Trotzdem möchte ich an dieser Stelle Kritik anbringen:

Ich finde es völlig in Ordnung in einem persönlichen Interview auch seine Haltung und politische Meinung zu äußern. In der Funktion des Teamchefs halte ich dies jedoch für nicht angebracht. Die Trennung von Politik und Sport ist ein Grundprinzip funktionierender Demokratie. Die Grundlage für einen Einsatz im Nationalteam sind sportliche Leistungen und Teamfähigkeit. Die politische Meinung darf hier keine Rolle spielen, das Bekenntnis zu dieser Nation schon. Dasselbe gilt für Sportbegeisterte: Ein Nationalteam spielt für einen Staat und alle Fans unabhängig davon, wen sie wählen. Mit ihren Aussagen in der ZIB2 haben Sie viele Fans des österreichischen Nationalteams persönlich getroffen, sie in ihrem Nationalstolz, der Grundlage für das Mitfiebern mit dem Nationalteam und nicht zu verwechseln mit Nationalismus ist, beleidigt.

Kritik daran wird abgeschmettert und ins rechte Eck gedrängt.

Die FIFA positioniert sich für Vielfalt und Toleranz, vergibt aber die WM an ein Land, wo Homosexualität unter Strafe steht. Im Pride-Month färben viele internationale Konzerne ihre Logos in den Regenbogenfarben. Dies passiert aber nur in der westlichen Welt, in den islamischen Ländern sucht man diese Logos erfolglos. In Deutschland wurden bei Spielen des Nationalteams Stadien in Regenbogenfarben gefärbt, in Katar wird auf die bunte Kapitänsbinde verzichtet.

Vor der Wahl in Frankreich und während der EM in Deutschland positioniert sich Kylian Mbappé politisch und warnt vor einem Rechtsruck in Frankreich, nach der Wahl randalieren linksextreme Gruppen in Paris und anderen Städten.

Im deutschen Nationalteam positioniert sich Antonio Rüdiger mit seinen Instagrampostings, dem Tauhid-Finger am Nationalteamfoto und Allahu Akbar-Rufen nach seinem Tor im Champions League-Halbfinale. Kritik daran wird abgeschmettert und ins rechte Eck gedrängt. Zur gleichen Zeit wird in Hamburg und anderen Städten Deutschlands für die Errichtung eines Kalifats demonstriert, demokratische Werte also offen mit Füßen getreten.

Nach dem Sieg über Österreich jubelt Merih Demiral, der Torschütze der Türkei, mit dem Wolfsgruß, dem Zeichen für eine faschistische türkischnationalistische Organisation, die vom großtürkischen Reich träumt. Lokale werden „Fatih Servet“ (=“Glück dem Eroberer Fatih“) oder „1453“ (Eroberung von Konstantinopel = Gründungdatum des Osmanische Reiches) genannt. Wo bleibt die Empörung? Man stelle sich die Aufregung vor, wenn jemand sein Wiener Beisl „1938“ nennen würde, den Vergleichsnamen zum Eroberer möge man sich denken.

Sport ist der falsche Ort für Politik und Meinungsdiktatur.

Sehr geehrter Herr Rangnick,

Sie haben dazu aufgefordert, auf dem rechten Auge nicht blind zu sein. Ich denke, wir sollten auch auf dem linken Auge nicht blind sein, wenn es um Extremismus geht. Vor allem sollten wir aber dort auf dem rechten Auge nicht blind sein, wo es um nationalistische und auch religiös extremistische demokratiefeindliche Haltungen geht. Seien wir auf allen Augen wachsam, warnen wir vor allen, die unsere liberale und offene Gesellschaft gefährden. Damit sind nicht legale politische Parteien gemeint und schon gar nicht deren Wähler, die sich Sorgen machen und keine andere Möglichkeit sehen.

Zur Klarstellung: Ich bin weder Wähler noch Anhänger von FPÖ, AFD, Ressemblement National oder Fidesz, aber ich stehe für Demokratie und Meinungsfreiheit. Sport ist unglaublich wichtig für Haltung und Charakterbildung, aber Sport ist der falsche Ort für Politik und Meinungsdiktatur.

INFO

Christian Klar (61) ist Schuldirektor in Wien

– Lehrer in verschiedenen Schulen
(Hauptschule, jüdische Privatmittelschule, Polytechnische Schule, Pädagogische Hochschule)

– Seit elf Jahren Schulleiter einer öffentlichen Wiener Mittelschule („Brennpunktschule“)