Inflation hat auch ihre guten Seiten: Südländer konnten massiv Schulden abbauen
Da staunt man nicht schlecht. Während Privathaushalte und Firmen unter der galoppierenden Inflation ächzten und sich verschuldeten, konnten ausgerechnet hochdefizitäre Staaten wie Griechenland, Italien und Portugal ihre Schuldenberge zuletzt drastisch abbauen. Deutschland dagegen gelang das nicht.
Die Verschuldung vieler Eurostaaten ist in den vergangenen zwei Jahren drastisch zurückgegangen, weit stärker sogar, als es die EU-Regeln erfordern. Besonders erfolgreich bei der Senkung der Schuldenquote waren ausgerechnet hoch verschuldete Länder wie Griechenland, Italien oder Portugal.
Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass dies gar nicht so überraschend ist. Vielmehr gibt es mehrere gut erklärbare Effekte, die hier wirken. Die Entwertung der Schulden durch die Inflation ist einer davon. Doch noch wichtiger sind die gute Konjunktur und die Haushaltsüberschüsse in diesen Ländern. Genau hier schwächelt aber beispielsweise Deutschland, weshalb der deutsche Schuldenrückgang deutlich geringer ausfiel.
2020, als die Corona-Pandemie begann, hatten alle europäischen Staaten mit umfassenden Hilfspaketen reagiert, finanziert auf Pump. Gleichzeitig fiel die Wirtschaft in ein tiefes Loch, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sackte entsprechend ab. Zusammen ergab dies einen dramatischen Anstieg der Verschuldung in Relation zur Wirtschaftsleistung.
Inflation lässt Schulden dahinschmelzen
Die Schuldenquote stieg in Griechenland von 180 auf 206 Prozent, in Italien von 134 auf 155, in Portugal von 117 auf 135 Prozent. Doch inzwischen ist diese neueste Schicht des Schuldenberges schon wieder zu einem guten Teil abgetragen, wie von Zauberhand verschwunden, und in einigen Staaten sogar noch mehr.
So stand Italien am Ende des dritten Quartals 2022 (neuere Daten sind noch nicht verfügbar) bereits wieder bei 147 Prozent, Portugal bei 120 Prozent und Griechenland sogar bei 178 Prozent – tiefer als vor der Corona-Pandemie. Bis Ende 2022 dürften die jeweiligen Zahlen sogar noch deutlich weiter gesunken sein. Die Ratingagentur Fitch geht für Griechenland von 170 Prozent aus und hat die Bonität des Landes daher gerade hochgestuft.
Natürlich hat die Inflation ihren Anteil daran, denn das nominale BIP steigt allein durch die höheren Preise, und da sich damit die Zahl im Nenner von allein vergrößert, sinkt auch die Schuldenquote. Allerdings ist dieser Effekt geringer, als man vermuten würde. Er erklärt weniger als die Hälfte des Verschuldungsrückgangs in der Eurozone, wie Daniel Kral, Ökonom bei der Wirtschaftsanalysefirma Oxford Economics, bei einer Analyse der Daten festgestellt hat. „Viel wichtiger als die Inflation war für den Schuldenabbau die starke Erholung der Wirtschaftstätigkeit nach der Pandemie“, sagt er.
Südländer hui, Deutschland pfui
In der Eurozone wuchs die Wirtschaft 2022 ersten Schätzungen zufolge um 3,5 Prozent. Italiens Konjunktur lief noch besser mit einem Plus von 3,9 Prozent – und das ist nicht das erste Mal. „Italiens Wirtschaft übertrifft die der anderen seit Ende 2019“, sagt Felix Hüfner, Chefvolkswirt Europa bei der UBS. Teilweise sei das für 2022 durch die Überweisungen aus dem Wiederaufbaufonds der EU zu erklären. Aber gleichzeitig litt die italienische Wirtschaft auch weniger unter den Lieferkettenproblemen als die beispielsweise deutsche, da sie weniger von der Autoindustrie abhängig ist.
Portugal kam 2022 mit 6,7 Prozent sogar auf das stärkste Wachstum seit 35 Jahren. Einen ähnlichen Wert dürfte Prognosen zufolge Griechenland auch erreicht haben. Beide Länder profitieren vom Tourismusboom und sind weit weniger von der Energiekrise betroffen.
Demgegenüber stieg die deutsche Wirtschaftsleistung lediglich um 1,8 Prozent. Die Verschuldung Deutschland verringerte sich denn auch nur von 68 auf 66,6 Prozent des BIP. Vor der Corona-Pandemie hatte die Quote bei rund 59 Prozent gelegen.
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