Kurz nach Wladimir Putins Rede im Kreml wandte sich auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Rede an seine Nation und an alle Verbündete. So wie Putin die Dokumente zur Annexion von Gebieten der Ukraine unterzeichnete,  hat auch Selenskyj am Ende seiner Ansprache ein Schreiben unterzeichnet. Dabei handelt es sich um nichts geringeres als den Antrags der Ukraine auf einen beschleunigten Beitritt zur NATO.

Das unterzeichnete Ansuchen

Selenskyj: "Wir sind de facto Verbündete"

Präsident Selenskyj unterstrich: “Heute, hier in Kiew, im Herzen unseres Landes, machen wir einen entscheidenden Schritt für die Sicherheit der gesamten Gemeinschaft freier Nationen.” Eben sei die Sitzung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates zu Ende gegangen: “Wir haben eine Entscheidung getroffen.”

Die Ukraine kämpfe für die “Werte unserer euro-atlantischen Gemeinschaft”. In der Ukraine entscheide “sich das Schicksal der Demokratie in der Konfrontation mit der Tyrannei”. Damit steht für Selenskyj fest: “Wir sind de facto Verbündete. Das haben wir bereits erreicht. De facto haben wir unseren Weg zur NATO bereits abgeschlossen. De facto haben wir bereits bewiesen, dass wir mit den Standards des Bündnisses übereinstimmen, dass sie für die Ukraine real sind – real auf dem Schlachtfeld und in allen Aspekten unserer Interaktion.”

"Wissen, dass ein beschleunigtes Verfahren möglich ist"

Nun beantrage die Ukraine dieses Faktum auch formell festzulegen “im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens. Wir wissen, dass das möglich ist. Wir haben erlebt, dass Finnland und Schweden in diesem Jahr den Beitritt zum Bündnis ohne einen Aktionsplan für die Mitgliedschaft begonnen haben. Das ist fair. Das ist auch fair für die Ukraine.”

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg (r.) begrüßt Ende Dezember 2021 den Selenskyj während einer Pressekonferenz nach ihrem bilateralen Treffen am Sitz der EU.JOHN THYS/AFP via Getty Images

Fazit: “Sicherheit ist ohne Alternative. Aber es bedarf der Entschlossenheit, sie zu gewährleisten. Mit der Unterzeichnung des Antrags der Ukraine auf einen beschleunigten Beitritt zur NATO machen wir den entscheidenden Schritt.”

Keine Verhandlungen mit Putin

Darüber hinaus bezeichnete Selenskyj die Ukraine als “Vorreiter bei den Verhandlungsbemühungen”. Man habe Russland stets angeboten, “ein Abkommen über die Koexistenz zu fairen Bedingungen zu schließen.” Nur sei das mit dem jetzigen russischen Präsidenten nicht möglich. “Er weiß nicht, was Würde und Ehrlichkeit sind. Deshalb sind wir zu einem Dialog mit Russland bereit, aber mit einem anderen russischen Präsidenten.”

Und: “Das gesamte Gebiet unseres Landes wird von diesem Feind befreit werden.”

Sobald sich ein NATO-Staat im Krieg mit Russland befindet, tritt der Bündnisfall ein

Mögliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine?

Denis Trubetskoy – ein freier Journalist aus der Krim, der für für deutschsprachige Medien in der Ukraine berichtet, meint auf Twitter: “Ob es nun mit einer Mitgliedschaft klappt, darf bezweifelt werden, aber gewisse Sicherheitsgarantien dürften schon durchaus möglich sein.”

Finnland möchte schleunigst der NATO beitreten

Eines steht fest: Sobald die Ukraine NATO-Mitglied ist, tritt im Falle eines Krieges gegen Russland der Bündnisfall ein, wie un Artikel 5 des Nordatlantikvertrags festgehalten. Darin heißt es: “Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen … Beistand leistet”.

Allgemein gilt als Voraussetzung für einen NATO-Beitritt aber, dass der Beitrittskandidat nicht in internationale Konflikte und Streitigkeiten um Grenzverläufe verwickelt sein darf – was auf die Ukraine nicht zutrifft.