Hausdurchsuchungen im Rahmen der Operation Luxor haben bei einem mutmaßlichen Muslimbruder eine “Feindes-Liste” sichergestellt – der eXXpress berichtete. Namen und Fotos der betreffenden Personen wurden in einer Mappe zusammengetragen, der Besitzer der Mappe stufte die Genannten offensichtlich als Feinde ein. Einige der in der Liste angeführten Personen zeigten sich dem eXXpress gegenüber völlig überrascht, teilweise sogar eingeschüchtert, über ihre Nennung in der Mappe. Keineswegs überrascht ist hingegen der ehemalige Nationalratsabgeordnete Efgani Dönmez (44), der sich medial schon oft gegen den politischen Islam und die türkische Regierungspartei AKP gestellt hat.

Dönmez: "Für mich ist das eine Ehre"

Wie Dönmez anklingen lässt, ist es nicht das erste Mal, dass sein Namen in eigens eingerichteten Dokumentenmappen auftaucht: “Ich werde auf mehreren internen und mittlerweile sichergestellten Listen als Feind geführt”, erzählt er und ergänzt ironisch: “Also, habe ich doch einiges richtig gemacht. Für mich ist dies eine Ehre.” Auf die Frage, ob solche Listen herumwandern, möglicherweise auch zum türkischen Geheimdienst, antwortet er: “Fix. Der türkische Geheimdienst MIT hat in Europa und Österreich ein sehr weit verzweigtes Netzwerk und arbeitet intensiv mit Vereinen und Verbänden aus dem nationalistisch-islamistischen Bereich zusammen.”

Persönliche Drohungen habe er auch schon erhalten: „Es gab nicht wenige. Ich stand temporär unter Polizeischutz als ich noch Nationalratsabgeordneter war.“ Von 2017 bis 2019 war Dönmez Abgeordneter zum Nationalrat, zunächst für die ÖVP, am Ende fraktionslos. Als die Liste erstellt wurde, dürfte er noch für die Grünen im Bundesrat gewesen sein. Er arbeitet als Unternehmensberater.

Hat sich beim politischen Islam nie ein Blatt vor den Mund genommen: Efgani Dönmez.APA/HERBERT PFARRHOFER

Austausch mit Herkunftsland, Einfluss auf Diaspora

Verschiedene islamistische Bewegungen, ob aus der Türkei oder aus dem arabischen Raum, würden untereinander kooperieren, berichtet Dönmez. “Einige stehen mit den Behörden in dem Herkunftsland in engem Austausch und wollen Einfluss auf die Diaspora nehmen.”

Der von Dönmez mehrfach kritisierte türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gilt als einer der wichtigsten Unterstützer der Muslimbrüder. Kaum ein Staatsmann hat sich so offen hinter die Bewegung gestellt. Dem Think-Tank Mena-Watch zufolge beläuft sich die Zahl der Muslimbrüder in der Türkei auf rund 20.000, darunter 500 Führer und Politiker. Türkische Berichte sprechen von 700 Muslimbrüdern, denen die Staatsbürgerschaft verliehen wurde, um sie vor Abschiebung nach Ägypten oder Ausweisung in ein Drittland zu bewahren. Viele könnten demnächst nach Großbritannien reisen oder nach Deutschland, vermutet der ehemalige Führer der Muslimbrüder, Tareq Abu Al-Saad.

Der Türkeiforscher und Journalist Rabab Ahmed meint: “Mitglieder der Bruderschaft mit starken organisatorischen Fähigkeiten können mit einer Aufenthaltsgenehmigung für Studienzwecke oder mit einem Arbeitsvisum nach Europa reisen und in Unternehmen und Institutionen der Bruderschaft unterkommen.”

"Ermittlungen gehen auf eine Handvoll Menschen zurück"

Lange Zeit hätten die österreichischen Behörden nicht auf den Islamismus reagiert, kritisiert Dönmez: “Die Behörden schätzten meine Gefährdungslage sehr abstrakt ein. Bei uns benötigt man anscheinend eine schriftliche Bestätigung vom Gegner, dass man mit dem Tod bedroht wird, damit die Behörden reagieren. Ich hatte in der Vergangenheit zahlreiche Anzeigen getätigt, doch die Staatsanwaltschaften haben nicht mal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.” Efgani Dönmez verweist auf ein aktuelles Beispiel: “Der Auftragsmörder von der ehemaligen Grünen Nationalratsabgeordneten Berivan Aslan wurde gleich außer Landes gebracht und damit die Causa zugeknöpft. Ich habe kein Vertrauen mehr in unsere Behörden.”

Von der Politik und den Behörden ist Dönmez generell enttäuscht: “Die jetzigen Ermittlungen gegen den politischen Islam gehen auf die Arbeit einer Handvoll Menschen zurück, die das Thema überhaupt zum Thema gemacht haben – bis nach zirka 20 Jahren Teile der Politik draufgekommen sind, worum es da geht. Diese Probleme haben viele in der Politik mitverantwortet, weil sie jahrelang diese Herrschaften hofiert haben und nach wie vor hofieren.”

"Der politische Islam ist schlimmer als das Corona-Virus"

Dönmez macht aus seiner Haltung zur Muslimbruderschaft kein Geheimnis: “Dass sie gefährlich ist, eine Strategie verfolgt und bei uns Strukturen aufgebaut hat, um Einfluss auf die Muslime in Österreich und die Politik zu nehmen, ist nichts Neues, zumindest für Insider.” Und er legt mit schweren Vorwürfen nach: “Das Corona-Virus werden wir überleben. Der politische Islam ist schlimmer als ein Virus. Er zerstört Gesellschaften und ist ein Instrument nicht nur die Herkunftsländer zu schwächen und zu destabilisieren, sondern auch Europa und Österreich. Dies haben viele nicht verstanden.”

Auf die Frage, was denn die Behörden tun sollen, nennt Dönmez vier Punkte. Es bräuchte „erstens wissenschaftliche Aufarbeitung, zweitens Erkennen, dass man diesem Problem nicht mit kurzfristigen Maßnahmen begegnen kann, verbunden mit dem Entwickeln von längerfristigen Strategien, indem man der Erzählung der Protagonisten politisch und theologisch mehrere Contras entgegensetzt. Drittens: Man soll jenen Kräften den Rücken stärken, die genau zwischen Religion und der politischen Instrumentalisierung differenzieren. Und viertens: Aufenthaltsbeendigende Maßnahmen und Schengenverbot – Einreiseverbot für die handelnden Akteure.“