Die europäische Grenzschutzagentur Frontex führt die Entwicklung vor allem auf ein taktisches Umschwenken der Schleuser zurück. Sprecher Chris Borowski betonte, dass sich die Netzwerke von Marokko nach Algerien verschieben, da dort weniger strenge Kontrollen vermutet werden. Gleichzeitig würden schnellere Boote eingesetzt, die eine raschere und schwerer zu überwachende Überfahrt ermöglichen.

Borowski stellte zudem klar, dass die Balearen in dieser neuen Dynamik „ihr Hauptziel“ seien. Das Zusammenspiel aus veränderten Routen, neuen Schleusermethoden und geopolitischen Spannungen verschiebt die Migrationsströme – mit spürbaren Folgen für Spanien.

Politische Spannungen zwischen Spanien und Algerien

Die Lage wird durch die angespannte Beziehung zwischen Madrid und Algerien zusätzlich erschwert. Seit Spanien 2022 öffentlich die marokkanische Position im Konflikt um die Westsahara stützte, reagiert Algerien mit diplomatischer Frostigkeit. Der afrikanische Staat nehme seither weniger Migranten aus Spanien zurück. Dadurch verstärkt sich der Druck auf die spanischen Außengrenzen – und auf die Balearen, die immer öfter als direkte Anlaufstelle dienen.

Die Regierungschefin der Balearen, Marga Prohens, reagierte mit einem klaren Appell: Madrid müsse den Schutz der EU-Außengrenzen ausbauen und die Inselregion nicht alleinlassen. Die plötzlich stark steigenden Ankünfte zeigen, wie begrenzt die lokalen Kapazitäten sind – und wie stark sich geopolitische Konflikte unmittelbar auswirken.

Frontex-Daten belegen, dass die westliche Mittelmeerroute – vor allem von Algerien nach Spanien – derzeit das stärkste Wachstum unter allen Migrationsrouten in die EU aufweist.

Auch Kanaren beliebtes Ziel für Migranten

Zwischen Januar und Oktober stiegen die Ankünfte auf dieser Route um 27 Prozent, während die Gesamtzahlen illegaler Grenzübertritte in der EU um 22 Prozent zurückgingen – eine gegenläufige und zugleich hochrelevante Entwicklung.

Die Kanarischen Inseln bleiben ebenfalls einer der am härtesten belasteten Migrations-Hotspots Spaniens. Besonders Migranten aus Westafrika nutzen seit Jahren die extrem gefährliche „westafrikanische Route“ über Mauretanien und den Atlantik.

2023 war diese Route laut Frontex diejenige mit dem größten Anstieg aller EU-Hauptrouten. Und auch 2024 setzt sich der Trend fort. Im Jänner 2024 kamen 7.270 Migranten auf den Kanaren an – fast 13-mal so viele wie im selben Monat des Vorjahres (566). Bis zum 30. Juni sollen es dann insgesamt 19.257 Ankünfte auf 297 Booten gewesen sein – gegenüber 7.213 Migranten auf 150 Booten im Jahr 2023.