Inflation, Zinssenkungen und geopolitische Krisen belasten Zentralbanken
Die zukünftige Entwicklung der Geldpolitik wird stark von der aktuellen Inflationslage und den Reaktionen der Zentralbanken, insbesondere der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Federal Reserve (Fed), beeinflusst. Doch wie wird sich die Geldpolitik generell weiter entwickeln? Der Experte und Top-Ökonom Mohamed El-Erian äußert sich zu den möglichen Szenarien.
Nur wenige Wochen nach der Zinswende in den USA sehen sich Investoren gezwungen, ihre Erwartungen an den zukünftigen Kurs der Notenbank erneut zu revidieren. Mohamed El-Erian warnt davor, den Sieg über die Inflation voreilig zu erklären: „Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht beendet“, betont der renommierte Kapitalmarktexperte im Gespräch mit dem Handelsblatt. Insbesondere die jüngst stark gestiegenen Ölpreise, ausgelöst durch die Eskalationen im Nahen Osten, befeuern den anhaltenden Preisdruck. Auch die Kosten im Dienstleistungssektor könnten wieder anziehen, wie Analysten vermuten. Neue Inflationsdaten aus den USA werden am Donnerstag erwartet und könnten weitere Aufschlüsse geben.
Die unerwartet starken Arbeitsmarktdaten in den USA haben erneut eine Debatte über die Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft entfacht. El-Erian geht davon aus, dass die Fed zukünftig moderatere Zinsschritte vornehmen wird, als zunächst prognostiziert.
El-Erians Kritik an der Fed und den bevorstehenden Zinssenkungen
El-Erian hebt besonders die ungewöhnliche Entscheidung der Fed hervor, den Zinssenkungszyklus mit einem markanten Schritt von 0,5 % einzuleiten, obwohl die US-Wirtschaft in guter Verfassung war und weiterhin sei. Er verweist auf die beeindruckenden Arbeitsmarktdaten, die den robusten Zustand der Wirtschaft bestätigen. Allerdings äußert er auch Kritik: Zinssenkungen so kurz vor der Wahl könnten als politisch motiviert interpretiert werden.
Darüber hinaus warnt El-Erian vor den anhaltenden Verzerrungen auf den Finanzmärkten, die durch die expansive Liquiditätspolitik der Fed verursacht werden. Diese habe die Märkte zunehmend von der realen Wirtschaft entkoppelt. Trotz der bestehenden geopolitischen Risiken bleiben die Märkte stabil, was El-Erian auf das sogenannte „Liquiditätsregime“ zurückführt – eine Art Absicherung für Investoren, die wie eine unsichtbare Versicherung fungiert.
Politische und wirtschaftliche Implikationen der US-Wahl
In Bezug auf die bevorstehende US-Wahl verweist El-Erian auf die inflationären Risiken der Wirtschaftsstrategien beider Kandidaten. Während Donald Trump auf protektionistische Zölle setzt, fokussiert sich Kamala Harris auf internationale Industrieprogramme. Beide Ansätze könnten die Staatsverschuldung erhöhen und langfristig inflationäre Spannungen erzeugen, was wiederum negative Folgen für die US-Wirtschaft hätte. Dennoch sieht El-Erian den US-Dollar im internationalen Vergleich weiterhin als die stabilste Währung.
Inflationslage in Deutschland und Österreich: Rückgang auf Mehrjahrestiefs
Auch in Europa gibt es bemerkenswerte Entwicklungen. Die Inflationsrate in Deutschland sank im September 2024 auf etwa 1,6 %, den niedrigsten Stand seit Februar 2021. Im Vormonat lag die Rate noch bei 1,9 %. Die Verbraucherpreise blieben im Vergleich zum August unverändert, was auf eine ausgebliebene monatliche Teuerung hindeutet.
In Österreich zeigt sich ein ähnliches Bild: Die Inflation fiel im September 2024 auf rund 1,8 % im Vergleich zum Vorjahresmonat. Auch hier handelt es sich um den niedrigsten Wert seit Februar 2021, als die Teuerung bei 1,2 % lag.
Die aktuelle Inflationsentwicklung bietet zwar einen Hoffnungsschimmer, doch angesichts globaler Unsicherheiten, geopolitischer Spannungen und struktureller Herausforderungen bleibt abzuwarten, wie sich die Geldpolitik in den kommenden Monaten gestalten wird.
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