Wohnkrise: Südeuropas enorme Leerstandsquoten
Während die Debatte um Ferienvermietungen wie Airbnb die Schlagzeilen beherrscht, bleibt ein mindestens ebenso drängendes Problem weitgehend unbeachtet: die gigantischen Leerstandsquoten in Südeuropa. Städte wie Lissabon, Paris und Athen zählen zehntausende unbewohnte Wohnungen.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. In Lissabon stehen rund 48.000 Wohnungen leer – mehr als doppelt so viele wie die registrierten 20.000 Ferienwohnungen. Ähnlich sieht es in Paris aus, wo auf 90.000 Kurzzeitvermietungen 145.000 Leerstände kommen. Athen übertrifft diese Zahlen sogar: 150.000 unbewohnte Wohnungen stehen nur rund 22.000 Ferienunterkünften gegenüber.
Warum Eigentümer leerstehen lassen
Der Grund für diese Leerstände ist nicht immer offensichtlich. Manche Wohnungen sind schlicht unbewohnbar und ihre Eigentümer können sich die Renovierung nicht leisten. In anderen Fällen blockieren Erbengemeinschaften Entscheidungen über die Nutzung. Aber auch restriktive Mietgesetze spielen eine große Rolle. Juan Velayos, Immobilienexperte aus Madrid, erläutert geegnüber dem Handelsblatt: „Niemand lässt seine Wohnung freiwillig leerstehen, aber rigide Regelungen machen es oft unattraktiv, zu vermieten.“
Spanien führte kürzlich neue Mietgesetze ein, die Mietverträge für Privatvermieter auf mindestens fünf Jahre festlegen. Mieterhöhungen sind zudem stark gedeckelt. Das schreckt viele Eigentümer ab, wie Velayos verdeutlicht.
Politik: Anreize und Strafen mit mäßigem Erfolg
Regierungen in Südeuropa setzen auf einen Mix aus steuerlichen Anreizen und Strafen, um Leerstände zu reduzieren. Griechenland bietet Zuschüsse von bis zu 13.330 Euro für Renovierungen an, während Vermieter in Spanien bis zu 90 % ihrer Mieteinnahmen von der Steuer absetzen können, wenn sie an junge Menschen vermieten oder die Miete senken.
Doch die Realität bleibt ernüchternd. In Frankreich stieg die Zahl der Leerstände in den letzten drei Jahrzehnten um über eine Million. Selbst direkte Appelle an Eigentümer zeigen wenig Wirkung. Von 100.000 kontaktierten Besitzern leerer Wohnungen in Frankreich erklärten sich lediglich 2.400 bereit, ihre Immobilie zu vermieten.
Die paradoxe Rolle des Staates
In Portugal ging die sozialistische Regierung 2023 einen radikalen Weg: Sie beschloss, dass der Staat leerstehende Wohnungen administrativ übernehmen kann, um sie als Sozialwohnungen zu nutzen. Doch nur wenige Monate später kippten die neu gewählten Konservativen diese Regelung. In Spanien und Griechenland wächst derweil der Druck auf Banken und Fonds, die große Immobilienbestände halten und oft auf Preissteigerungen spekulieren. Die spanische Regierung erlaubt es Gemeinden, die Grundsteuer auf solche Wohnungen um bis zu 150 % zu erhöhen, wenn sie über zwei Jahre leer stehen.
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