Über so manche Nöte heimischer Unternehmer kann man sich auf der Website des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands (SWV) ein genaues Bild machen – teilweise ein sehr genaues. Die sozialdemokratische Interessensvertretung hat im Jänner 2021 eine eigene Homepage eingerichtet, auf der unzufriedene Selbständige ihre Notlage schildern können. Die Betroffenen warten meist auf Zusagen von Corona-Entschädigungen (etwa Garantien, Fixkostenzuschüsse, Ausfallsbonus, Lockdown-Umsatzersatz). Ihre Berichte werden dann von der Website direkt der hierfür zuständigen staatlichen Finanzierungsagentur Cofag zugestellt. Soweit, so gut. Das ist sicherlich im Sinne der Betroffenen.

Fraglich ist aber, ob es auch im Sinne der Betroffenen ist, dass nicht nur ihre 390 Beschwerdenachrichten auf der SWV-Homepage (Stand 23. April) nun öffentlich aufscheinen, sondern in einigen Fällen auch ihre Namen, Steuernummern, Emailadressen, teils sogar Handynummern.

Egger: "SPÖ missbraucht brenzlige Lage der Unternehmer"

Ob Hotelier, Friseur, Pizzeria-Betreiber oder Kunsthandwerker: Der Website-Besucher lernt nicht nur ihr Schicksale näher kennen – etwa auf welche Beträge sie noch warten, wie viel Geld gerade fehlt, wie jetzt die Hausbank aushilft, inwiefern die Mitarbeiter noch bezahlen werden und so weiter – sondern in einigen Fällen auch höchstpersönliche Daten, die in den Berichten vorkommen.

Christoph Matznetter ist SPÖ-Wirtschaftssprecher und Vorsitzender des SWVAPA/ROLAND SCHLAGER

Der ÖVP-Wirtschaftsbund ist deshalb empört: “Die brenzlige Lage von hunderten Unternehmern wurde von der SPÖ missbraucht, um dann stümperhaft mit ihren hochsensiblen Daten umzugehen”, erklärt Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger. So wolle der SWV wohl seinen Newsletter-Verteiler auffetten, mutmaßt Egger. “Das ist eine bodenlose Sauerei.” Egger fordert von Christoph Matznetter, dem SWV-Präsidenten: “Matznetter muss für diese Sauerei die Verantwortung tragen und sich bei den betroffenen Unternehmern entschuldigen!“

Betroffene stimmen "anonymisierter" Veröffentlichung zu

Beim SWV weist man im Gespräch mit dem eXXpress darauf hin, dass die Betreffenden zunächst ihr Einverständnis für die Veröffentlichung ihrer Nachricht geben müssen. Tatsächlich stimmen sie dabei der Datenschutzerklärung (DSVGO) zu, und erklären sich auch damit einverstanden, “dass meine Nachricht anonymisiert auf dieser Website veröffentlicht wird”. Ob die Veröffentlichung daher immer zulässig war, oder ob hier ein Verstoß gegen die DSVGO vorliegt, kann nicht von vornherein festgestellt werden. Dies hängt primär von der persönlichen Zustimmung jedes Einzelnen zu der Veröffentlichung ab. Ob diese hier immer gegeben war, ob die Betreffenden die Angaben auf der Homepage so verstanden haben und daher nun wissen, dass ihre Angaben dort aufscheinen, müsste in jedem einzelnen der mehreren hundert Fälle nachgeprüft werden.

Das Wort “anonymisiert” wirkt irreführend, denn sobald der Betreffende im Bericht Name, Steuernummer, eventuell sogar Handynummer angibt, scheint alles auch auf, ungekürzt und öffentlich. Nach Absenden der Nachricht erhält man ein “Vielen Dank! Ihre Nachricht wurde verschickt”, ohne Bestätigungsemail oder Möglichkeit, den Wunsch nach Veröffentlichung zu bekräftigen oder zurückzuziehen.

SWV will einige Berichte löschen

Andererseits stellt sich die Frage, ob die öffentliche Preisgabe so persönlicher Informationen den Genannten auch schadet, selbst wenn sie das freiwillig tun. Beim SWV räumt man ein, dass dies nicht Sinn und Zweck der Homepage war, und eigentlich auch nicht erwünscht sei. Man wollte etwas anderes darstellen, nämlich die Menge an Notlagen, die zurzeit besteht. Vereinzelt habe man daher Nachrichten wegen konkreter Angaben zur Person gelöscht. Das wolle man nun neuerlich tun.

Einzelne Betroffene sprechen sich in ihren Berichten offenkundig ihre Wut und Verzweiflung von der Seele. Im Finanzministerium unterstreicht man dazu: Von den 361.000 im vergangenen Jahr eingelangten Anträgen – 346.000 davon per Telefon, der Rest per Email – wurden bis heute 99,6 Prozent beantwortet. Für die Auszahlung ist die eigens eingerichtete Cofag zuständig. Gemäß den aktuellen Zahlen auf der Cofag-Homepage wurden in einzelnen Bereichen – bei Garantien, Fixkostenzuschuss und Lockdown-Umsatzersatz – zwischen 94 und 99,8 Prozent der Anträge  genehmigt.

Unterschiedliche Gründe für Verzögerungen

Dass sich Genehmigungen verzögern oder ausbleiben, kann unterschiedliche Gründe haben, sagt der Nationalratsabgeordnete Andreas Ottenschläger (ÖVP), der dem Beirat der Cofag angehört, gegenüber dem eXXpress. Oft müsse aufgrund von Umgründungen der Sachverhalt neu geprüft werden, zuweilen seien Ergänzungsgutachten des Finanzamtes ausständig, bei größeren Fällen gebe es einen Deckel nach oben.

Unklar ist, ob sich einige der 390 aufgelisteten Anfragen auf der SWV-Homepage seit Jänner bereits erübrigt haben, weil sie beantwortet und die entsprechenden Beträge schon an sie ausgezahlt wurden.