Der Vorschlag lässt die Wogen hochgehen: EVP-Vorsitzender Manfred Weber und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU) fordern einen Flugzeugträger für die EU – der eXXpress berichtete. Prof. Markus Kerber schüttelt den Kopf. „Das ist eine etwas wirre Idee!“, sagt er gegenüber dem eXXpress.

Schon die Herstellung sei hochkompliziert und sündteuer, gleichzeitig seien dafür nationale Staaten zuständig, nicht die EU. Praktisch könnte so ein EU-Flugzeugträger bestenfalls für humanitäre Zwecke verwendet werden, doch dafür zahle er sich nicht aus. Speziell Deutschland bringe er nichts. Die Deutsche Bundeswehr brauche im Übrigen völlig andere Waffen.

Prof. Markus Kerber bei eXXpressTVeXXpressTV

Prof. Kerber lehrt Finanzwissenschaften und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin und leitet das Institut für Verteidigungstechnologie, Streitkräfteökonomik und Geopolitik e.V.

Für die Verteidigung sind die einzelnen Staaten zuständig

EVP-Chef Weber hatte gemeint: Wir müssten uns als EU „selbst verteidigen“ können. Ein gemeinsamer europäischer Flugzeugträger habe eine „wichtige Signalwirkung“, behauptete Söder. Kerber weist die Argumentation zurück. Erstens sei die Verteidigungsaufgabe „eindeutig nationale Angelegenheit und wird im EU-Vertrag ausgeklammert.“ Allerdings könnten verschiedene Staaten dabei miteinander kooperieren.

CSU-Chef Manfred Söder meint, ein Flugzeugträger der EU hätte eine wichtige Signalwirkung.

Dann verweist Kerber auf die sehr spezifische Funktion von Flugzeugträgern weltweit. Sie erfüllen für verschiedene Staaten sehr konkrete Zwecke. „Ein Flugzeugträger ist die ‚souveränste‘ aller Angriffsplattformen. Mit ihm kann man Flugzeuge überallhin bringen, damit sie von dort aus Luftangriffe auf beliebige Standorte ausführen. Sie sind eine schwimmende Plattform, damit man unabhängig vom Raum jedes beliebige Ziel angreifen kann. Das ist einzigartig. Das können Fregatten, Flieger oder Landstreitkräfte nicht.“

Flugzeugträger müssen permanent von U-Booten beschützt werden

Die USA haben 13 Flugzeugträger, mit denen sie überall Angriffe ausführen können, ob auf hoher See oder auf dem Land. „Der verstorbene US-Außenminister Henry Kissinger sagte einmal: Ohne Flugzeugträger hätte er keine Krise meistern können. Beispielsweise wenn es Probleme mit dem libyschen Führer Muammar al-Gaddafi gab, bewegten die USA einen Flugzeugträger in die Nähe Libyens und ließen von dort aus ihre Kampfjets aufsteigen – außerhalb des libyschen Flugraums. Dann wusste Gaddafi, dass er nun den Bogen nicht länger überspannen darf.“

Außenminister Henry Kissinger (l.) im Gespräch mit US-Präsident Gerald FordAPA/AFP

Flugzeugträger können überall hinfahren und das mit höchster Geschwindigkeit. Die dafür benötigte Technologie ist hochkompliziert. „Der französische Flugzeugträger Charles de Gaulle ist etwa um die 40.000 Tonnen schwer.“ Doch ein Flugzeugträger ist niemals allein unterwegs. „Sofern ein Flugzeugträger nicht atomgetrieben ist, benötigt er Versorgungsschiffe um ihn herum. Werden diese Schiffe zerstört, dann können die Brennstoffvorräte des Flugzeugträgers nicht ersetzt werden. Darüber hinaus müssen alle Flugzeugträger durch U-Boote geschützt werden. Ansonsten können sie von feindlichen U-Booten und Torpedos zerstört werden. Dafür reicht ein Torpedo aus.“

Flugzeugträger sind nur selten allein unterwegs und werden überdies immer von U-Booten beschützt. Möglicherweise stellt man sich das in Bayern etwas zu leicht vor.Getty

Enorme Schwierigkeiten sieht Kerber bei der praktischen Umsetzung: „Ein ‚europäischer‘ Flugzeugträger muss unter einer hoheitlichen Flagge fahren. Die gibt es nicht. Dafür bräuchte man ein Hoheitszeichen. Das hat die EU nicht. Wenn man so einen Flugzeugträger gemeinsam baut, müsste man dieses Problem des Hoheitszeichens klären. Noch größer ist das Problem dann beim Einsatz: Der lässt sich nicht europäisieren. Er könnte nur humanitären Zwecken diene, und dafür zahlt er sich nicht aus.“

„Ein unterkomplexer Vorschlag für eine komplexe Technologie“

Eines steht fest: Bayern – und von dort stammt der Vorschlag – hätte von einem solchen Flugzeugträger nichts. Prof. Markus Kerber: „In Bayern gibt es keine Werften. Ein Flugzeugträger nützt Bayern nichts. Entweder er wird er von den Franzosen hergestellt oder für deutsche Werften hergestellt, doch die haben bisher keine Flugzeugträger. Nur Hermann Göring wollte einmal einen Flugzeugträger bauen, der vor der Fertigstellung zerstört wurde. Deutschland hat also noch nie einen Flugzeugträger gebaut. Ohne sich von jemandem das Know-How zu holen, wird das schwierig.“

Wer also sollte diesen EU-Flugzeugträger dann bauen – und mit wessen Geld? „Die Franzosen wollen bestenfalls französische Flugzeugträger mit deutschem Geld bauen. Dafür gibt es den französischen Hersteller Naval Group DCN.“

Prof. Markus Kerber hält fest: „Kurz und bündig: Webers Vorschlag ist ein unterkomplexer Vorschlag für eine komplexe Technologie, der komplett am unmittelbaren Bedarf unserer Streitkräfte vorbeigeht. Die benötigen nämlich vor allem Munition, Lenkflugkörper (Raketen) und Kampfpanzer.“