Größter Betrug von Silicon Valley: US-Milliardärin drohen 20 Jahre Haft
Sie wurde als neuer Steve Jobs gefeiert. Heute vergleicht man sie eher mit Bernie Madoff, einem der größten Betrüger der US-Geschichte. Elizabeth Holmes konnte unzählige Investoren und sogar zwei ehemalige US-Außenminister von einer Wundererfindung überzeugen, die sich am Ende als Schwindel entpuppte. Nun drohen ihr 20 Jahre Haft.
Bill Clinton und Barack Obama, die beiden Ex-US-Außenminister Henry Kissinger und George Shultz, Medientycoon Rupert Murdoch – sie alle zählten zu ihren Fans. Elizabeth Holmes, die Gründerin von Theranos, verstand es Prominente, zahlungskräftige Investoren und die Finanzwelt zu begeistern. Sie galt als Startup-Wunderkind, die ein hoch-innovatives Produkt entwickelt hatte. “Machen Sie sich keine Sorgen um die Zukunft. Wir sind in guten Händen”, meinte Ex-US-Präsident Bill Clinton mit Blick auf Holmes’ Technologie noch im September 2015.
Auch sechs Jahre später gilt Holmes noch als tatsächlich hochtalentiert, aber das primär wegen ihrer ungewöhnlichen manipulativen Fähigkeiten, die gleichzeitig auf eine krankhafte Psyche hindeuten. Ab 31. August muss sich die heute 37-Jährige im kalifornischen San Jose wegen Betrugs vor Gericht verantworten. Ihr drohen bis zu 20 Jahre Haft. Zuerst wegen Corona, dann wegen der Geburt ihres Sohnes im Juli musste der Gerichtsverfahren verschoben werden.
Eine Revolution für die Medizinindustrie, die verheißungsvoll klang und das große Geld versprach
Wovon Investoren wie Öffentlichkeit die längste Zeit nichts geahnt hatten: Das Produkt, das die junge Unternehmerin angeboten hat, funktionierte nie. Es sollte eigentlich die Medizinindustrie revolutionieren. Ein einziger Tropfen Blut sollte reichen, um Blutbilder zu erstellen und Therapien zu steuern – eine Riesenhoffnung für Millionen Menschen und ein extrem lukratives Geschäft.
Holmes’ “Edison”-Apparat – benannt nach dem Erfinder Thomas Edison – sollte eine wahre Wundermaschine sein, in der Lage, 200 verschiedene Tests durchzuführen. Zunächst käme ein Tropfen Blut des jeweiligen Patienten in eine kleine Kapsel namens Nanotainer, und von dort in den Edison, der binnen weniger Stunden das Resultat per Email an Patienten wie Praxen schickt. Das alles sollte wie von selbst funktionieren – ohne Spitzen, Ampullen, Transporte, Labors. “Nie wieder soll jemand sagen müssen: hätte ich das bloß früher gewusst”, erklärte Holmes. Es klang wunderschön, viele witterten das ganz große Geld – doch es war eben zu schön um wahr zu sein.
Die Geschichte ist filmreif. Enthüllt wurde sie nach und nach vom investigativen Journalisten John Carreyrou vom Wall Street Journal, der dafür mehrere Journalistenpreise erhalten hat. Bereits mit 19 Jahren wurden Elizabeth Holmes Unternehmerin. Nach nur einem Semester brach sie das Chemiestudium an der Elite-Uni Stanford ab. Blitzschnelle und spottbillige Bluttests, die allen zugänglich sind – das klang verführerisch, vor allem wenn es eine junge, charismatische Frau vorträgt. Sie trainierte sich dabei eine tiefere Stimme an – um eine Oktave – weil Frauen weniger Aufmerksamkeit erhalten, wenn sie in höheren Tonlangen sprechen.
800 Angestellte, ein 9 Milliarden US-Dollar schweres Unternehmen und die "jüngste Selfmademilliardärin"
Binnen eines halben Jahres schaffte sie es bereits sechs Millionen Dollar von Investoren zu bekommen – Summen, von denen andere Startup-Gründer nur träumen können, vor allem in so kurzer Zeit. Im Juli 2011 holte Holmes den vormaligen US-Außenminister George Shultz in den Aufsichtsrat von Theranos. Dieser gewann in den Folgejahren weitere Ex-Politiker und -Militärs für das Gremium, darunter Henry Kissinger. Schon bald tüftelten hunderte von Chemiker und Techniker in ihrem Unternehmen, nächtelang. Ein beispielloser Höhenflug begann: Theranos beschäftigte 800 Angestellte, Forbes schätzte das Unternehmen auf 9 Milliarden US-Dollar.
Doch der gesamte Erfolg der “jüngsten Selfmademilliardärin der Welt” fußte auf einem Bluff. Mehr als zwölf Analysen schaffte der Apparat nicht. Theranos konnte nie ein funktionierendes Produkt auf den Markt zu bringen. Die vollmundigen Ankündigungen der Firma haben sich nie erfüllt.
Der ebenso rasche Absturz – und eine stets kontrolliert bleibende Elizabeth Holmes
2015 verkaufte Theranos 40 “Edison”-Apparate an die zweitgrößte Apothekenkette der USA. Der “Erfolg”: zahlreiche Fehlresultate, teils mit gefährlichen Folgen für die Patienten. Dann ging es Schlag auf Schlag: 2016 verbot die amerikanische Aufsichtsbehörde Holmes die Arbeit in oder an einer Firma für Labortechnik. 2018 wurde die meisten der verbliebenen 125 Mitarbeiter gekündigt, wenig später wurde Theranos endgültig geschlossen.
Bis heute liegt kein Schuldeingeständnis von Holmes vor. Sie bestreutet auch, in böser Absicht gehandelt zu haben. Einer der Anwälte der Geschädigten hatte bereits die Gelegenheit, Elizabeth Holmes intensiv zu befragen. “Sie war die ganze sechsstündige Befragung über ruhig und absolut kontrolliert. Das schaffen die wenigsten”, erzählte er dem “Telegraph”. Ihr Auftreten erinnerte den erfahrenen Anwalt vor allem an eine Person: Bernie Madoff, verantwortlich für den größten Schneeballsystem-Betrugsfall der USA.
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