Professor Tilman Nagel (81) hat wichtige Standardwerke der Islamwissenschaft verfasst, darunter eine mehr als 1000 Seiten umfassende Biographie Mohammeds. Seit 1989 ist er ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. In seinem neuen Buch „Das islamische Pflichtgebet und der Gebetsruf“ hält er fest: Die Verwirklichung des islamischen Glaubens sei „eine in höchstem Maße politische und gesellschaftliche Pflicht. Sie kann nur in einem islamischen Gemeinwesen erfolgreich ausgeführt werden.“ In einem nicht-islamischen Land habe die „Ausübung der kultischen Pflichten … das Fernziel der Aufrichtung islamischer Macht und Herrschaft“.

„Der Islam herrscht, er wird nicht beherrscht!“ ist nicht nur die Maxime radikaler Muslime

Nagel unterstreicht: „‚Der Islam herrscht, er wird nicht beherrscht!‘ Diese Maxime ist unter radikal gesonnenen Muslimen weit verbreitet. Sie ist aber keineswegs eine Eigenheit ‚radikaler‘ Strömungen. Sie wird von ihnen nur offen ausgesprochen. In der tagtäglichen Ausübung der islamischen Daseinsordnung, etwa im rituellen Gebet und im Gebetsruf, wird diese Forderung stets implizit erhoben, wie in den vorausgehenden Kapiteln vielfach belegt wurde. Unausgesprochen ist sie immer im Leben des Muslims gegenwärtig“.

Der Islamwissenschaftler verweist auf das Buch „Inside Islam. Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird“, für das der Autor, Constantin Schreiber, über acht Monate hinweg deutsche Moscheen besucht und den Inhalt der dortigen Predigten analysiert hat. Dessen Resümee: „Bestenfalls waren die Predigten dichte, religiöse Texte, die die Zuhörer in einer anderen Welt halten, schlimmstenfalls wurde das Leben in Deutschland, Demokratie und unsere Gesellschaft abgelehnt. Ich würde gerne ein positives Beispiel anführen, eine Predigt, die Weltoffenheit ausstrahlt, eine Brücke baut zum Leben in Deutschland. Leider haben meine Moscheebesuche ein solches Beispiel nicht ergeben.“

Nach Ansicht von Prof. Nagel ist das nur „folgerichtig“, und ebenso, dass die Bitten um Gespräche mit den Imamen keine Erfolg hatten: „Warum hätten sie, die Wahrheitsbesitzer, sich mit einem Ungläubigen auf eine Diskussion einlassen sollen?“

Islam soll in Politik und Gesellschaft verwirklicht werden

Nagel hält fest: „Aus dem Besitz der Wahrheit ergeben sich Ansprüche auf deren Verwirklichung in Politik und Gesellschaft; denn kann derjenige, der sich im Besitz gottgegebener Wahrheiten wähnt, tatenlos zusehen, wie die Welt um ihn herum in ‚Unwahrheit‘ versunken ist – in Verhältnisse, die die Scharia aufs Schärfste ablehnt? Jeder Muslim ist dazu berufen, dagegen auf Abhilfe zu sinnen, am besten jedoch dagegen tatkräftig einzuschreiten: ‚Wer von euch etwas Abscheuliches sieht, der soll es mit der Hand abändern. Ist er dazu nicht imstande, dann mit der Zunge. Ist er auch dazu nicht imstande, dann mit dem Herzen – das ist die schwächste [Verwirklichung des] Glaubens.‘ Diese Anweisung soll Mohammed allen Muslimen erteilt haben.“ Das Zitat stamme aus einem vielzitierten Hadith, sagt Nagel. Hadithe befinden sich in der Sunna, der zweiten Quelle des islamischen Rechts, in der die überlieferten Handlungen des Propheten des Islam Mohammed festgehalten sind.

Nagel hält fest: „Die Durchsetzung des ‚Glaubens‘ ist eine in höchstem Maße politische und gesellschaftliche Pflicht. Sie kann nur in einem islamischen Gemeinwesen erfolgreich ausgeführt werden. Das Pflichtgebet und der Gebetsruf sind, wie ausführlich gezeigt wurde, das lebenspraktische Fundament eines solchen Gemeinwesens. Die Ausübung der kultischen Pflichten in einem nichtislamischen Gemeinwesen hat das Fernziel der Aufrichtung islamischer Macht und Herrschaft.“