Kiew abzulenken.

Marija Wladimirowna Sacharowa (Bild) sieht ebenfalls eine Spur, die nach Kiew führt.

Allerdings hat Moskau für diese Vorwürfe bisher keine Beweise vorgelegt. Kiew bestreitet die Anschuldigungen energisch. Auch das Weiße Haus wies die Aussagen zu angeblichen Verwicklungen der Ukraine als „Propaganda des Kremls“ zurück. Putin und seine Kumpanen im Kreml versuchten, einen Weg zu finden, der Ukraine die Schuld zuzuschieben, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag in Washington.

Es gebe keine Verbindung zur Ukraine. Dies sei ein Anschlag, der von Kämpfern der Terrormiliz Islamischer Staat verübt worden sei, sagte Kirby weiter. „Punkt. Ende des Satzes, Ende der Geschichte – keine Verbindung zur Ukraine.“ Putin versuche nur, den anhaltenden Angriffskrieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby (Bild), weist die russischen Anschuldigungen entschieden zurück.APA/AFP/MANDEL NGAN

Verletzungen an Gefangenen als Machtdemonstration?

Als die mutmaßlichen Täter am Sonntag von Polizisten und Geheimdienstlern ins Moskauer Basmanny-Gericht gebracht wurden, fielen sofort ihre schweren Verletzungen auf. In sozialen Netzwerken kursierten Videos, die zeigen sollen, wie die mutmaßlichen Attentäter gefoltert wurden und einem von ihnen gar ein Ohr abgeschnitten wurde. Drei der vier Verdächtigen hätten sich für schuldig erklärt, hieß es vom Gericht.

Die Verdächtigen wurden schwer verwundet vorgeführt.Sefa Karacan/Anadolu via Getty Images
Die mutmaßlichen Terroristen wurden gefoltert, kritisieren Menschenrechtler.Sefa Karacan/Anadolu via Getty Images

Menschenrechtler verurteilten die mutmaßliche Folter der Tatverdächtigen durch russische Sicherheitskräfte. „Die Antwort auf Barbarei darf nicht Barbarei sein”, teilte die russische Vereinigung „Komanda protiw pytok“ (deutsch: Team gegen Folter) am Montag mit. Überdies könnten erzwungene Geständnisse die Ermittlungen in eine ganz falsche Richtung führen.

Leonid Wolkow, ein Vertrauter des kürzlich im Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny, zeigte sich davon überzeugt, dass die Aufnahmen die Öffentlichkeit auf Anweisung von ganz oben erreicht hätten. Dass der Machtapparat seine eigene Grausamkeit so demonstrativ zur Schau stelle, sei neu, schrieb Wolkow im Nachrichtendienst Telegram. So solle wohl abgelenkt werden vom “Versagen der russischen Geheimdienste” vor dem Anschlag, sagte er.

Möglicherweise wollte der Kreml absichtlich die Männer in diesem Zustand vorführen, meint ein russischer Oppositioneller.Sefa Karacan/Anadolu via Getty Images
Den Männern wird der schwerste Terroranschlag in Russland seit 20 Jahren zur Last gelegt.Sefa Karacan/Anadolu via Getty Images

Kremlsprecher Dmitri Peskow kündigte für den Abend ein Treffen von Präsident Wladimir Putin mit Vertretern verschiedener staatlicher Behörden an, bei dem über weitere Maßnahmen diskutiert werden soll. Zu den Hintergründen des Angriffs auf die Konzerthalle äußerte sich Peskow nicht.