Die Netflix-Aktie hat in den vergangenen zehn Jahren eine unglaubliche Anstieg verzeichnet. Das Abonnentenwachstum schien grenzenlos, die Rentabilität verbesserte sich, und die Pandemie lieferte ein weiteres überzeugendes Argument für das Fernsehen daheim. Doch am 19. April 2022 nahmen die Dinge eine drastische Wendung. Netflix legte seine Ergebnisse für das erste Quartal vor. Anstatt wie prognostiziert Abonnenten zu gewinnen, verlor das Unternehmen 200.000. Dies war der erste Rückgang seit mehr als einem Jahrzehnt. Die geschockten Anleger reagierten umgehend und zogen ihr Geld eilig ab.

Analysten von Abo-Rückgang überrascht

Der Einsturz ist enorm: Innerhalb weniger Monate haben Netflix-Aktien die Gewinne von vier Jahren zunichte gemacht. Dafür gibt es mehrere Gründe. Schon vor Bekanntgabe der Ergebnisse hat Netflix den größten Teil seiner pandemiebedingten Gewinne verloren. Dies war zum einen primär auf steigende Zinssätze zurückzuführen, zum anderen auf die geringere Zeit, die zu Hause vor dem TV-Schirm verbracht wird. Dennoch hatten die Analysten mit 2,7 Millionen neuen Netflix-Abonnenten gerechnet.

Nachdem bekannt wurde, dass das Unternehmen stattdessen 200.000 Abonnenten verloren hat, fiel die Aktie schnell unter 200 US-Dollar (das erste Mal seit Ende 2017). Netflix nannte drei Gründe für den Abonnenten-Verlust: die Aussetzung seiner Dienste in Russland, den zunehmenden Wettbewerb und die gemeinsame Nutzung von Konten.

Disney+ und HBO machen Kunden abspenstig

Der Rückzug aus Russland betrifft nicht nur Netflix. Interessant sind Grund zwei und drei. Das zeigt etwa der Vergleich zwischen den Abonnenten von Netflix mit jenen seiner zwei prominenten Konkurrenten: Disney+ und HBO.

Disney+ startete im November 2019, HBO Max erst im Mai 2020. Die Abonnenten von HBO (dem Sender) und HBO Max werden in der Grafik vereint dargestellt. Man sieht: Netflix muss sich erstmals schärferem Wettbewerb aussetzen. Ein Verlust an Abonnenten ist schon eine schlechte Nachricht, noch schlimmer ist sie, wenn Wettbewerber im gleichen Zeitraum Zuwächse verzeichnen.

Noch ist es freilich zu früh zu sagen, ob Netflix tatsächlich an Boden verlieren wird. Das Unternehmen selbst hat gewarnt: Bis Juli könnte es weitere zwei Millionen Abonnenten verlieren.

Fortgesetztes Wachstum in Zukunft fraglich

Das nächste Problem ist die gemeinsame Nutzung von Konten, die nach Angaben von Netflix 100 Millionen nicht zahlende Haushalte umfasst. Diese Zahl verteilt sich auf die ganze Welt. Wenn man aber die Preise des Unternehmens in den USA als Maßstab nimmt, bedeutet das einen Einnahmeverlust von 1 bis 2 Milliarden Dollar.

Der Ausblick für Netflix – und damit für die Aktionäre – ist ungewiss. Zurzeit gibt es keinen Grund für Optimismus. Im Technologiesektor ist Wachstum das A und O. Wenn Netflix in den aufeinander folgenden Quartalen nicht wieder ein Abonnentenwachstum verzeichnet, könnte es viele Jahre dauern, bis die Aktie ihren früheren Höchststand erreicht. Vor allem ist es schwierig, sich ab einer gewissen Zahl an Abonnenten noch weiter zu steigern. Hier scheint es bisher eine Obergrenze zu geben.