Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Eine junge Frau, Tochter einer asiatischen Einwandererfamilie, die in den 80er Jahren aus Taiwan in die USA zieht, das wertvollste Stück Gepäck dabei eine Kiste voller Disketten, auf denen sich eine selbstgeschriebene Datenbank-Software befindet.

Die Eltern des Mädchens sind das, was man heute Start-up-Gründer nennen würde, ihr Feld eines, das damals noch jung und heute eines der wichtigsten und lukrativsten der Welt ist: das Programmieren. Passenderweise lässt sich die junge Familie im Silicon Valley auf, heute Heimat einer der größten Tech-Konzerne der Welt: Die Headquarter von Apple, Google, Facebook und Co. sind hier zuhause. Inmitten dieses Tech-Mekkas wuchs auch das junge Mädchen, die Tochter der taiwanesischen Einwanderer, auf, und mit ihr wuchs das Interesse am Programmieren – das Talent dazu hatte sie schon, es wurde ihr quasi von ihren Eltern in die Wiege gelegt. Der Name dieses Mädchens, das heute eine erwachsene Frau und eine der wichtigsten Figuren des Silicon Valley ist, ist Tracy Chou. Und sie will nun mit der dunklen Seite des Internet aufräumen.

Auf Tuchfühlung mit der dunklen Seite des World Wide Web

Die dunkle Seite des Internets kennt Tracy Chou nämlich leider mindestens genauso gut, wie seine unzähligen Vorteile: “Es ist viel Positives am Versprechen des Internets, jeden mit jedem zu vernetzen, aber dadurch ist auch die Zahl der Leute, die einen belästigen können, enorm gestiegen”, zitiert der Schweizer “Tagesanzeiger” etwa die Frau, die in Tech-Kreisen wirklich jeder kennt – und auch über die Branche hinaus ist Chou keine Unbekannte.

Tracy Chou hat in ihrem Lebenslauf nämlich nicht nur teils sehr illustre Positionen bei Google, Facebook, Quora oder Pinterest, sondern hat sich quasi auch als inoffizielle “Diversitäts-Beauftragte des Internets” einen Namen gemacht: Einerseits weil sie in vielbeachteten Blog-Artikeln unter anderem große Tech-Konzerne dazu aufrief, die Zahlen zu ihren Frauenanteilen offenzulegen, aber auch weil sie selbst mehr als einmal zum Ziel heftiger Anfeindungen wurde.

Tracy ChouTechCrunch / CC BY 2.0

App will Hass aus dem Internet verbannen

Aber eins nach dem anderen: Nachdem ihr Blog-Artikel es bis auf den Schreibtisch von Google-Gründer Larry Page geschafft haben soll, trugen Chous Worte maßgeblich dazu bei, dass Bewegung in die Welt des Internets, das, wie sie aufdeckte, von weißen Männern programmiert worden war, kam. Und diese Bewegung steht erst am Anfang, denn durch die lange, weiße und männliche Entstehungsgeschichte des World Wide Web blieben viele Missstände zu lange unbeachtet und so kam es auch, dass, als Chou diese Stück für Stück aufdeckte, ihr nicht nur eine große Welle an Sympathie, sondern auch ein massiver Schwall an Hass entgegenschlugen. Und die Ironie ist beinah exquisit, denn genau mit den negativen Reaktionen, mit denen sie auch zum Start ihres eigenen Start-up-Projekts namens “Block Party” konfrontiert wurde, will Chou nun Stück für Stück und ein für alle Mal abrechnen: Denn ihr Projekt ist eine App, die Hasskommentare aus dem Internet verbannen will.

“Block Party” setzt da an, wo menschliche Moderation aufhört beziehungsweise versagt: Denn wie Chou in einem Interview mit “Wired” erklärt, ist die Idee der “Moderation” von Inhalten mit einem Grundfehler behaftet, und dieser ist zutiefst menschlich: Es werde von oben herab entschieden, was okay ist und was nicht, aber weil sich die Einschätzung hierzu von Person zu Person stark unterscheide, werde gleichzeitig zu viel und zu wenig herausgefiltert.

"Block Party ist eine Art Internet-Pfefferspray"

“Block Party” funktioniert derzeit nur mit dem Kurznachrichtendienst Twitter,  andere Plattformen sollen aber schon bald folgen. Die App erweitert die plattformeigene Blockierfunktion: So erlaubt es “Block Party”, bestimmte Typen von “giftigen” Inhalten in einen separaten Ordner  zu verschieben. Via individueller Einstellung ist es auch möglich, nur das angezeigt zu bekommen, was Freunde von Freunden schreiben – ein wichtiges Feature, wie Chou meint, ohne das das Internet für viele Menschen sonst “kaum noch benutzbar” sei: “Es gibt einfach zu viel Dreck im Netz. Die Leute brauchen eine Pause von diesem Gift. Nur so lange, bis sie mehr Kontrolle über ihre Online-Erlebnisse haben.”

Chou erklärt “Block Party” als ein “technisches Selbstverteidigungsmittel, eine Art Internet-Pfefferspray”, der leider nötig sei, bis die jeweiligen Plattformen tiefergreifende Überarbeitungen umgesetzt haben und sich eine gesündere Diskussionskultur gebildet habe. Die Nutzer werden nicht verbannt, aber ihnen wird keine Plattform gegeben, Menschen mit “Gift” zu bombardieren, die keine Lust darauf haben, so Chous Idee.