Seit Beginn der Pandemie ist gemeinsames Singen in größeren Gruppen unmöglich geworden. Nun sind die Auswirkungen für Chöre in Form von finanziellen Sorgen, Nachwuchsproblemen und rückläufiger Mitgliederzahl spürbar geworden. Die Studie “Chormusik in Coronazeiten” (CHoCo) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstatt (KU) zeigt, in welchen Bereichen das Chorleben im deutschsprachigen Raum trotz zahlreicher kreativer und coronakonformer Ansätze am meisten gelitten hat. Auch die Wiener Sängerknaben sind schwer betroffen und bangen nun um ihre Existenz.

Kommt jetzt das große Chor-Massensterben?

Die Chormusik ist seit Ausbruch der Coronakrise von einem Mitgliederschwund bedroht: “Die Zahl der aktiven Sängerinnen und Sänger bei den befragten Chören ist während der Pandemie deutlich rückläufig. Nur weniger als ein Drittel konnte die ursprüngliche Mitgliederzahl beibehalten. Besonders ausgeprägt ist der Verlust bei den über 580 befragten Nachwuchs-Chören. Von diesen existiert de facto fast jeder achte Kinder- und Jugendchor nicht mehr”, berichtet Studienleiterin Kathrin Schlemmer. Rund 60 Prozent aller befragten Ensembles erwarten, dass sie auch in der Zeit nach der Pandemie nicht mehr in früherer Besetzungsstärke weiterarbeiten werden. 15 Prozent fürchten sogar einen deutlichen Rückgang des Interesses von Sängerinnen und Sängern durch die lange Zwangspause.

Trotz zahlreicher kreativer Ansätze für die coronakonforme Chorarbeit wie digitale Proben, Singen im Freien oder in größeren Räumen werde nur ein kleiner Teil der Ensembles erreicht, hieß es in der Studie. Gleichzeitig seien die Proben mit einem enormen Mehraufwand für die Verantwortlichen verbunden. Die Online-Befragung ergab außerdem, dass mit reduzierter Mitgliederzahl und stark rückläufigen Proben- und Auftrittsmöglichkeiten die Qualität der Ensembles spürbar nachlasse. Die Frage nach der aktuellen musikalischen Verfassung wurde von mehr als der Hälfte der Chöre im negativen Bereich beantwortet, ebenso die Frage nach der aktuellen mentalen Verfassung. Lediglich der aktuelle Zusammenhalt der Chöre wurde positiv bewertet.

Chöre bitten um Unterstützung

Um zu retten, was zu retten ist, wünschen sich Chöre nun “Hilfe bei der Finanzierung von Schnelltests, gefolgt von der Unterstützung bei den Honoraren für die Dirigentinnen und Dirigenten, Zuschüsse für Notenmaterial sowie eine Ausfallversicherung bei Konzerten in der aktuell unsicheren Pandemielage, um den Chorbetrieb sicher wieder aufnehmen zu können”, fasst Schlemmer zusammen und ergänzt: “Eine baldige Wiederherstellung des normalen Chorlebens ist zeitnah nicht zu erwarten.”

Die finanzielle Situation beurteilte jeder dritte befragte Chor als eher oder sogar sehr unsicher, da gängige Einnahmen wie etwa Erlöse aus Konzerten fehlen würden. Weitere rund 20 Prozent der Chöre erwarten finanzielle Probleme heuer oder nächstes Jahr. Als Konsequenz daraus ergibt sich, dass viele Chöre beispielsweise ihre oft freiberuflichen Leiterinnen und Leiter nicht mehr oder nur mehr teilweise finanzieren.

Wiener Sängerknaben: "Es geht um unsere Existenz"

Auch einer der traditionsreichsten und sicherlich bekanntesten Chöre im deutschsprachigen Raum, die Wiener Sängerknaben, sind akut von den Folgen der Pandemie betroffen und bitten aktuell dringend um Spenden: “Wir sind ein gemeinnütziger Verein ohne öffentliche Subventionen. Von der aktuellen Krise sind wir besonders betroffen; als Schule und als Künstler: Ohne Auftritte haben wir kein Einkommen, das wir dringend benötigen, um die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen zu finanzieren: Bis heute mussten fast 300 Konzerte abgesagt werden – und die Absagen gehen leider weiter. Normalerweise können wir etwa 70 Prozent unseres laufenden Budgets erwirtschaften – aber ohne Konzerte haben wir kein Einkommen. Ohne Hilfe überleben wir nicht: Es geht um unsere Existenz.”, schreiben die Wiener Sängerknaben auf ihrer Webseite. (APA/red)