Still ist es geworden, um diesen Terroranschlag, der die Energie-Versorgung Westeuropas dauerhaft gefährdet und der Russischen Föderation Milliarden an Einnahmen kostet: Am 26. September, also vor knapp einem Monat, detonierten vier Sprengsätze an den Erdgas-Pipelines Nord Stream 1 und 2, von den vier Leitungen des russischen Energiekonzerns Gazprom wurden drei zerstört.

Die Aufregung war groß – und die Schlagzeilen, dass Russland selbst hinter dem Anschlag auf Europas Energie-Versorgung stecken könnte, noch größer. Was wäre also die logische Folge? So rasch als möglich mit dem Maximum an Personal festzustellen, wer tatsächlich hinter den Terrorattentaten stecken könnte. Doch es lief ganz anders ab.

Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskov wertete die Vorwürfe, dass Russland die Pipelines gesprengt haben soll, als "unlogisch".

Pannen bei erster Visite am Tatort

Gleich zum Start der Ermittlungen stritten sich die Ostsee-Anrainerstaaten darum, ob es eine gemeinsame Ermittlungs-Spezialeinheit geben sollte – bis dann Schweden absagte. Dann waren die deutschen Kriminalisten endlich bereit, mit Kampftauchern zum Tatort südlich der Insel Bornholm zu reisen: Sie mussten dann vor Ort feststellen, dass Spezialgerät fehlte und wieder ergebnislos in den Heimathafen zurückfahren . . .

Bisher dürfte nur eine Unterwasser-Drohne tatsächlich am Tatort in 70 Metern Tiefe gewesen sein: Die dänische Zeitung Expressen sponserte den Tauchgang und die Filmaufnahmen. Sonst blieb es still. Selbst 30 Tage nach den Explosionen haben die dänischen und deutschen Terrorfahnder im aktuell größten Kriminalfall kein Ermittlungsergebnis vorlegen können: Keine Satellitenfotos mit möglicherweise verdächtigen Schiffen in Tatortnähe, keine Sonar-Aufnahmen von U-Booten direkt oder kurz vor den Explosionen – nichts.

Die Terroristen, die mit 100 Kilo Semtex, also mit einem militärisch verwendeten Sprengstoff, drei Pipelines zerstören konnten, wurden in einer der am dichtest befahrenen See-Regionen südlich von Bornholm nicht gesehen und nicht von den schwedischen U-Boot-Warngeräten geortet.

Die Tatorte in der Ostsee.

Sabotage-Team eines Staates?

Top-Experten analysierten kürzlich auf der hochinteressanten Website sprengtechnik.de, wie es zu diesem Anschlag gekommen sein könnte. Sie lieferten zwei wichtige Erkenntnisse: Es musste ein Sabotage-Team eines Staates gewesen sein, nur Spezialkräfte einer Marine und Waffentaucher hätten Zugang zu kiloweise Plastiksprengstoff vom Typ Semtex.

Zitat aus dem Bericht: “Die Beschädigungen befinden sich in einer Wassertiefe von etwa 70 Metern. Berufs- und Waffentaucher können in solchen Tiefen auch in der Ostsee arbeiten. Daher ist es durchaus vorstellbar, mit einer angelegten Sprengladung die Beschädigung herbeizuführen.”

Der politische Druck auf die dänischen und deutschen Ermittler in diesem Spionage-Thriller dürfte jedenfalls von Tag zu Tag steigen: Das sie endlich Hinweise auf die Täter liefern – oder aber, dass doch noch etwas langsamer an diesem spektakulären Fall gearbeitet wird.