EZB senkt erneut Leitzins: Balance zwischen Wirtschaftswachstum und Inflationsgefahr
Nach der dritten Zinssenkung im Jahr 2024 stellt sich die Frage, ob die Europäische Zentralbank den Kurs fortsetzt oder abwartet, um eine erneute Inflationsgefahr zu vermeiden.
Am 12. September 2024 senkte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins zum dritten Mal in diesem Jahr und setzte ihn auf 3,5 % herab. Diese Entscheidung markiert einen weiteren Schritt in der geldpolitischen Neujustierung, die im Juni 2024 begann. Vor dem Hintergrund schwacher Wachstumszahlen und der nachwirkenden Inflationssorgen im Euroraum stellt sich die Frage: Ist eine weitere Zinssenkung zu erwarten, oder wird die EZB zunächst abwarten?
Einige Ökonomen und Marktbeobachter fordern eine rasche Fortsetzung der Zinssenkungen, um die angeschlagene Wirtschaft im Euroraum wieder anzukurbeln. Sie argumentieren, dass niedrigere Zinsen die Kreditaufnahme vergünstigen, den Konsum stärken und Investitionen beflügeln könnten.
Das Magazin Les Echos kommentiert: „Klare Signale können Vertrauen schaffen.“ Eine kontinuierliche Lockerung würde langfristig zur Stabilisierung der europäischen Wirtschaft beitragen und könnte das Vertrauen in die Konjunktur stärken.
Risiken eines vorschnellen Zinsrückgangs
Auf der anderen Seite warnt eine Reihe von Fachleuten vor den Risiken zu rascher Zinssenkungen. Die EZB hat sich zwar verpflichtet, die Inflation nachhaltig auf das 2 %-Ziel zurückzuführen. Ein überhasteter Kurs könnte dieses Ziel jedoch gefährden und die Inflationsraten erneut antreiben.
Eine vorschnelle Zinssenkung birgt die Gefahr, dass die gerade erst gebremste Inflation wieder aufkeimt. Kritiker weisen darauf hin, dass die EZB ihre Entscheidungen mit Bedacht treffen müsse, um mögliche Preisblasen zu vermeiden. El País hebt hervor: „Zu niedrige Zinsen führen häufig zu exzessiver Risikobereitschaft an den Märkten.“ Eine zu starke Lockerung könnte langfristig zu einer Blasenbildung und damit zu Instabilität führen – eine Lektion, die die jüngste Finanzkrise eindringlich lehrte.
Christine Lagarde und die Suche nach Balance
EZB-Präsidentin Christine Lagarde steht zunehmend unter Druck, den aktuellen geldpolitischen Kurs zu verteidigen. Kritiker werfen der Zentralbank vor, in der Vergangenheit zögerlich auf wirtschaftliche Veränderungen reagiert zu haben. El País urteilte: „Die EZB-Politik war zu lange zu straff und reagierte zu zaghaft auf den wirtschaftlichen Abschwung.“ Lagarde hingegen betont die Notwendigkeit einer vorsichtigen Balance zwischen Wachstumsförderung und Inflationskontrolle, um das Vertrauen in den Euroraum zu bewahren und gleichzeitig der Wirtschaft Raum zur Erholung zu geben. „Es braucht Geduld und Disziplin, um nachhaltige Stabilität zu sichern,“ sagt sie und verweist auf den langfristigen Kurs der EZB.
Angesichts dieser Faktoren steht die EZB vor einer komplexen Entscheidung: Soll sie die Zinswende konsequent fortsetzen oder abwarten, um den langfristigen Kurs zu stabilisieren? Ein maßvoller Ansatz könnte das Gleichgewicht zwischen Inflation und Wirtschaftswachstum sichern und zugleich eine Überhitzung verhindern. Denn während eine zu voreilige Zinssenkung kurzfristig Erleichterung schaffen könnte, birgt sie ebenso die Gefahr steigender Inflationsraten.
Die kommenden geldpolitischen Entscheidungen der EZB werden entscheidend für den Euroraum sein: Sie bestimmen nicht nur, ob die wirtschaftliche Erholung an Fahrt gewinnt, sondern auch, ob das Inflationsziel nachhaltig erreicht werden kann.
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